Du bist ein Gott, der mich sieht (Gen.16) PredigtNeujahr 23 zur Jahreslosung

 Liebe Gemeinde,

Meine erste Frage: Warum sieht Gott Hagar in der Wüste? Was ist ihm an ihr so wichtig, dass er sich ausgerechnet ihr zuwendet? Hagar ist eine ägyptische Leibsklavin; Sklavin wenn auch mit besonderer Stellung. 

Meine zweite Frage: Warum sucht Gott Hagar ausgerechnet an einem gottverlassenen Ort in der Wüste? Warum nicht schon vorher im Hause Abrahams?

 

Was also ist an Hagar, der Ägypterin, so interessant, dass die Bibel ihr eine ganze Geschichte jenseits der Geschichte Israels widmet? 

Hagar ist keine Figur, die Geschichte schreiben würde. Keine Herrin, keine Kaiserin oder Geschäftsfrau. Vielleicht ist das schon für Gott interessant. Die Pharaonen, der Kaiser Augustus und der König Herodes, die Präsidenten und großen Vorsitzenden stehen sowieso schon in den Geschichtsbüchern. Gott aber rückt die unscheinbaren Menschen, die man nicht mal eben so „googeln“ kann und die man nicht aus den Nachrichten kennt in den Blickpunkt der Geschichte. Hagar ist so ein bisschen wie Du und ich. Das macht Hagar offenbar für Gott interessant, genau wie Dich und mich!

 

Freilich ist Hagar kein Aschenputtel, das ungerecht bedrückt wird und dann zur Prinzessin aufsteigt. Sie ist keine Heldin. Hagar soll stellvertretend für ihre unfruchtbare Herrin Sara von Abram geschwängert werden. Sara fordert ihren Mann zum Geschlechtsverkehr mit ihrer Sklavin auf. Und Abram macht das auch sehr erfolgreich. Mit meiner Moralvorstellung ist das nicht vereinbar, aber Moral scheint hier keine Rolle zu spielen. Als Hagar dann ein Kind in sich trägt, wird sie hochnäsig gegenüber ihrer Herrin. Sie achtete ihre Herrin gering heißt es in der Geschichte. Das ist auch nicht anständig. Genauso wie Abram dann seiner Frau Sara den Freibrief zum Demütigen gibt. „Tu mit ihr, wie es dir gefällt!“ Bitte! Mit Menschenwürde hat das alles nichts zu tun. So haben alle drei schließlich ordentlich Dreck am Stecken, weil sie unwürdig miteinander umgehen.

 

Ist Hagar deshalb genauso im Blickpunkt für Gott wie Abram und Sara? Hat Gott die Menschen besonders im Blick, die sich von dem entfernt haben, was Gott im Anfang einmal sehr gut geschaffen hat? Hat er uns mit im Blick, wenn wir Bockmist gebaut haben? Wenn andere uns längst verlassen haben, wenn sie sagen: „den kannste getrost vergessen!“ Dann verlässt Gott uns nicht und vergisst uns auch nicht, sondern hat uns noch im Blick?

 

Hagar flieht aus dem Hause Saras. Sie flieht, weil sie sich in eine unerträgliche Situation gebracht hat und ebenso in diese Lage gebracht worden ist. Nicht immer aber oft haben schwierige Lebenssituationen einen Eigenanteil und sind gleichzeitig bedingt durch andere. Sie flieht, aber wohin? Sie geht mit ihrem Kind dahin, wo später auch Mose mit seinem Volk hingeht aus der Sklaverei, in die Wüste. Sie geht an den Ort, an dem der Prophet Elia sterben möchte, weil er sich zu schwach fühlt Gottes Auftrag auszuführen. Sie geht dahin, wo Jesus dem Teufel begegnet. Sie geht dahin, wo es eigentlich nur dem Ende entgegen gehen kann, wäre da nicht diese kleine Wasserquelle gewesen. Sie reicht nicht für eine Zukunft, aber sie reicht, um zumindest kurz zu überleben.

 

Und so findet der Engel des Herrn Hagar vor. Wer nun eine spektakuläre Rettungsaktion erwartet, wird getäuscht. Gott stellt nur eine Frage: Hagar, wo kommst Du her und wo willst du hin?

Hagar weiß nur, wo sie hergekommen ist. Ihr fehlt das Ziel, das mehr bedeutet als Überleben. Wie oft höre ich den Satz oder habe ihn auch schon selbst gesagt: Ich weiß nicht mehr weiter? In schwerer Krankheit? Wenn der Partner oder die Partnerin stirbt? Wenn die Beziehung zerbricht? Wenn die Kinder oder Enkel sich von einem abwenden? Dann reicht es für eine tragfähige Zukunft auch nicht eine kleine Wasserquelle. Die Zukunft liegt nicht in der Wüste, nicht in der Flucht.

Wohin willst Du? Diese Frage stellt der Engel des Herrn. Er stellt sie auch uns am Anfang des neuen Jahres. Wohin willst Du? Wohin wollen wir?

 

Der Engel des Herrn macht Hagar im sprichwörtlichen Sinn „Beine“. Kehre zurück! Sagt er. Stell Dich Deiner Realität. Flieh nicht vor deinem Leben und den manchmal schweren Umständen. Das Leben ist nicht immer einfach, doch du kannst vieles tragen und manches selbst ändern. Es muss nicht so bleiben, wie es bisher war. Du wirst einen Sohn bekommen, einen streitbaren Bengel. Deine Zukunft und die Deines Kindes wird immer wieder Ecken und Kanten haben. Niemand sagt, dass das Leben einfach und problemlos ist. Gott gibt keine einfachen Antworten, aber er hilft. Oder wie es im Psalm heißt: Gott legt uns eine Last auf aber er hilft uns auch.

 

Diese Erkenntnis bringt Hagar zu dem Satz, der nun auch die Jahreslosung für das Jahr 2023 ist: Du bist ein Gott, der mich sieht!

 

Schließlich noch dieses: Es klingt wie eine Randnotiz: Hagar gebar dem Abram einen Sohn. Er wurde Ismael genannt. Das bedeutet: „Gott hat dein Elend gehört!“

 

Hagar und Ismael erleben einige Jahre später beinahe die gleiche Geschichte noch einmal. Sara bittet ihren Mann Abram die beiden in die Wüste zu schicken. Wieder scheint das Elend zu siegen. Wieder kommt aber ein Engel und verheißt eine Zukunft. Die Bibel erzählt fortan nur noch die Geschichte von Sara und Abram und ihrem Sohn Isaak. Aber Abram bekommt einen neuen Namen. Aus dem Vater des Volkes wird Abraham, der Vater vieler Völker. Abraham ist als Vater von Isaak der Stammvater der Juden und als Vater von Ismael auch der Stammvater der Arabischen Welt. Wir wissen alle um die Konflikte zwischen den Nachkommen Ismaels und Isaaks im Nahen Osten. Es sind keine religiösen Konflikte. Religion wird wie so oft benutzt um Macht und Herrschsucht zu legitimieren. Und immer kommen dabei Menschen unter die Räder. In kleinen privaten Konflikten und in den großen Konflikten dieser Erde.

Darum ist es sehr tröstlich zu wissen: Es gibt einen Gott, der die mit im Blick behält, die nicht mehr weiter wissen. Der Herr hat dein Elend gehört. Deshalb ist Gott ein Gott der mich sieht. Mehr noch: Ein Gott, der mit mir redet und den Weg für eine Zukunft weist. 

 

Das ist ein gutes Motto für das Jahr 2023. Ich wünsche Euch viel Segen und Zuversicht in diesem neuen Jahr. Amen!

 

Ich wünsche Euch viel Segen und Zuversicht in diesem neuen Jahr. Amen!

 

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