Folge mr nach! Predigt zu Mt.9,9-13 am 5.2.23

9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. 10 Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11 Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12 Als das Jesus hörte, sprach er: Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 13 Geht aber hin und lernt, was das heißt: »Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.« Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.


 Ihr Lieben,

kennt ihr noch ein Matschbrötchen? In der Schulpause liefen wir früher zum Bäcker, kauften ein Brötchen und einen Schokokuss. Das Brötchen wurde aufgeschnitten, der Schokokuss kam in die Mitte. Dann wurde das süße Teil von oben und unten zusammengedrückt und man hatte sein Matschbrötchen. Heute finde ich das nur noch eklig.

Wie der zusammengequetschte Schokokuss muss sich auch ein Zöllner zu biblischer Zeit vorgekommen sein: Er war Pächter des Zollrechtes. Er bekam Druck von oben, weil er für sein Zollamt Abgaben an die Obrigkeit zahlen musste. Um zu überleben, knöpfte er den passierenden Bauern und Händlern mehr ab, als die Regeln es festschrieben. Kein Wunder, dass Zöllner in der Bevölkerung nicht beliebt waren. Obwohl sie auch zum Volk Israel gehörten, bekamen sie nun auch Druck von unten. Man wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Sie galten als Sünder. Man verweigerte ihnen oft sogar den Zutritt zum Tempel. Vor allem aber macht man einen weiten Bogen um ihr Haus. Wenn man Druck von oben und unten bekommt, dann geht man kaputt wie der Schokokuss in meinem damaligen Matschbrötchen.

 

Doch einer von diesen Zöllnern - mit Namen Matthäus – wird von Jesus angesprochen: „Folge mir!“ Jesus fragt nicht, was Matthäus kann oder nicht kann.

 

Da fällt mir noch ein Beispiel aus der Schulzeit ein: Beim Sport durften immer zwei aus der Klasse jeweils Mannschaftsführer sein und abwechselnd aus der Klasse Mitglieder für die eigene Mannschaft wählen. Die Coolen und sportlichsten wurden natürlich zuerst rausgepickt. Der Letzte war immer der Looser, den man irgendwie noch unterbringen musste. Selten, aber einige Male wurde ich tatsächlich als einer aus den ersten 12 gewählt. Ich empfand das als Ehre und war stolz, ausgewählt worden zu sein. Ich zögerte logischerweise nie, dem Ruf zu folgen.

So mag es Matthäus auch ergangen sein. Einmal wurde er nicht als der Looser und Unangenehme betrachtet. Einmal wurde er erwählt. Da fragt er nicht lange. Er steht einfach auf und folgt in die Mannschaft Jesu.

Und dann sitzt er da mit dem Rabbi Jesu und seinen anderen Jüngern am Tisch. Eine sonderbare Truppe: Fischer, Handwerker und nun auch ein Zöllner. So etwas spricht sich rum. Bei Jesus darf jeder und jede am Tisch Platz nehmen; auch die, die nicht so cool sind, die nicht viel vorweisen können. Und deshalb kommen noch mehr:  viele Zöllner und Sünder und setzen sich ungefragt mit an den Tisch.

 

Wenn bei uns etliche Leute vor der Tür stehen würden, obwohl wir nur ein gemütlichen Abend mit Freunden verbringen wollen, würde wir wohl sagen, dass es keine Plätze mehr gibt. „Seid ihr etwa eingeladen worden?“ Bei uns würde man sagen, dass das Essen und das Trinken bestimmt nicht für alle reichen wird. Auch bei Jesus am Tisch muss es ein unübersehbares Gedränge gegeben haben. Trotzdem finden irgendwie alle Platz und es scheint sich keiner zu beschweren.

Das kriegen auch die Pharisäer mit: Jene Gruppe, die den Glauben gerade der einfachen Bevölkerung prägten. Nicht der Tempel im fernen Jerusalem war ihnen das wichtigste, sondern das Einhalten der Gesetze und Regeln der jüdischen Bibel und die Rechtsprechung und Auslegung durch Schriftgelehrte. Nur durch die Pharisäer konnte das Judentum bis in unsere Zeit überleben. Ich glaube übrigens, dass Jesus kein Gegenspieler der Pharisäer war, sondern ihnen sehr nahe stand, auch wenn die christliche Tradition das ganz anders sieht. Ich glaube, dass die Pharisäer nicht heuchlerisch waren, sondern sehr ernsthaft und ohne Hinterlist die Schüler Jesu gefragt haben, weshalb ihr theologischer Lehrer sich ausgerechnet mit denen an den Tisch setzt, die die jüdischen Regeln oft nicht einhalten und die keine besonderen Qualifikationen mitbrachten.

 

Doch die Jünger Jesu, die sonderbare Tischgemeinschaft, ist theologisch eben noch nicht so gebildet, dass sie eine Diskus-sion mit den Pharisäern führen könnten. Diese kleine Episode aus dem Matthäusevangelium zeigt mir, was Nachfolge Jesu bedeutet: Christsein ist nicht nur eine Entscheidung, Jesus als Autorität anzuerkennen. Christsein ist vielmehr eine Entwick-lung. Die Jüngerschaft ist auf dem Weg, aber sie braucht Anleitung, Erfahrung und auch viel Wissen. Christsein ist oft gar nicht leicht. Anderen zu vermitteln, was einem der Glaube an Jesus bedeutet, endet oft in einem Stottern oder bedient sich irgendwelcher frommer Floskeln. Später wird Jesus seinen Jüngern Macht zusprechen, selbst böse Geister auszutreiben und Krankheiten zu heilen. Doch die Evangelien berichten, dass es oft klappt nicht klappt. Sie fragen: warum konnten wir das nicht? Und die Antwort heißt eigentlich immer: Weil ihr noch nicht genug glauben könnt. Im Moment reicht es den Jüngern, in der Gemeinschaft mit Jesus zu sein; ohne Druck etwas können oder sein zu müssen. Sie sind kein Matschbrötchen, sondern wertgeschätzte Menschen, die vor Gott frei geworden sind.

 

Und so antwortet Jesus für seine Jünger: Nicht die Starken brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Gott will Barmher-zigkeit und keine Opfer. 

 

Regeln sind wichtig. Ich finde es unerträglich, wenn jeder meint tun zu dürfen, was er oder sie gerade für richtig hält. Keine Gemeinschaft, keine Gesellschaft, kann auf Dauer so funktionieren. Und umgekehrt kann eine ständige Kontrolle der Regeln und Gesetze auch zur Diktatur werden. 

Am Tisch Jesu wird es ohne Regeln, Respekt und Anstand bei so vielen Menschen auch nicht gut gehen. Da kann sich nicht jeder nehmen was er will. Sonst würden sich andere zu Recht über Ungerechtigkeit beschweren. Ich glaube, dass Menschen auch deshalb Jesus nachfolgen, weil sie merken, dass es in christlicher Gemeinschaft anders zugeht, als sonst so oft: Menschlicher, rücksichtsvoller, barmherziger. Um so schlimmer ist es, wenn gerade in der christlichen Gemeinschaft Werte, wie Respekt und Anstand mit Füßen getreten werden.

Die Negativschlagzeilen haben dazu geführt, dass viele Menschen mit der Kirche nicht mehr viel zu tun haben wollen. Doch was kommt stattdessen? Weglaufen ist leicht. Von außen Meckern ist leicht. Andere fertig machen bis sie im ausgeübten Druck zermatscht werden ist heute im Internet und den oft asozialen Medien leichter denn je.

 

Deshalb möchte ich den Ruf Jesu immer wieder hören: Folge mir nach. Ich mag als Christ nicht der coolste sein, ich mag auch alles andere als ein perfekter Vorzeigemensch sein. Aber in der Nachfolge Jesu lerne ich immer wieder und weiter, was es bedeutet, im Glauben an Gott den Weg durch Leben und Tod getrost und voller kreativer Ideen leben zu können. Ich glaube, dass es in Wirklichkeit eine Sehnsucht gibt, dass Menschlichkeit und Barmherzigkeit regieren und nicht Egoismus und Hass. Ich glaube, dass Menschen froh wären, wenn sie sich nicht unter Druck gesetzt fühlen oder sich selbst unter Druck setzen. Ich glaube, dass es immer wieder leute wie Matthäus gibt, die sehnsüchtig darauf warten, den Ruf Jesu zur Nachfolge hören zu können. Deshalb ist Kirche wichtig. Auch in Teneriffa Süd. Amen!

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