Predigt am 12.2.23 zu Jes.55,6-13: Suchet den Herrn solange er nahe ist

 Ich will von Nathan erzählen. 16 Jahre ist er alt. Er ist Jude, obwohl er in Babylon geboren ist. Seine Eltern mussten zusammen mit den Großeltern und vielen anderen vor 20 Jahren Jerusalem verlassen. Im Jahr 586 vor Christus hatte der babylonische König Nebukadnezar die Israeliten besiegt. Alle die mit dem König der Israeliten zusammen gearbeitet hatten mussten die Heimat verlassen und in einem großen Treck nach Babylon ziehen. Nathans Eltern sagen: Wir wurden ver-schleppt. Nathans Großvater weint nachts oft. Dann spricht er davon, wie schön Jerusalem vor der Belagerung und der anschließenden Zerstörung war. Er singt dann die Lieder vom Tempel und immer wieder fragt er, weshalb Gott sein Volk so gestraft hat. Nathans Eltern sagen, dass die Regierung in Jerusalem viel falsch gemacht hat. Korruption war verbreitet und Egoismus. Einige waren reich, viele waren arm. Keine Gesellschaft kann stark sein, wenn man nicht aufeinander achtet, sagt Nathans Vater.

Nathan kann die Klagen über die verlorene Heimat nicht ver-stehen. Nathan und seiner Familie geht es doch gut in Babylon. Die deportierten Juden sind zwar Ausländer, aber Nathan hat nichts auszustehen. Alle deportierten Israeliten können sich frei bewegen; alle dürfen arbeiten. Sie dürfen sich sogar zum Gottesdienst treffen. Für Nathan ist Babylon eine faszinierende Stadt, voller Leben und Dynamik. Er lernt an der Sternwarte – dem Turm von Babel - viel über die Sonne, Mond und Sterne. Die Babylonier wissen, wie man den Mondkalender klug nutzt. Die Landwirtschaft profitiert davon. Die Menschen hier verehren Götter, die für Stärke, Fortpflanzung und Wohlstand stehen. Babylon ist reich. Nathan findet den Glauben der Babylonier viel nachvoll-ziehbarer als die Geschichten, die Großvater erzählt vom Gott der Israeliten. Befreiung aus Ägypten? Was haben solche alten Geschichten mit dem Leben von mir zu tun? fragt Nathan. Warum soll ich einen Gott anbeten, den man nicht sehen kann und der keinen Namen hat? Wie so viele hat auch Nathan stattdessen eine Baalsstatue in seiner Kammer stehen. Bei einem Gottesdienst der Juden hört Nathan dann einem Prediger zu, der sich Jesaja nennt:

Jes.55,6-11


6 Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. 7 Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. 8 Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. 10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. 

 

Gott suchen? Gott finden? Ihn anrufen, weil er nahe ist? Solange er nahe ist, sagt Jesaja: Es könnte also auch sein, dass es irgendwann zu spät ist. Wer Gott suchen will, sollte das nicht auf die lange Bank schieben. Aber hören und verstehen die Leute das?

In Babylon mag es ähnlich gewesen sein wie oft bei uns heute auch: 

Da gibt es die, die mit Gott und Religion nichts am Hut haben. Sie vertrauen eher dem, was sie sehen können, was ihnen Wohlstand beschert. Da kann Jesaja reden wie er will. Gottes Wort fällt auf den Weg und wird zertreten.

Und dann gibt es die, die Religion und Übersinnliches ganz spannend finden. Wenn aber Krisen kommen, dann haben sie kein Vertrauen, keine Durchhaltekraft. Sie laufen dann der nächsten Religion hinterher oder glauben an gar nichts mehr. Es ist wie ein Same der auf einen Fels fällt und keine Wurzeln bilden kann.

Und dann gibt es jene, die immer nur klagen, wie schlecht es doch mit der Welt bestellt ist. Die sich als die letzte Generation bezeichnen und einen Kurswechsel vor allem bei anderen suchen. Oder die angebliche Alternative, die nur davon lebt, Hass und Wut zu schüren. Oder die im Glauben Zweifelnden und immer fragen, wieso lässt Gott das zu? In der Lesung haben wir gehört, dass dazu die gehören, die den Samen kennen, aber nicht in der Lage sind Früchte ihres Glaubens zur Reife zu bringen.

Das Gleichnis Jesu vom Sämann geht davon aus, dass in drei von vier Fällen, Gottes Wort nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Trotzdem ermuntert Jesaja die Menschen in Babylon und auch immer noch bei uns, Gott zu suchen und ihn zu finden. Glaube an den Gott der Bibel ist kein Faseln in Floskeln; Übeltäter sollen von ihren Gedanken lassen und Gottlose einen anderen Weg einschlagen, fordert Jesaja. Gott taugt nicht als Projektion der eigenen Wünsche. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr“. Der Himmel ist viel höher als die Erde.

Wer sagt: das ist Gottes Wille! der sei sich nie zu sicher.

Wer sagt: Gott ist mit uns! hat schon oft einen Krieg verloren.

Wer sagt: mit Gott wird schon alles gut! geht blind und taub am Kreuz und allem Leiden vorbei.

Wer sagt: der Glaube an Gott bringt mir nichts! rechnet nicht mit der Kraft, die Wunder vollbringen kann.

Gottes Gedanken und Wege sind manchmal unbegreiflich.

 

Jesaja sagt: Gottes Wort wird das gelingen, wozu Gott es auch ausgesandt hat. Es ist nicht leer und bedeutungslos. Wenn Gott es will, wächst Glaube, Liebe Hoffnung!

 

Was aber soll genau gelingen? Was ist die Perspektive der Menschen, die sich damals in Babylon bequem eingerichtet haben oder auch heute noch immer dem Vergangenen hinterher trauern?

 

Ich lese die Schlussverse aus Jes.55. (VV. 12+13)


12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. 13 Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.

 

Nathan spürt, dass Jesaja von einem Gott redet, der Fehlern nicht mit Vorwürfen und Strafen begegnet, sondern einlädt aus verfahrenen Situationen aufzubrechen: voll Gottvertrauen eben.

Ich höre aus diesen Worten, dass Gott es nicht böse sondern gut mit uns meint. Kritische Selbstreflexion – Umkehr oder Buße heißt das in frommen Worten - braucht es, um neue Wege zu gehen. Und dann den inneren Ruck auf Gott zu vertrauen und etwas für die Zukunft zu tun.

Für die Israeliten in Babylon bedeutete das, dem Exil in Babylon den Rücken kehren zu dürfen. Im Jahre 539 vor Jesus machte der persische König Kyros dem babylonischen Reich ein Ende. Alle Deportierten sollten wieder in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Viele wollten das vielleicht gar nicht. Denn ein Land wieder aufbauen, es besser machen, als bisher; das ist mit Einsicht, mit Anstrengung und Schweiß verbunden! Das erfordert Klugheit und Weitsicht. Rücksicht und Respekt. Das erfordert Demut auf der Erde vor der Größe des Himmels. Das erfordert immer wieder Suchen nach Gott. Und wer diese Suche nicht mehr wagt, der braucht Menschen, die den Glauben an Gottes Nähe vorleben.

Nathan ist nach Jerusalem gegangen. Er hat mitangepackt. Trümmer weggeräumt. Trümmer, die er nicht verursacht hat.

Wie einst die Frauen nach dem 2. Weltkrieg im zerstörten Deutschland.

Wie die vielen Helfer gerade in den Erdbebengebieten in der Türkei und in Syrien.

Wie Gott, der die Trümmer in unserer Seele beiseite räumen möchte, nach einer schlimmen Nachricht.

Vielleicht gelingt es uns ja als Christen unserer Zeit, hier auf Teneriffa oder wo immer ihr Zuhause seid, einen Flecken Boden so gut zu bereiten, dass Gottes Wort wachsen und viel und gute Frucht bringen kann. Sichtbar als Zeichen, damit Menschen in Freuden ausziehen können und im Frieden geleitet werden, damit Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln.

Suchet den Herrn, solange er nahe ist. Amen!

 

 

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang