Was bedeutet Segen? Predigt am 22.9.2019 zu 1.Mose 28,10-22 (Jakob und die Himmelsleiter)

Liebe Gemeinde,
Gott segne Dich!           Aber was ist das eigentlich Segen?
Bei der Taufe bitten wir um den Segen für das Leben des Täuflings. Wir hoffen, dass das Leben dann einen besonderen Schutz hat. Wir bitten um den Segen bei einer Trauung und hoffen, dass die Ehe gelingt. Segen bedeutet, so schreibt jemand bei Wikipedia, … Segen bedeutet Anteil zu haben an der göttlichen Macht, oder: Jemandem Gutes zusprechen. Segen ist gut; alles klar!
In der Bibel ist der Segen eine feste und konkrete unwiderrufliche Zusage. Bei der Schaffung der Welt segnet Gott die Menschen. Sie sollen fruchtbar sein und sie dürfen die Erde und was auf ihr wächst benutzen. Aber was nützt der Segen? Schon im dritten Kapitel der Bibel verspielt der Mensch das Paradies und auf Segen erfolgt sogar Fluch. Statt sich zu mehren und die Erde zu bebauen erzählt die Bibel vom ersten Mord. Kain erschlägt Abel. Was konnten sich Adam und Eva für ihren Segen kaufen?

Auch Abraham wird gesegnet. Doch zuerst muss er vermuten, dass Gott den Tod seines Erstgeborenen Isaak will. Er geht trotz Segen zunächst durch die Hölle und erst zum Lebensende stellt sich der verheißene Segen ein. – In einer anderen großen biblischen Menschengeschichte geht es um Jakob. Eigentlich muss man von Jakob und Esau sprechen. Denn die beiden sind Zwillingsbrüder. Zuerst kam Esau aus dem Bauch seiner Mutter Rebekka. Der Erstgeborene hatte immer besondere Rechte. Die Bibel erzählt, dass Jakob bereits bei der Geburt versucht hatte seinen Bruder Esau am Erstgeburtsrecht zu hindern. Später dann erpresst Jakob das Erstgeburtsrecht von Esau um ein Linsengericht. Und als der Vater Isaak seinen Erstgeborenen segnen will, betrügt Jakob seinen Vater um, obwohl es ihm nicht zusteht, den väterlichen Segen zugesprochen zu bekommen. Isaaks Segen bedeutet, dass Jakob zum Herrn über seine Brüder gestellt wird und alles Erbe nur ihm zustehen soll. Jakob der Betrüger, das ist schon zum Sprichwort geworden. Die Mutter Rebekka hält ständig ihre schützende Hand über Jakob. Das erhöht die Wut von Esau über die Ungerechtigkeit. Besorgt um die drohende Entwicklung drängt die Mutter Jakob, das Land zu verlassen und weit weg nach Mesopotamien zu ziehen. Dort möge er im Land ihrer Eltern eine Familie gründen.

Jakob hat den Segen und muss doch flüchten. Er hat den Segen und verliert doch alles. Nicht einmal ein Kopfkissen kann er mitnehmen. Was kann Jakob sich für den Segen kaufen? Doch dann passiert folgendes:

Gen. 28,11-22

Jakob schaut die Himmelsleiter

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran 11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. 
12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. 15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. 
16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 
18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf 19 und nannte die Stätte Bethel; vorher aber hieß die Stadt Lus. 
20 Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen 21 und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der HERR mein Gott sein. 22 Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben.

Es scheint so, dass Jakob statt einem gesegneten Leben gar nichts mehr hat. Ein Stein dient ihm als Kopfkissen, na prima! Aber richtig Mitleid kann man mit ihm eigentlich auch nicht haben. Schließlich hat er selbst mit List und Betrug dafür gesorgt, dass er von seinem Bruder gehasst wird.

Und nun dieser Traum voller Symbolik: Eine Leiter von der Erde in den Himmel. Eine Verbindung von der Welt des Jakob in den Himmel. Jakob bleibt unten auf dem Wüstenboden, dem Boden der Realität. Und Gott ist oben am Himmel. Noch kommt er nicht herunter. Davon berichtet die Bibel erst viel später, wenn von Jesus die Rede sein wird. Aber doch berühren sich Himmel und Erde, auf dass Friede werde unter uns – wie es in dem Lied heißt, dass wir noch singen werden. Engel, diese Zwischenwesen, ob mit oder ohne Flügel, die "Angeli" wie es im lateinischen heißt, die Botschafter des Himmels krabbeln da lustig rauf und runter. Es scheint, als ob die Engel auch nicht wissen, ob man sich Jakob, diesem dreisten Typen, erbarmen soll oder lieber den Himmel vor Lügnern und Betrügern schützen soll.
Doch da ergreift Gott selber das Wort:
"Durch dich sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet sein. Siehe ich bin mit Dir und will Dich behüten, wo du hinziehst und will dich wiederbringen in dieses Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe."

Segen, noch einmal: Nicht nur der Segen des Stammvaters, sondern göttliche Zusage. - Damit hat Jakob nicht gerechnet: "Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte und ich wusste es nicht!" In der Wüste vermutetet man eher, dem Teufel zu begegnen. Jesus wird das später so erleben. Aber auch Gott zu begegnen, ihn zu sehen, bedeutete eigentlich ein Todesurteil. Darum fürchtet Jakob sich auch. Doch als er sich die Augen zweimal reibt, wird ihm klar, dass er von Gott eine ungeahnte Chance für sein Leben bekommt; er darf diesen göttlichen Segen nicht verspielen: Nicht so wie Adam und Eva und ihr Sohn Kain es getan haben. So wie wir Menschen Chancen manchmal verspielen. Jakob begreift, dass er sein Leben ändern muss.

Als er noch zuhause war, da hat er nur auf seinen Vorteil hingearbeitet: Er hat den Bruder überlistet, den Vater betrogen. Da hat er nur den Blick für sich selber gehabt. Und als er in die Wüste floh, da hat er auch nur den Blick für das Überleben gehabt, vielleicht noch den Traum von einer Familie versucht zu träumen. Im Guten wie im Schlechten war Jakob ein Realist. Man hat das Leben schließlich nur einmal. Er scheint darauf zu pfeifen, was andere von ihm denken. Das Wort Rücksicht oder gar Moral kennt er offenbar nicht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich diesem Jakob schon einmal begegnet bin. Diesen Menschentyp kenne ich. Täglich kreuzt er meine Wege. Und wenn ich ehrlich bin: Ich kann gut auf ihn verzichten!

Doch die Welt von Rücksichtslosigkeit und schwindender Moral, von Egoismus und Selbstverliebtheit ist nicht alles. Es gibt noch einen Himmel über unserer Erde. Und der Himmel berührt immer wieder unsere Erde. Wer das glaubt oder wer das träumt, dessen Blick wird weiter und das Herz versteht mehr.

Jakob ergeht es jedenfalls so. Und wieder gestehe ich: Diesem Jakob, diesem Menschentyp, der bereit ist, sich zu ändern, dem der Himmel mehr bedeutet als der Blick nur auf sich selbst; diesem Menschentyp, diesem Jakob möchte ich nun gerne und viel öfter begegnen.

Jakob macht aus dem Stein, der ihm ein hartes Kopfkissen war - aus dem Zeichen der Not - macht er einen Altar. Das Zeichen der Not wird zum Zeichen für Gottes Liebe. Den Ort in der Wüste nennt Jakob nun Betel. (Bet-El = „Haus Gottes“).

Bethel heißen auch die diakonischen Einrichtungen in Bielefeld. Aus einem Haus für Epileptiker aus dem Jahr 1871 ist nun ein Stadtteil der Inneren Mission bei Bielefeld geworden. Wikipedia schreibt dazu:
Das christliche Gebot der Nächstenliebe bestimmte viele Mitarbeitenden in ihrem Dienst, der sie oft Tag und Nacht in Anspruch nahm. So setzten Frauen und Männer ihr Leben bewusst ein, um als Diakon oder Diakonisse Mitarbeiter im „Haus Gottes“ zu sein. Im Mittelpunkt der Arbeit Bethels standen als Ideal die Vergessenen und Ausgegrenzten der Gesellschaft, in den Worten Friedrich von Bodelschwinghs die „Menschen, die niemand haben will“. Zu Bodelschwinghs Zeiten waren das vor allem behinderte Menschen und die „Trunkenbolde, Landstreicher und Taugenichtse“. Für den Mitbegründer Pastor Friedrich vonBodelschwingh war jeder Mensch ein Geschöpf Gottes. In Betel, im Haus Gottes sollte das spürbar werden.

Segen ist kein Zauber, Segen ist eine Zusage zum Leben: Der biblische Jakob erwartet von Gottes Segen schon etwas. Einen Lebensvorteil, eine Stütze in jeglicher Hinsicht. Segen soll nicht nur eine leere Formel sein. Aber Jakob will nicht nur nehmen. Von dem was er hat, will er den Zehnten abgeben. 
Segen kann gedeihn, wenn wir alles teilen; schlimmen Schaden heilen, lieben und verzeihn. So heißt es im Lied Komm Herr segne uns!

Segen ist also eine Zusage Gottes. Segen ist die Begegnung des Himmels mit unserer Erdenwirklichkeit. Segen öffnet uns den Blick für den anderen und die andere. Segen ist der Zuspruch, dass Gott uns auch am einsamsten Punkt der Wüste nicht vergisst. Die Frucht des Segens lässt sich nicht immer gleich ernten. Der Glaube an die Zusage Gottes, an seinen Segen, lässt uns jedoch auch Wüstenzeiten überleben, miteinander und füreinander. Segen macht Mut zum Leben!
So segne uns Gott der Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen!

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