Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn... Predigt 16.4.23 zu Gen. 32,23-32

 Liebe Gemeinde,

 

„Alles Gute wünsche ich Dir!“

Das hört man oft zum Geburtstag oder auch zur Taufe eines Kindes. Der heutige Sonntag Quasimodogeniti (wie die neuge-borenen Kindlein) ist so ein typischer Taufsonntag. „Alles Gute also zur Taufe!“ – Aber was ist das eigentlich: Dieses alles Gute?

Einem Kind wünscht man nichts Schlechtes im Leben. Gesundheit und die Erfahrung von Liebe. Wenn aber Eltern versuchen ihre Kinder vor allen Infektionen und allem Schmutz zu bewahren, damit sie nicht erkranken, passiert oft das Gegenteil. Wenn keine Abwehrkräfte gebildet werden können, ist die Erkältung um so schlimmer. Was also bedeutet: Alles Gute?

In unserer jeweiligen Geburtsurkunde steht nirgendwo ge-schrieben, dass im Leben immer alles glatt geht. Nie hat je-mand gesagt, dass wir von Krisen verschont bleiben werden. Gut wäre doch, wenn wir Kräfte in uns finden könnten, die uns helfen Krisen zu bewältigen; die uns befähigen, auch noch im Üblen an das Gute zu glauben. Die uns in die Lage verset-zen nicht gleich aufzugeben, sondern zu ringen und zu kämp-fen. Schon Jesus hat darauf hingewiesen, dass er bei uns ist bis an das Ende der Welt. Das ist uns früher auch mal mit auf den weg gebeben worden bei der taufe. Es wird nicht alles glatt gehen, aber ich bin bei dir bis an das Ende der Welt.

Gott wird uns nicht an jeder Krise vorbeilotsen, sondern Trost und Kraft spenden, wenn wir mal in Schwierigkeiten geraten.  Krisen gehören zum Leben dazu. Wir können an ihnen scheitern oder wir können in ihnen Chancen entdecken und wachsen. Im Wort „Krise“ steckt das griechische Wort für „ein Urteil fällen“. Wenn ich schwer erkranke, kann ich mich aufgeben, oder versuchen, mein Leben neu zu orientieren. Wenn ein lieber Mensch stirbt, kann ich mich zurückziehen oder versuchen, das Leben neu zu gestalten. Immer muss ich mich entscheiden. Krisen zu bewältigen kostet oft Kraft. Wenn es gelingt, kann eine Krise sich aber sogar als segensreich erweisen.

 

Davon erzählt uns die biblische Geschichte von Jakob. Einst hatte Jakob sich den Segen seines Vaters Isaak ergaunert. Eigentlich hätte der Bruder Esau das Vorrecht gehabt. Die ganze Familiengeschichte von Jakob ist von Anfang an verkorkst. Die Mutter bevorzugt Jakob und der Vater den Esau. Familiengeschichten! Manche Krisen im Leben sind offenbar schon in der Kindheit wie vorprogrammiert.

 

Später wird Jakob selbst zum Betrogenen. Sieben Jahre arbeitet er bei seinem Onkel Laban, um die schöne Rahel heiraten zu dürfen. Doch als es soweit ist, schickt Laban seine ältere Tochter in der Nacht zu Jakob. Jakob muss so liebestoll gewesen sein, dass er in der Dunkelheit nicht gemerkt hat, mit welcher Frau er da die Nacht verbringt. – Egal: Selbst Schuld. Ausgleichende Gerechtigkeit. Der Betrüger wird seber betrogen! Jakob muss nochmals sieben Jahre schuften, bevor er seine Rahel bekommt. Das Leben kann hart sein.

 

Doch damit nicht genug: Jakob bekommt die Nachricht, dass sein Bruder Esau mit 400 Mann ihm entgegen kommt. Jakob ahnt Böses. Die Geschichte holt ihn ein. Was tun? Krise! Eine Entscheidung muss her. Jakob will Esau mit einem großzügi-gen Geschenk besänftigen. Gleichzeitig trifft er Vorsichtsmaß-nahmen: er teilt sein Lager in 2 Hälften auf; an je unterschied-ichen Orten, damit bei einem Bruderkampf nicht alles von Jakobs Besitz drauf geht. Seine beiden Frauen bringt er in Sicherheit auf die andere Seite des Flusses Jabbok. Hat er an alles gedacht, um Herr der Lage zu sein? Hat er alles getan, damit die Lage erst gar nicht zu einer ernsthaften Krise wird?

Jakob ist erschöpft. Er bleibt alleine am Ufer des Jabokks zurück. Doch mit einem Mal wird er überfallen. Nicht vom Bruder, einer der noch strärker ist: Jemand kämpft mit Jakob. Doch hören wir selbst:

 

Gen. 32, 25-32

Jakobs Kampf am Jabbok. Sein neuer Name

23Und Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog an die Furt des Jabbok, 

24nahm sie und führte sie über das Wasser, sodass hinüberkam, was er hatte,  

25und blieb allein zurück.

Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.  

26Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt.  

27Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.  

28Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob.  

29Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.  

30Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. 

31Und Jakob nannte die Stätte Pnuël; denn, sprach er, ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet.  

32Und als er an Pnuël vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte.

 

Jakob kämpft mit Gott. Das ist vielleicht die schlimmste Krise, die ein Mensch erleben kann, wenn er mit Gott ringt. Das fängt oft als junger Mensch an, wenn man merkt, dass der liebe Gott nicht nur gütig und gnädig ist. Wenn die Vorstellung zerbricht, die einen bisher getragen hat. Wenn man sich fragt: Warum tust Du mir das an Gott? Gott, du drückst mich an den Boden. Ich finde kaum noch Luft zum Atmen. Wenn auf einen Schicksalsschlag noch ein zweiter folgt. – Krise! Zeit ein Urteil zu fällen. Weglaufen ist eine Option, aber nicht immer eine Gute. Vor Gott weglaufen? Das geht vielleicht eine zeitlang, aber ohne Gott, ohne Glauben bleibt ein Leben anstrengend und hoffnungsarm. Man müsste ständig versu-chen selbst alles im Griff zu haben; man müsste ständig ver-suchen den Überblick zu behalten, damit eine Lage gar nicht erst zur Krise wird. Jakob hatte das versucht; eine Taktik und eine Strategie entwickelt. 2 Lager an 2 verschiedenen Orten, Frau und Besitz an das andere Ufer retten. Und doch musste er kämpfen. Ausgerechnet mit Gott. Bis zum Morgengrauen. Das hat Spuren hinterlassen. Doch Jakob hat standgehalten. Er ist nicht weggelaufen. Jakob hält an Gott in allen Krisen fest: „Ich lasse Dich nicht! Es sei denn, Du segnest mich!“

 

Johann Sebastian Bach hat eine Kantate zu diesem Satz geschrieben. Die Kantate war anlässlich einer Trauerfeier in Auftrag gegeben worden. Ein Mensch stirbt. Man fragt nach dem Sinn des Todes. Zweifel kommen auf am Sinn des Lebens, wenn man doch sterben muss. Ein Ringen mit Gott! Krise! Standhalten! Festhalten an Gott! Die Chance sehen. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!

 

Der heutige Sonntag hat also den sperrigen Namen: „Quasimodogeniti“: Werden wie neugeborene  Kinder. Wie eingangs gesagt, wünschen wir Kindern bei der Taufe oft alles Gute, ohne genau zu wissen, was denn konkret einmal heißen wird. Wir taufen und segnen im Namen Gottes. Oft aber können wir uns an die eigene Taufe nicht erinnern. Wenn es gut geht, können wir unseren Taufspruch auf einer verblassten Taufurkunde lesen; können erahnen, dass uns mal etwas Kraftspendendes oder Hoffnungsfrohes mit auf den Lebensweg gegeben wurde. Was Segen aber wirklich bedeutet, können wir - glaube ich - nur erfahren, wenn wir einmal mit Gott gerungen haben. Wenn wir vor einer Krise nicht weglaufen, wenn wir nicht gleich aufgeben, wenn wir vielmehr standhalten, notfalls bis zum Morgengrauen. Wenn wir nach harter Nacht die Chance in der Krise sehen. Wenn wir spüren, dass nach der Herausforderung Gutes werden könnte: wenn wir mit Jakob rufen: „Gott, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Ich habe Gott gesehen, ich habe mit ihm gekämpft, aber mein Leben wurde errettet!“

Wir sind in Jesu Namen getauft, damit wir die Herausforderungen im Leben annehmen und für die Chancen auch bei Veränderungen kämpfen. Der Kampf am Jabbok hat Jakob verändert. Aber er ist gesegnet. Er heißt fortan nicht mehr Jakob, sondern Israel. Die Geschichte hat ihre Fortset-zung in der großen Versöhnung zwischen Esau und Jakob. Die Brüder sind wie 2 Völker. Sie werden nicht einfach eins. Jeder geht seinen eigenen Weg weiter. Aber sie verzeihen einander. Sie bleiben Versöhnte. Segen macht sich breit. Gottes Segen! Ich wünsche nicht alles Gute, aber Segen. Segen wünsche ich Israel, Segen wünsche ich Osteuropa und Segen wünsche ich euch! Amen.

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