Zeitenwende Predigt am Heilig Abend 2022

 Liebe weihnachtliche Gemeinde,

Es ist ein Ros entsprungen. Mit seinem hellen Scheine vertreibts die Finsternis. Es wird besser. Hoffnung keimt da, wo Verzweiflung Ödnis zurücklässt. Jesaja verspricht eine neue Zeit, inmitten von Nachrichten über Krieg und Vertreibung.

„Zeitenwende“ ist das Wort des Jahres 2022 geworden. Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat dieses Wort in seiner Regierungserklärung im Februar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gebraucht. Nichts ist mehr so wie vorher! hat er gesagt. Die Sicherheitsvorstellung der Welt ist zerbrochen. Statt Aussöhnung und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Russland herrscht Misstrauen und Krieg. Menschen werden an der Front verheizt. Bomben und Lügen zerstören die seelische Infrastruktur nicht nur in der Ukraine. Viele Träumer sind aufgewacht. Die Naiven bleiben bei ihren ideologischen Formeln. „Zeitenwende“ klingt eigentlich nach Hoffnung und Aufbruch, nach Perspektiven und besserer Zukunft. Die Zeitenwende am Ende des Jahres 2022 wirft aber eher die Frage auf: Auf welche bösen Szenarien müssen wir uns noch einstellen?

 

Lesung Lk.2,1-7

1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung[1] war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe[2]; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 

 

Die Weihnachtsgeschichte beinhaltet eine Zeitenwende. Wir zählen die Jahre vor Christi Geburt und nach Christus. Die Geschichte beginnt politisch. Der Kaiser hat das Sagen. Und der römische Statthalter der Provinz Syrien hat seine Provinz neu zu organisieren. Und so gab es eine Volkszählung. Jedermann ging. Auch Maria und Josef: zu Fuß von Nazareth nach Bethlehem. Maria, gerade etwa 14 Jahre alt, war schwanger. Die Wehen setzen ein. Alle Gasthäuser sind schon voll. Wohin nur? Kein Platz in der Herberge. Ein Futtertrog wird zur Wiege. Krippenspiele sind romantisch. Die Weihnachtsgeschichte nicht. Die Zeitenwende beginnt mit Fragen: Wird es gute Zeiten geben? Wird Maria eines Tages eine Stadt finden, die all das hat, was eine Familie zum Leben braucht? Stadt Marias: Mariupol heißt das auf Ukrainisch. Am Ende des Jahres 2022  ist Mariupol ein unweihnachtliches Trümmerfeld.

 

Lesung Lk.2,8-14

8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens[3]. 

 

Es ist dunkel. Doch es gibt ein Licht. Es gibt Fragen und Unsicherheiten, aber die Klarheit des Herrn leuchtet. Es gibt viele schlimme und böse Nachrichten; Man kann sich fürchten. Doch da bricht sich eine frohe Botschaft Bahn: Fürchtet Euch nicht! Siehe ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird! Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden! Das ist wahrlich eine Zeitenwende!

 

Wer hat das sagen? Die Tyrannen und Egomanen? Die autoritären Männer, denen das einzelne Menschenleben egal ist? Die mit brutalen Handlungen Angst schüren, damit das Volk still bleibt? Die Nation groß schreiben und das Wort Barmherzigkeit und Miteinander nicht im Ansatz buchstabieren können?

Oder haben die das sagen, von denen man nicht weiß, ob sie menschlich oder göttlich sind? Irdisch oder himmlisch. Die wir Engel nennen, weil sie Gutes verkünden. Weil sie nicht eigene Macht brauchen, sondern die Menschen im Blick haben: Menschen, die sich freuen und auch die, die sich fürchten. Die ein Zuhause haben und die auf dem Weg sein müssen. Die die Hirten auf dem Feld nicht vergessen. Engel, für die es selbstverständlich ist, dass die Zeitenwende in einer Krippe am Ende der Welt beginnen kann. Für die das Leben eines Kindes zum Maßstab wird.

 

Wer hat das Sagen? Das ist keine Frage. Wir feiern Weihnachten, weil Gott diese Frage schon beantwortet hat: Ehre sei Gott in der Höhe und sonst niemandem. Und Friede soll sein auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!

 

Lesung Lk.2,15-20

15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

 

Zeitenwende. Sie ist geschehen damals in Bethlehem. Und doch braucht es Menschen, die sich wie die Hirten aufmachen: Die das glauben, was der Herr ihnen kund gemacht hat; die ihren Weg danach ausrichten. Die Hirten merken, dass sie wahrgenommen sind von Gott, auch draußen auf dem Feld, auch in der Nacht. Und sie nehmen andere wahr, wie Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegend. 

Weihnachten findet doch da statt, wo Menschen sich begegnen, wo sie nicht eingeteilt werden in Mann oder Frau, nicht bewertet werden nach ihrer Hautfarbe oder der Größe ihres Portemonnaies. Weihnachten muss nicht alles in Gleichheit und Harmonie verschwimmen. Aber Respekt und Würde müssen Raum finden, sogar noch in einem Stall.

 

Für mich ist das die eigentliche Weihnachtsbotschaft am Ende des Jahres 2022:

Wir müssen uns aufmachen, nicht da bleiben, wo wir schon immer waren; wir können Respekt und Würde verbreiten, denn schließlich gilt es Freude bei allem Volk zu verbreiten. Wir köännen uns aufmachen, um den Spaltungen in der Gesellschaft entgegen zu treten. Ängste und Sorgen gibt es und müssen benannt werden. Krieg, Krankheiten und Klima, Knappheiten. (Soviele „K“s. Im Wort Weihnachten kommt kein „K“ vor. ) Doch auch im Dunkel der Sorgen scheint dieses Licht der Weihnachtsbotschaft hell. Das lassen wir Christen uns nicht von den Angstmachern und Schwarzmalern, den Verschwörungstheoretikern und Besserwissern wegnehmen. Wir nehmen das himmlische Licht und lassen es irdisch hell werden. Wir nehmen die Worte der heiligen Nacht und heilen tatsächlich, wo Wunden gerissen sind. Wir sehen uns mit freundlichen Augen an. Auch die, die wir nicht so gut kennen. (Schaut Euch um!) Wir glauben an die gute Zeitenwende, denn Gott ist heute Nacht unter uns Mensch geworden. Für Dich und für mich! Das schafft Wege und Perspektiven.

Gesegnete und Frohe Weihnachten Euch allen! Amen!

 

 

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