Von Gipfelerlebnissen zehren Predigt zu Mt.17,1-13

1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. 2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. 3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. 4 Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! 6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. 7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! 8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. 9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. 10 Und die Jünger fragten ihn und sprachen: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elia kommen? 11 Er antwortete und sprach: Ja, Elia kommt und wird alles zurechtbringen. 12 Doch ich sage euch: Elia ist schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben mit ihm getan, was sie wollten. So wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen. 13 Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer zu ihnen geredet hatte. 


Liebe Gemeinde,

Wenn Man auf den Teide will, muss man etwas Glück haben: Nur eine begrenzte Anzahl Menschen darf pro Tag auf den Gipfel. Sogar ein Seilbahnticket zu ergattern ist oft gar nicht leicht. Warum reizt es Millionen von Touristen auf den Berg zu gehen? Warum ist Bergsteigen überhaupt so populär?

 

Mit dem Verstand kann man das nicht erklären. Nur wer einmal ganz oben auf einem hohen Berg war, kann das verstehen. Da steht man dann nach ordentlicher Anstrengung unter dem Gipfelkreuz. Über einem ist nur noch der Himmel und die Erde, der Alltag ist ganz weit weg da unten. Der Blick schweift in die Ferne. Ein Foto ist Pflicht. Solche Momente möchte man festhalten. Ich brauche später auch immer einen inneren Ruck, bevor ich mich wieder an den Abstieg mache. Abstieg heißt immer auch, die beeindruckende Erfahrung hinter sich lassen.

 

So wird es auch Petrus ergangen sein, als er von Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes mitgenommen wurde auf einen sehr hohen Berg. Oben angekommen, trafen sie noch andere Personen: Mose und Elia. Propheten aus vergangenen Zeiten. Symbolfiguren der Tora. Es heißt dort: Wenn Elia wiederkommt, dann ist der Tag des Herrn nahe; Dann kommt Gott auf die Erde. Das Ende dieser Welt ist beschlossen und damit auch das Ende von Gewalt und Ungerechtigkeit; die Apokalypse, in der die Skrupellosen und Menschenverächter einer gerechten Strafe zugeführt werden; Der Zeitpunkt, von dem an Menschen aufatmen können, weil sie das Reich Gottes umgibt. So kann man beim Propheten Maleachi nachlesen. So ein Ausblick wird für die 3 Jünger auf dem Berg ganz real: Petrus ist tief beeindruckt. Kein Wunder, dass er da bleiben will, oben auf dem Berg: „Jesus, hier ist gut sein!“ Drei Hütten will er bauen, zu Ehren von Mose, Jesus und Elia! Und der Ausblick in die Ewigkeit lässt das, was vorher so unerreichbar fern schien, ganz nahe werden. Endlich Frieden, Gerechtigkeit – wie in der Offenbarung des Johannes: Siehe die Hütte Gottes bei den Menschen. Es wird keine Tränen mehr geben, kein Geschrei. Oben bleiben! Nicht wieder zurück in den Alltag! Ich kann Petrus verstehen…

 

Doch dann fällt ein Schatten auf den Enthusiasmus. Eine Stimme aus einer Wolke sagt: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Die drei Jünger merken, dass ihr Bergkamerad Jesus, mehr ist als ein guter Freund. In Jesus ist Gott tatsächlich auf die Erde gekommen. Hier erscheint er Ihnen auch verwandelt, „verklärt“ wie Luther es übersetzt. Am Berggipfel berühren sich Himmel und Erde.

 

Die Jünger wissen, wenn man Gott direkt begegnet, muss der Mensch vergehen. Das ist wie, wenn man in die Nähe der Sonne kommen würde: Man würde verglühen. Selbst wenn man in die Sonne nur mit bloßem Auge schaut, würde man erblinden. Die drei Jünger lassen sich auf den Boden sinken, verbergen den Blick und fürchten sich sehr.

 

Doch der in Jesus Mensch gewordene Gott ist anders. Er ist keine Bedrohung. Er ist vielmehr der sich den Menschen zuwendende Gott. Jesus trat zu den Jüngern, so haben wir gehört. Er berührt sie und sagt: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ Ich deute das so:

Wenn man es zulässt, dass Gott, dass Jesus, einen berührt - im Herzen, im Verstand, oder sogar körperlich, - wenn man also den Glauben wagt, dann muss man sich nicht mehr fürchten. Man kann aufstehen und die Augen heben, auch wenn man oft Bockmist gebaut hat und schuldig geworden ist an sich selbst und den Menschen, die uns umgeben. Ehrfurcht vor Gott ist etwas anderes als Angst haben. „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ singt man in der lutherischen Liturgie: „und Dank für seine Gnade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat, nun ist groß Fried ohn unterlass all Fehd hat nun ein Ende!“

 

Allein Gott in der Höh! Auf dem Berg! Die Jünger sehen nur noch Jesus. Nur er ist wichtig für sie. Mose und Elia sind wichtige Propheten in der Geschichte von Gottes Volk. Genau wie Johannes der Täufer. Aber die Nähe Gottes spüren die drei vor allem in der Nähe Jesu. So getröstet und ermutigt steigen sie mit ihm wieder ab in die Tiefe, in den Alltag, wo das Leben immer wieder herausgefordert ist. Nein, das Ende der Welt ist noch nicht da. Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit gibt es weiterhin. Das Gipfelkreuz ist immer nur Zeichen der kurzfristigen Euphorie, des begrenzten Sieges. Bergwanderer wissen das: Es ist immer leichter bergauf, als bergab. Aber bergab muss man, wenn man weiter leben will.

 

Jesus kündigt es an: Da ganz unten ist das Kreuz von Golgatha. Sogar Jesus wird am Karfreitag zittern. Sogar Jesus wird sagen: mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen. Wie gut wäre es, wenn wir in den dunkelsten Stunden unseres Lebens einen starken Glauben erinnern könnten! Wie gut wäre es, wenn wir wie Petrus, Jakobus und Johannes, jedenfalls einmal den Ausblick in die Ewigkeit, über unsere eigenen Horizonte hinaus erfahren hätten. Wie gut wäre es, wenn wir uns erinnern würden, als wir in der Taufe berührt worden waren mit dem Kreuzeszeichen und dem Wasser auf der Stirn, im Namen Gottes. Uns wurde gesagt: Gott ist bei dir! Bis ans Ende der Welt! Unwiederholbar, wie so manche gute Erfahrungen im Leben.

Mag sein, dass nicht jeder solche Erfahrungen hat. Mag sein, dass nicht jeder von uns einmal auf einem sehr hohen Berg gestanden hat. Mag sein, dass nicht jeder sich so direkt von Gott berührt und angesprochen gefühlt hat. 

 

Auch Petrus, Jakobus und Johannes waren nur drei von den 12 Jüngern. Immerhin 75% haben also nicht eine so enge Glaubenserfahrung gemacht und trotzdem sind sie Apostel und sind sie Nachfolger mit vielen Nachfolgerinnen geworden. Ich selber zähle mich zu den 75%, die kein Bekehrungserlebnis hatten und doch glauben. Der Wert der für uns oft schwer nachvollziehbaren biblischen Geschichten ist doch der, dass sie uns zeigen wollen, dass Gott Menschen nahe ist, da er sie mitnimmt auf die Höhen und begleitet durch die Tiefen des Lebens. Man kann sich diesen Glauben zusprechen lassen und oft genug auch selbst erfahren in der Gemeinschaft von Menschen, die einander trösten, feiern, zuhören oder auch schweigen können. Es ist ein Zufall, dass wir als eine solche Gemeinschaft, als Kirchengemeinde Teneriffa Süd, ausgerechnet heute unser Bergfest feiern. Aber Zufälle gibt es ja nicht.

Amen!

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