Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes (Rö.8) Silvesterpredigt 2022

 Liebe Gemeinde,

Das Jahr geht zu Ende. Der Countdown läuft. Die Zeit läuft uns davon, aber wir zählen noch einmal rückwärts bis zum Anfang. Zeit zum Bilanzziehen:

Was war wichtigim Jahr 2022? Alle werden wohl sagen: Der Krieg Russlands in der Ukraine war eines der wichtigsten und bedrohlichsten Ereignisse im vergangenen Jahr. Der Angriff Russlands geht einher mit Destabiliserung der ganzen Welt durch Hunger und Flucht. Es gibt eine Inflation, die alles spürbar teurer werden lässt. Trotzdem konnte man für 9 € einen Monat das Leben in vollen Zügen genießen. 2022 ist auch das Jahr, in denen wir alle spüren, dass vieles was selbstverständlich war nicht mehr immer verfügbar ist: Fahrräder, Küchengeräte, sogar Medikamente sind knapp. 2022 war auch das Jahr eines Rekordsommers mit unerträglicher Hitze und Waldbränden. Es war das Jahr in denen in Iran und Afghanistan Frauen immer mehr Unterdrückung erleben müssen. Und wir erlebten olympische Winterspiele in China und eine Fußball WM im Advent. Vieles davon bleibt fragwürdig.

Aber auch gutes gibt es zu erinnern:

Der Vulkan auf La Palma hört nach Monaten auf Lava zu spucken. Zumindest in Spanien funktioniert der Tankrabatt. Noch einige Stunden gibt es ihn. Corona habe ich trotz Impfungen gleich zweimal gehabt, aber angeblich ist die Pandemie nun vorbei.

Und dann der private Rückblick: Geburtstage, Erfahrungen von Sterben und Tod. Erfolge und Rückschläge. Schöne Begegnungen und schmerzhafte Trennungen. Tod und Leben, Hohes und Tiefes…

Der Countdown läuft. Was nimmst du mit? Was musst du zurücklassen? Was bleibt ungelöst? Die Zeit läuft. Sie läuft uns davon. Sie kommt nicht wieder. 

Und trotzdem werde ich um 23 Uhr über das Radio den Bremer Domglocken lauschen, die so wunderbar warm den Jahreswechsel einläuten; Dazu das Tuten der Schiffe aus dem Hafen. Vertraute Klänge, die irgendwie etwas Beruhigendes haben. In den letzten 10 Sekunden wird dann gezählt: Zehn, neun, acht. Die Zeit läuft: 16 Uhr, 17 Uhr, 18 Uhr …2022-2023, aber ich zähle dagegen: Drei, eins, null! Ich kann die Zeit nicht anhalten, aber ich kann sie für einen Moment zumindest gefühlt auf Null bringen: Denn:

 

Predigttext Rö. 8,31-39

 

Abgrundtiefe Sorgen oder enthusiastische Zuversicht. Beides wird in dieser Bilanz des Apostel Paulus auf Null gedreht. Alle guten und alle bösen Erfahrungen der vergangenen Zeit können uns nicht scheiden von der Liebe Gottes. 

Das ist mehr als ein frommer Spruch. Es ist die Erfahrung, die ein Kind macht, wenn es Angst hat und in den Arm von Mama oder Papa flüchten kann. Es ist die Erfahrung eines Angestellten, der einen schlimmen Buchungsfehler begangen hat, wenn der Chef dann sagt: Das war nicht gut; aber wir kriegen das gemeinsam wieder hin. Das ist die Erfahrung von Ehepaaren, die sich auch in schweren Tagen gegenseitig tragen. Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Sie hat immer wieder eine sichtbare Gestalt mitten unter uns. Vielleicht denkt man bei einem liebevollen oder respektvollen Umgang gar nicht immer an Gott.

Freilich gibt es auch Erfahrungen, die sind so schwerwiegend, dass man erst recht nichts von der Liebe Gottes zu spüren meint. Ein Vater kommt nicht über die Trennung nach Jahrzehntelanger Ehe weg. Am meisten trauert er um den fehlenden Umgang mit den Kindern. Eine Witwe möchte am liebsten gar nicht mehr Leben, weil ihr der Mann so fehlt. Wir kennen alle solche Lebenssituationen…

Wenn man alleine über die Sorgen grübelt, wird der Blick immer verzweifelter über die Gegenwart. Manchmal braucht es den zarten oder auch deutlichen Hinweis von außen:

Paulus schreibt entgegen allen möglichen Verzweiflungen und Unsicherheiten: Ich bin gewiss, dass weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendeine Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes.

 

Das ist die persönliche, aber eben auch theologische Bilanz des Apostel Paulus aus seinen Glaubenserfahrungen und seinen Erlebnissen mit Christen und Obrigkeiten, mit Freiheit und Gefangensein…

Seine Bilanz ist: Wir sind getragen von Gott. Uns mag die Zeit davon laufen, aber wir haben einen Halt in Gott. Wir mögen uns ohnmächtig fühlen, angesichts immer wieder schlimmer Nachrichten, aber Gott hält uns die Tür zur Zukunft offen.

Ich gebe zu: Manchmal ist es nicht leicht, so einen festen getrosten und zuversichtlichen Glauben in sich zu tragen. Darum möchte ich den Countdown nutzen:

10,9,8… runterzählen bis auf Null. Die Zeit für einen Moment anhalten, auch wenn die Uhr tickt. Runterkommen zu sich selbst: Die Zeit finden, in der nicht die Vergänglichkeit zählt, sondern das was bleibt: Die Liebe Gottes.

Ich möchte mir diese Zuversicht von Paulus zusprechen lassen und sie Euch auch zusprechen: Ich bin gewiss: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.

Und dann kann man mit erhobenem Kopf anderen sagen: Prosit Neujahr! Das heißt ja auf Deutsch: Auf das Sein, auf das Leben im neuen Jahr! Oder guten Rutsch! Das kommt vom Jiddischen Wort Rosh und hat nichts mit hineinschlittern zu tun. Rosh ist im Hebräischen der Kopf oder Anfang. Guter Rutsch ist also der Wunsch nach einem guten Anfang, der Wunsch nach einem zuversichtlichen und getrosten Kopf im neuen Jahr. Denn das was wir brauchen im neuen Jahr ist Trost und Zuversicht. Und das können wir haben, weil wir von Gott geliebte Menschen sind. Auch 2023 werden wir böse Nachrichten entgegen nehmen, weil es nicht den lieben Gott gibt. Aber es gibt den liebenden Gott, der uns immer wieder aufstehen und gehen lässt. Vielleicht muss man manchmal runterkommen. Den Countdown mitzählen bis auf Null. Und dann sich erinnern: Ich bin gewiss, dass nichts uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist unserem Herrn. Amen!

 

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