"geliebt von Gott" Predigt am 2. Advent über Hohelied 2,8-15

 Wisst Ihr noch, wann ihr das erste Mal so richtig verliebt wart? Ich weiß es noch: Die Dame meines Herzens hieß Heike. Sie wohnte bei uns in der Straße. Wir waren beide drei Jahre alt. Ich fand sie sehr schön. Ich fragte sie, ob sie mich heiraten wollte, aber sie sagte nur bedauernd, dass es da schon einen anderen gäbe.

Trotz dieser herben Enttäuschung spürte ich immer wieder in meinem Leben dieses Herzklopfen. Gegen die Liebe kann man sich ja gar nicht wehren. Sie packt einen und dann kommen diese Fragen: Wird sie einmal meinen Blick erwidern? Wann werde ich sie einmal treffen können? Krank vor Liebe.

 

Die Liebe ist ein seltsames Spiel,

sie kommt und geht von einem zum anderen

Sie nimmt uns alles doch sie gibt auch viel.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel

(Conny Francis 1960)

 

Krank vor Liebe. Das gehört zur Menschheitsgeschichte:

Jakob wartet und schuftet, um irgendwann seine geliebte Rahel zu heiraten

Krank vor Liebe sind Romeo und Julia

davon singen die Königskinder

Krank vor Liebe…

 

So ist auch der Abschnitt überschrieben, der heute Predigttext sein soll. Ein seltenes alttestamentliches Stück aus dem „Gesang aller Gesänge“ wie die Juden sagen, dem „Lied aller Lieder“ wie es in der katholischen Bibel genannt wird, dem „Hohelied“ - wie Martin Luther etwas weniger theatralisch es betitelte. 

 

Hohelied 2,8-15:

 8 Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel. 9 Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand und sieht durchs Fenster und blickt durchs Gitter. 10 Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! 11 Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. 12 Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. 13 Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! 14 Meine Taube in den Felsklüften, im Versteck der Felswand, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. 15 Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Blüten bekommen. 


Durch das ganze Hohelied zieht sich ein Wechselgespräch zwischen einem Mann und einer Frau. Die Liebe zwischen beiden ist so stark, dass für religiöse Erläuterungen kein Platz bleibt. Vielleicht ist die Liebe sogar die Krönung der Schöpfung, sodass Gott in der ganzen Sammlung dieser Liebeslieder nicht ein einziges Mal erwähnt werden muss. Romantisch, beinahe kitschig klingen diese Verse und die Natur wird als Bild für Schönheit, Testosteron  und Eleganz benutzt: Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirschen. Die Natur wird zum Sinnbild für die entscheidende Zeit der liebevollen Begegnung: Der Feigenbaum lässt Früchte reifen und die Weinstöcke blühen und duften. Vielleicht treffen solche schwülstigen Wortbilder den einen im tiefen Herzen, vielleicht ist es dem anderen auch zu viel des Guten.

Doch auch die Vor und Weihnachtszeit ist ja voll von sonderbaren Symbolen und kitschig-romantischen Liedern: Wir holen uns einen Tannenbaum ins Wohnzimmer; wir verwandeln die dunklere Jahreszeit in Kerzenschein. Uns läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn wir selbstgebackene Kekse riechen oder Stollen und andere Weihnachtsleckereien sehen. Die einen singen: Let it snow, let it snow; die anderen hören die Glocken nie süßer klingen. Die meisten schätzen an Weihnachten die Begegnungen in der Familie. Irgendwie hoffen wir doch alle auf einen kleinen Abglanz des weihnachtlichen Zaubers. Oder wir fürchten uns davor, weil wir wissen, dass es dieses Jahr anders sein wird, weil jemand fehlt, der uns lieb war. Weihnachten ist eine besondere Zeit im Jahr, ob wir nun tief gläubig sind oder weniger. Wir wollen wahrgenommen werden, wertgeschätzt werden und wenn möglich auch ehrlich geliebt werden. Doch die Sehnsüchte und Hoffnungen können untergraben werden. Krankheiten, Trennungen, Tod oder furchtbare Weltgeschehnisse. Dann ist es so als würden Füchse den Weinberg durchwühlen, obwohl die Weinstöcke schon Blüten angesetzt haben. Fangt uns die Füchse! Rufen die beiden Verliebten deshalb in den Worten des Hohenliedes. Helft, dass die zerstörerischen Kräfte nicht über die Liebe siegen.Helft uns, dass die Liebe Platz findet, wachsen kann und ein Zeichen setzt. Helft uns, dass Menschen sich in Liebe und Wertschätzung begegnen können. Helft uns, auch wenn ihr selber zu denen gehört, die gerade keine Liebe, keine Geborgenheit und Wertschätzung erfahren haben. 

Später wird erzählt, dass Hirten in der Nacht auf den Feldern von Bethlehem diese Worte gehört haben. Sie, die offen auf den Feldern und ohne jegliche Geborgenheit lebten, die gesellschaftlich keine Wertschätzung erfahren hatten, die fern waren von ihren Familien, die hatten sich aufgemacht, um die Botschaft von der Liebe, die in Jesus Christus menschliche Gestalt angenommen hatte, aller Welt zu verkündigen. Und ausgerechnet ausländische Sterndeuter aus dem Morgenland, machten sich auf; sie misstrauten der Hinterlist eines König Herodes. Sie widerstanden der Bösartigkeit von Menschen. Sie machten es möglich, dass Gott Mensch wurde und menschlich blieb. Helft uns die Füchse zu fangen, die den Weinberg, die die Liebe zerstören könnten!

Wir hören diese Liebesverse in einer Zeit, in der nicht der liebevolle Umgang miteinander, sondern Hass und Gewalt die Schlagzeilen bestimmen. Wir hören diese Worte von 2 Liebenden in der Adventszeit. Vielleicht haben wir das große Glück zu denen zu gehören, die die Liebe erfahren dürfen. Unter uns gibt es aber auch die, die sich die Festtagsfreude der anderen eher von außen anschauen. 

Ich kann mir Advent und Weihnachten gar nicht anders vorstellen, als dass Gott gerade die Menschen ruft, die sich vor Sorgen und Selbstzweifeln wie eine Taube in den Felsnischen verkrümeln möchten: Steh auf meine Schöne, komm her! Und wenn Du dich zu dick fühlst, oder hässlich oder zu traurig: Gott sagt: Zeige mir deine Gestalt, Und auch wenn andere sagen: Du kannst nicht singen! Gott sagt dir: lass mich hören deine Stimme. Deine Stimme ist süß.

Weihnachten wäre ohne Zauber, wenn Gott sich nicht aufgemacht hätte, zu den Menschen seines Wohlgefallens zu kommen. Es ist so wie im Hohelied: Noch ist die Begegnung nicht da, aber die Erwartung ist riesig, dass Gott wie ein Geliebter den sehnsüchtigen Blick nach Geborgenheit, nach Wertschätzung, nach Liebe erwidert; dass er den Weg zu dir findet und keine Berge von Problemen oder Hügel von Sorgen ihn hindern kann; dass Gott im Advent schon hinter der Wand steht, durchs Fenster sieht und Dich und mich erkennt.

 

Und dann merkst Du: Gott hat dich „Tausend mal berührt, und tausend Mal ist nichts passiert. Und hoffentlich singt dein Herz in der Heiligen Nacht dann zumindest leise:  tausend und eine Nacht und es hat Zoom gemacht.

 

Gott steht vor der Tür und sagt: Komm her, meine Schöne, Steh auf und komm her!

 

Amen!

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