Jesu Einzug nach Jerusalem - Predigt zu Joh.12 am Palmsonntag 2023

 

Johannesevangelium Kapitel 12,12-19

Der Einzug in Jerusalem

 

12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: 15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. 17 Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

 

 

Liebe Gemeinde,

Tochter Zion freue Dich! Das war ursprünglich kein Advents-lied, sondern tatsächlich für den Palmsonntag gedacht. Jesu Einzug nach Jerusalem. Mit einer gegenüber dem Text fast hundert Jahre älteren Melodie von Georg Friedrich Händel. Der hatte die Musik ganz im pompösen Barrokstil mit Pauken und Trompeten besetzt. Bei Händel hieß der Satz noch: The conquering hero comes. (Der erobernde Held zieht ein.) Das dazugehörige Oratorium war Josua gewidmet, der das Volk Israel ins gelobte Land führte. Pauken und Trompeten und der Gedanke an einen militärischen Einzug: Das passt so gar nicht zu der Erzählung des Evangelisten Johannes vom Einzug Jesu nach Jerusalem. Kein Eroberer hoch zu Roß, sondern im Gegenteil auf einem Esel reitend, zieht Jesus ein nach Jerusalem.

 

Doch die Menschen jubeln Jesus zu. Nicht mit Pauken und Trompeten, aber mit Palmwedeln rufen, nein schreien sie: „Hosianna!“ Das heißt: Hilf doch! Die Menschen hatten große Erwartungen an Jesus: Jesus ist der Messias, sagte man. Der Messias ist der, der das Volk Israel befreit, verkündeten schon die Propheten des ersten Testamentes. In Israel hungerten die Menschen nach einer Befreiung von der römischen Besat-zung. Sie wollten auch ein Ende der strengen Regeln der religiösen Führung und ihrer Religionswächter. Der verheiße-ne Messias war kein religiöser Spinner, der sich selbst den Titel gab. Davon gab es zur Zeit Jesu jede Menge und vielleicht ja nicht nur zur Zeit Jesu. Der Messias, das sagten die Propheten, wird von Gott eingesetzt. Er ist kein König, der wegen einer Thronfolge sein Amt bekommt. Kein Filipe VI oder Charles der III; erst Recht kein Herodes, der zur eigenen Machterhaltung sogar Kinder ermorden ließ.

 

Der bei den Propheten verheißene Messias ist der, der Israel und der ganzen Welt Befreiung und Gerechtigkeit für ewige Zeiten bringt. Jesus nimmt diesen Titel in Anspruch, so erzählt der Evangelist Johannes. Er nimmt einen jungen Esel und reitet auf ihm durch das Tor in der Jerusalemer Stadtmauer. Genauso wie der Prophet Sacharja es vorausgesagt hat: Tochter Zion fürchte dich nicht. Siehe dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen!

 

Eigentlich scheint alles klar. Der Jubel ist verständlich und weil alle Prophezeiungen erfüllt zu werden scheinen auch berech-tigt. Und doch wissen wir Christen, dass über dieser Szene ein dunkler Schatten liegt. Wenige Stunden später wird Jesus ver-haftet werden. Der Königstitel wird ihm zum Verhängnis. Am Karfreitag stirbt Jesus am Kreuz: verspottet und mit Dornenkrone.

 

Wo ist der Fehler? Ist Jesus doch nicht der Messias? Ein Prophet schon, sagen Juden und Muslime, aber eben nicht Gottes Sohn. Oder sind die Leute mal wieder blind einem Erlösungsglauben hinterhergelaufen, wie sie es noch heute tun und - bar jeder Vernunft - esoterischen oder verschwörungstheoretischen Bewegungen die Ehre geben? Oder haben wir immer noch nicht verstanden, was Jesus eigentlich gepredigt hatte?

 

Ich möchte verstehen, weshalb wir Jesus glauben sollen und ihm die Ehre geben, obwohl das Kreuz den triumphalen Jubel eigentlich verstummen lassen müsste.

 

Zur Zeit Jesu versprach das römische Reich für Frieden und Stabilität zu sorgen. Man musste nur dem römischen Kaiser die Ehre geben, seine Steuern zahlen und vor allem keinen Aufruhr veranstalten. Glauben konnte man, was man wollte, solange es nicht staatskritisch war. Das klingt ja gar nicht schlecht. Aber bis in unsere Tage wissen wir, dass Menschen in einem solchen System in Angst leben, weil man eben nie weiß, ob die Spitzel nicht doch etwas aufrührerisches vermuten.

Neben dem Druck der römischen Besatzung versuchte die jüdische Religionsverwaltung zu bestehen, in dem sie auf die Einhaltung der jüdischen Gebote achtete. Nur so, so sagten z.B. die Pharisäer, könne man sicher sein, als Volk nicht auseinander zu fallen und sich der Nähe Gottes zu vergewissern.

 

Jesus aber hat anderes gepredigt. Eigentlich ging es ihm schlicht und ergreifend um grenzenloses Gottvertrauen:

Seinen Jüngern hat er gesagt: Ihr braucht keine Schuhe und keinen Geldbeutel. Ihr werdet Menschen finden, die Euch etwas geben und wo man euch vertreibt, braucht ihr auch nichts suchen. Als in Kana bei der Hochzeit der Wein alle ist, fordert Jesus nur Vertrauen. So geschieht das Wunder: Aus Wasser wird Wein. Wer nur Gott vertraut, braucht keine nationalen Identitäten. Deshalb hat Jesus kein Problem mit Ausländern. Wer nur Gott vertraut, verurteilt eine Ehebrecherin nicht und hält auch die jahrelange Behinderung des Gelähmten am Teich Bethesda für überwindbar. Vertraue, nimm dein Bett und geh! Sagt Jesus. Wer sein Vertrauen nur auf Gott setzt, der wird frei und erkennt die Wahrheit. Der läuft nicht jeder einfach gestrickten Ideologie hinterher: Glaubt an das Licht, solange ihr es habt und werdet Kinder des Lichtes. So erzählt Johannes an anderer stelle von Jesus.

 

Mit diesem grenzenlosen Gottvertrauen zieht Jesus also nach Jerusalem ein. Er weiß, was auf ihn zukommt. Er hat Angst und wirkt doch gerade im Johannesevangelium in allem unglaublich souverän. Er bleibt auch im Kreuz bei seinem Gottvertrauen. Das letzte, was er sagt ist: es ist vollbracht!

 

Ich weiß, dass ich ein solches grenzenloses Gottvertrauen nicht habe. Die Brücke zwischen grenzenlosem Gottvertrauen und unbegrenzter Naivität ist ja sehr kurz. Jesus widersteht dem Teufel, der sagt, wenn Du Dich von der Zinne der Stadt-mauer in die Tiefe stürzt, will ich die alle Macht geben. Das zu tun, wäre Dummheit und nicht gesundes  Gottvertrauen. Gott hat uns Menschen schließlich auch einen Verstand und ein Gewissen gegeben. Ich fände es gut, wenn Menschen sich daran ab und an erinnern oder erinnern lassen würden.

Und so freue ich mich, dass es in meinem Leben doch einige Sicherheiten gibt:  Bald werden wir in unsere eigenen vier Wände einziehen können, die wir altengerecht vorberei-tet haben. Vielleicht hilft uns das für eine gute Zeit. Ich bin beruhigt, dass es eine Rente und eine Pension gibt. Ich lasse mich impfen, weil ich das Risiko einer schweren Erkrankung und das Risiko einer Impfschädigung meine abwägen zu können. Ich fände es klug, Sicherheiten nicht in immer höher erstreikten Löhnen sondern in niedrigeren Preisen zu finden. Ich habe vollstes Verständnis, wenn Menschen ihre Sicherheit mit Waffen gegenüber einem Agres sor verteidigen. Und ich weiß, dass man nicht die Hände in den Schoß legen darf, um dem Klimawandel irgendwie doch noch Einhalt zu gebieten.

 

Ich weiß also, dass ich nicht das Recht habe Laut Hosianna zu rufen, weil ich dem grenzenlosen Gottvertrauen Jesu einfach nicht wirklich und vollständig zu folgen vermag. Kritisch werde ich, wenn eine Menge einem einzelnen Menschen voller Enthusiasmus zujubelt; vor allem, wenn damit eine blinde Nachfolge verbunden ist. Das ist in Deutschland schon öfters kolossal schief gegangen…

 

Aber ebenso kritisch bin ich gegenüber denen, die aus Enttäuschung oder bösem Hochmut „kreuzige ihn!“ brüllen. Wer Jesus irgendwie ernst nehmen will, lässt Hass keinen Raum. Hass und Bedrohungen sind aber mehr als je in unserer Zeit verbreitet. Ich finde sie bedrohlich nicht nur für Betroffene, sondern für unsere gesamte Gesellschaft.

 

Jesus setzt sich dieser Bedrohung aus. Er, der immer Gutes getan hat, sogar Macht hatte, Lazarus von den Toten aufzu-wecken, gibt sich selber Preis. Siegt also immer das Böse?

 

Wäre es so, hätte Johannes sein Evangelium nicht geschrie-ben. Jesus hat vielmehr dem Bösen und dem Hass die ganze Jämmerlichkeit aufgezeigt. Nachfolge heißt deshalb für uns Christen, wachsam und gleichzeitig voller Gottvertrauen das Leben zu gestalten; heißt immer wieder Menschen mit Re-spekt und Liebe, wo es nötig ist auch mit konstruktiver Kritik zu begegnen. Nachfolge heißt auch Fehler zugeben können und auf Gnade und Barmherzigkeit zu hoffen. Jesus hat das Wesen der Welt nicht geändert, aber er kann uns ändern. 

Es wäre doch nicht das Schlechteste, wenn die, die Falsches oder Böses  beabsichtigen am Ende eingestehen würden: Gegen das Gute kann man nichts machen, denn alle Welt läuft Jesus nach...


Und der Friede Christi der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen allezeit. Amen!

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