Alles Liebe! Predigt zu 1.Joh.4,16-21am 1. Sonntag nach Trinitatis


Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.  

17 Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.  

8 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe.

19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.  

20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.  

21 Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.


Ihr Lieben,

so zärtlich redet der Urheber des 1. Johannesbriefes seine Gemeinde an. Im 1. Johannesbrief dreht sich fast alles um die Liebe. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Bibel versucht mit dem Hauptthema der Schlagerwelt zu konkurrieren: Verdammt ich lieb dich! Ein bisschen Liebe, ein bisschen Frieden? Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben! Love love love. Ich wünsch Dir Liebe ohne Leiden….

 

Liebster oder Liebste, oder: Ihr Lieben: das sagt man doch meistens, wenn man jemanden sympathisch findet, wenn man die gleiche Wellenlänge hat.

 

Wenn das nicht der Fall ist, benutzen wir anderes Vokabular: Du Vollidiot! Depp! Oder die vielen Wörter, die nicht ins Schriftdeutsch dürfen. Auch da kennen wir uns aus, oder?

 

Nun beginnt der Predigttext mit den Worten: Gott ist Liebe! Ihr ahnt schon, dass dieser Satz sehr bedeutungsvoll ist. Er kommt so in der Bibel nur im 1.Johannesbrief vor. Wenn es so ist, dass Gott wirklich Liebe ist, dann frage ich mich, wem diese Liebe gilt? Beschreibt das die Beziehung Gottes zu den Menschen, die er sympathisch findet? Oder ist Gottes Liebe zumindest denen gegenüber gültig, die gläubig sind? Ist Gottes Liebe also exklusiv? Für uns Christen und deshalb für andere nicht! Oder gilt sie allumfassend?

 

Wir haben alle einmal gehört, dass Gottes Liebe grenzenlos sei. Aber stimmt das? Gibt es eine Liebe Gottes auch zu den Kriegsverbrechern früherer und heutiger Tage? Ist auch der Kinderschänder oder Vergewaltiger ein geliebtes Kind Gottes? Ist es egal, ob wir uns Christen nennen, oder Muslime, oder Atheisten, weil Gottes Liebe grenzenlos ist? Heute endet der deutsche Evangelische Kirchentag n Nürnberg. Es wurde darüber gestritten, ob man Frieden mit oder ohne Waffen schaffen kann. Das Gebot nicht zu morden hängt mit dem Verständnis von Gottes Liebe zusammen. Was meint eigentlich Nächstenliebe. Soll man auch Feinde lieben? Ist Gottes Liebe grenzenlos? Ich frage mich das wirklich. Und ganz ehrlich: Ich will nicht, dass ein Ajatollah oder ein Putin liebevoll angeredet wird. Wer über Leichen geht ist ein Mörder! Der Kinderschänder ist ein Böser und kein Lieber, und die nächtlichen Partytypen bei uns in der Nachbarschaft sind rücksichtslos und das Umweltschwein, das ohne Rücksicht seinen Müll illegal entsorgt ist ein Krimineller. Gott ist Liebe? Unglaublich!

 

Aber so steht es im Predigttext: Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Das bedeutet doch im Umkehrschluss: wenn ich nicht mehr in der Liebe bleibe, dann falle ich auch aus Gottes Nähe aus. Zumindest beim Autofahren falle ich dann sehr oft aus Gottes Liebe heraus. Aber eben auch, wenn ich Kriegsverbrecher erkenne oder andere Übeltäter.

 

Als der erste Johannesbrief geschrieben wurde, da hatten die Christen einiges auszuhalten: Nicht nur Spott, sondern durchaus auch Verfolgung und Gewalt. Jeder hätte Verständnis, wenn man sich gegen Spott und Gewalt wehrt. Wer sich nicht wehrt, muss mit immer schlimmeren Drangsalen rechnen. Das geht schon im Kindergarten oder auf dem Schulhof los. Man muss ich nicht alles gefallen lassen. In der Regel gilt: Nur wer wehrhaft ist, verschafft sich Respekt.

 

Trotzdem setzt der 1. Johannesbrief einen Gegenpol. Sich zu wehren ist menschlich. Die Menschen zu lieben, mit denen man auf gleicher Wellenlänge befindet ist ebenso menschlich, wie dem anderen deutlich zu machen, dass man ihn oder sie ganz gewisslich nicht zu den Liebsten zählt.

 

Wenn Gott Liebe ist, dann geht es um eine andere Kategorie als unsere verständliche Menschlichkeit. Es ist diese schier unbegreifliche Annäherung an uns Menschen und unsere Welt durch Gott, obwohl wir oft genug alles andere verdient hätten, denn als lieb angeredet zu werden.

 

Seit den Anfängen der Menschheit ist das Paradies verloren. Aber trotzdem wendet sich Gott Adam und Eva zu und hört nicht auf zu lieben, auch wenn das Vergehen Konsequenzen haben musste. Voll vom Zorn Gottes wird von der Sintflut erzählt und dann erscheint doch der Regenbogen als Zeichen des Bundes zwischen Himmel und Erde.  Mitten in Krieg und Besatzung, in Ausbeutung und Grausamkeiten wird Gott in Jesus Christus Mensch. Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf dass alle die an ihn glauben ncht verloren werden. (Joh.3,16) Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

 

Der Verfasser des 1. Johannesbriefes stellt die Kraft der Liebe der Kraft von Gewalt und Rücksichtslosigkeit entgegen. Liebe ist hier kein Schlagerwort, sondern enttarnt die Welt als das was sie ist: Nämlich lieblos und darum gottlos. Und es ist ja nicht die Welt, sondern es sind Menschen, die sich lieblos und rücksichtslos verhalten. Gottes Liebe deckt das Böse nicht zu sondern offenbart es vielmehr. Das fehlt mir oft in einer allzu verständnisvollen christlichen Ethik!

 

Ich habe gelesen, dass die Gewalttätigkeiten gegen Lehrer, aber auch gegenüber medizinischem Personal, gegenüber Bürgermeistern und Polizisten, gegenüber Rettungskräften und vielen mehr in Deutschland seit Corona extrem zugenommen haben. Mir bereitet das große Sorge. Denn: wenn die Bedrohungen immer mehr zunehmen, wenn Verrohung ein Zeitzeichen ist, wer engagiert sich denn dann noch?

 

Unser Predigttext ist da eine mutige Ansage: Darin ist die Liebe bei uns vollendet, dass wir die Freiheit haben zu reden am Tag des Gerichts. So wie Gott Mensch geworden ist in dieser Welt, so sind auch wir Teil dieser Welt. Mit anderen Worten: So wie Jesus in einer Welt voller Moralapostel und Unbarmherzigkeiten Nächstenliebe gelebt hat und damit das Böse als gottlos enttarnt hat, so sollen es Christen auch versuchen.

Bekommen wir dabei Angst? Einmischen, Böses benennen? Aber trotzdem statt Vergeltung Liebe üben? Da wird mir schon manchmal etwas mulmig. Doch der Predigttext sagt mir: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.

 

Christlicher Glaube als gelebter Gegenentwurf zu alltäglichem Hass und alltäglicher Rücksichtslosigkeit. Das sind keine Wattebäuschen gegen Fäuste. Ein Gegenentwurf aus Liebe heraus muss die Lieblosigkeiten zuerst benennen. Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden kann man ja singen oder wünschen, in der Regel ist Liebe aber auch mit Leiden und Anstrengung verbunden. Christen wissen, dass das Kreuz nicht nur ein Zeichen von triumphaler Liebe ist.

 

Deshalb ist die Anrede „Ihr Lieben“ auch nicht nur ein Zeichen der Sympathie. Ihr Lieben ist auch die Aufforderung zumindest und zuerst in der eigenen Kirchengemeinde diesen Gegenentwurf zu wagen: Wer seinen Bruder oder seine Schwester nicht liebt, der kann auch Gott nicht lieben. Auf diese einfache Formel bringt es der Predigttext. Dabei geht es gerade in der Kirche ja zuweilen deftig her. Da wird gequatscht und hinter dem Rücken getratscht, da gibt es Rechthaberei und Machtgeplänkel, Streitereien um den Wert von Traditionen und das gegenseitige Ausschließen, weil nur die eigene Ansicht gilt. Und oft genug wird eben der Konflikt nicht ausgesprochen und bearbeitet, sondern man zieht sich beleidigt zurück oder macht den anderen schlecht.

 

Es gibt also genug Anlass einander mit „ihr Lieben“ anzureden und damit die Tür zu öffnen für einen anderen Umgang miteinander. Ehrlich aber respektvoll. So hat uns Gott schließlich auch zuerst geliebt.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen!

 

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