Sonntag Kantate: Singt dem Herren neue Lieder

 Sonntag Kantate: es geht um Musik.

Als ich mit 6 Jahren eingeschult wurde, wurde ich wie alle Klassenkameraden zur Musikschule angemeldet. Man musste bei einem schlauen Musiklehrer irgendeinen Test machen. Alle Kinder gingen dann zur Jugendmusikschule - nur ich bekam keine Einladung. Meine Mutter fragte ganz entsetzt nach. Der Leiter der Musikschule sagte meiner Mutter dann: „Frau Wache, Ihr Sohn ist hoffnungslos unmusikalisch. Das hat keinen Zweck. Nicht jeder hat musikalische Begabung.“

Später brachte ich mir selber Gitarre und Schlagzeug bei, bekam auch Gesangsunterricht und gründete und leitete den ersten Chor in der Bundeswehr. Ich bemühte und bemühe mich nach wie vor einigermaßen passabel musikalisch zu sein. Ich will nicht sagen, dass der damalige Leiter der Musikschule keine Ahnung hatte. In seinen Ohren war ich hoffnungslos unmusikalisch. Die Frage ist aber: wer entscheidet eigentlich, was musikalisch ist und was nicht? Was ist gute Musik?

Musikgeschmack kann bekanntlich sehr unterschiedlich sein. Und Wilhelm Busch hat mal geschrieben: Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden. Daran muss ich denken, wenn ich nachts die Bässe aus den Diskotheken in Las Americas noch bei uns obenin Chayofa höre. Aber daran denken vielleicht auch unsere Nachbarn, wenn ich Gitarre übe.

Sonntag Kantate: es geht um Musik. Was ist gute Musik? Heute wird nicht generell das Loblied auf die Musik gesungen, denn auch wenn die Orgel immer noch die Königin der Instrumente genannt wird, locken wir junge Leute in der Regel mit Orgel und Chorälen nicht in die Kirche. Für Jugendliche ist das oft keine gute Musik, was wir da bieten. Aber nur Rapp und HipHop im Gottesdienst? Für mich wäre das auch nichts. Warum ist uns Kirchenmenschen Musik so wichtig?

Für Helmut Schmidt war die Kirchenmusik ein wichtiger Grund in der Kirche zu bleiben. Der Hamburger Theologe Fulbert Stefensky schreibt: Manchmal gehe ich in den Gottesdienst und erlebe eine langweilige und schlechte Predigt. Aber wenn dann gemeinsam gesungen wird, hebt die Musik die schlechte Predigt auf und ich fühle mich mit Tausenden von anderen Gläubigen verbunden. Unsere Musik im Gottesdienst ist auch Verkündigung. Aber sie spricht eine andere Sprache als die Predigt. Musik kann den Glauben anders ausdrücken, als Worte das können und umgekehrt. Musik berürt die Seele im Guten wie auch im Schlechten. Musik kann nerven und sogar Gewalt hervorrufen, aber Musik kann auch heilsam und Balsam für die Seele sein. Davon erzählt die Geschichte von der musikalischen Begabung des jungen David.

 

1.     Sam 16,14-23

     Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn. 15 Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich. 16 Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde. 17 Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir. 18 Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der HERR ist mit ihm. 19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist. 20 Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David. 21 So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger. 22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen. 23 Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

 

Es gibt zu der Erzählung eine unmusikalische Vorgeschichte:

Israel will einen König haben, wie alle anderen Völker auch: Einer der entscheidet; einer der sagt, wo es lang geht. Einer, den man sehen und anhimmeln kann. (Offenbar ist die Sehnsucht nach einem König weit verbreitet. Sonst würde es heute auch nicht die weltweite Fernsehübertragung von der Krönung des britischen Königs Charles III geben.) Die Bibel erzählt, dass Gott das im Falle Israels ganz und gar nicht so sieht. Die Leute sollen sich auf Gott verlassen und nicht auf einen einzelnen Herrscher. Einem einzelnen Führer zu folgen hat schon oft genug in der Geschichte fatale Folgen gehabt. Doch Gott hat Erbarmen und der erste König der Juden, Saul also, wird gesalbt und von Gottes gutem Geist begleitet. Doch das Blatt wendet sich. Ein böser Geist von Gott verstört den jungen König. 

Allein dieser Satz müsste eigentlich jedes Loblied auf den Lippen verstummen lassen. Mit dem Geist Gottes verbinde ich immer noch Gutes und im positiven Sinn Belebendes. Soli Deo Gloria hat Johann Sebastian Bach jedes seiner Werke unterschrieben: Dem alleinigen Gott sei Ehre! Wenn Gott aber nun auch verstören kann und einen bösen Geist senden kann, darf man dann überhaupt noch Singen. Ist das eine böse Seite von Gott, wenn wir Krankheit und Tod erleben, Krieg Ungerechtigkeit Vertreibung? Ist es Gott, der Könige und Herrscher mit einem bösen Geist verstört? Sind die Tyrannen gar nicht für ihr Handeln verantwortlich, sondern Gottes böser Geist? Verstummen deshalb Menschen und werden mutlos, stumm und verlieren die gute Musikalität? Die Bibel erzählt so, auch wenn ich nicht an Gottes bösen Geist glauben mag. Aber sie berichtet eben auch davon, dass Menschen die Musik als Gegenmittel suchen: Die Knechte Sauls sind fest davon überzeugt, dass gute Musik sogar den bösen Geist Gottes besänftigen kann. Sie suchen nach einem, der des Saitenspiels kundig ist. Sie finden David. Der ist des Saitenspiels kundig und wenn er in die Saiten greift, spielt und singt, dann wurde es besser mit Saul und der böse Geist wich von ihm.Das David auch noch wie ein Popstar gut aussah wird auch erwähnt.

Gute Musik ist eben nicht nur eine Frage des Geschmacks und der Stilrichtung. Gute Musik ist dann gut, wenn sie heilsame Kräfte entwickelt. Alles andere ist Unterhaltung, mal besser, mal schlechter und oft genug - wie Wilhelm Busch feststellte - mit lästigem und rücksichtslosen Geräusch verbunden.

Ich habe in diesem Sinne gute Musik einmal erlebt. Gute heilsame Musik, obwohl es releativ unmusikalisch klang: Ich habe mal in einem Heim für Schwerstdemente mitgearbeitet. Viele Bewohner saßen den ganzen Tag nur mit gesenktem Kopf in den Sesseln. Sie redeten nicht, manche lallten. Die meisten waren verstummt. Schwere Demenz ist wie ein böser Geist. Er verstört die Dementen und mindestens ebenso die Angehörigen. Wenn wir versuchten Gottesdienst zu feiern – und ich sage das so, weil man nie wusste, was als nächstes passieren würde, - dann war das gemeinsame Singen das Entscheidende. Irgendwo war bei den Bewohnern der alte Schatz von Liedern vorhanden. Wenn ich mit der Gitarre z.B. „Lobe den Herrn“ oder ein Volkslied anstimmte, dann sangen alle mit, nicht schön aber mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Es war Unmusikalisch - aber es war gute, heilsame Musik! Sogar meine Konfirmanden staunten, was die Musik mit der bösen Krankheit Demenz machen konnte. Es war nicht ihre Musik. Klar, aber sie merkten, wie heilsam Singen sein kann. Kantate: Singt!

Daran muss ich denken. Und ich frage mich, ob in 10 oder 20 Jahren Menschen immer noch die alten Lieder kennen werden? Oder ob Liedgut zu einem Verbrauchsgut wird: Ein Hit. Sieben Mal gehört und dann nur noch ein Thema bei Quizsendungen. Bei Trauungen, bei Beerdigungen wird oft nicht mehr gesungen. "Wir können nicht singen!" heißt es dann oft. Ich finde das nicht heilsam. Vielleicht lässt man singen, oder hört irgendetwas vom Band. Die echten oder Möchtegern Künstler sind vielleicht Profis, aber sie lehren uns nicht mehr die Musik, die mehr als eine flüchtige Berührung ist, die heilsam sein kann für die Seele.

Ich glaube, es braucht mehr Menschen wie David, die ein Instrument spielen können, es braucht mehr Menschen die statt Blockflöte ihr ureigenstes Instrument, nämlich die Stimme ausprobieren und trainieren. Wir sollten nicht nur andere entscheiden lassen, was musikalisch ist und was nicht. Ich bin froh, dass in unserer Gemeinde, der Gesang im Gottesdienst oft einen großartigen Klang hat, auch wenn in meinen Ohren nicht alles perfekt klingt. Wie oft habe ich von Touristen gehört, dass der Gemeindegesang in unserer Kirche schon ein sehr besonderes Erlebnis gewesen sei. Oft verbunden mit dem Nachsatz: Ja, wenn das bei uns zuhause auch so wäre! Also gilt: Gegen die bösen Geister, gegen schlechte Stimmung heilsam ansingen, egal wo: Kantate! Singt! Amen!

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