Nicht nachlassen im Gebet! Predigt zu Lukas 18,1-8 am 14.11.22

 Liebe Gemeinde,

Ihr kennt das vom Einkaufen. An der Kasse liegen in Kindskopfhöhe Süßigkeiten. Vor einem steht eine Mutter, die alle Einkäufe auf´s Band legt. Die kleine Tochter schnappt nach dem Überraschungsei und legt es auch auf´s Band. Mutter sieht das; legt es zurück. Die Tochter: „Aber bitte Mama!“ Mutter: „nein, Süßigkeiten sind ungesund“. „Ach bitte Mama!“ quengelt die Kleine. Und am Ende gibt die Mutter nach, damit das Kind nicht um sich schlägt und vor allen Leuten anfängt zu schreien.

Man soll allezeit bitten und nicht nachlassen! So beginnt auch die Geschichte vom Richter und der Witwe:

 

Lk.8,1-8

1 Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: 2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. 3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; 5 weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. 6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

 

Man soll allezeit beten und nicht nachlassen. Christen glauben, dass Gott den Menschen, die auf ihn vertrauen, Recht schafft und sie nicht lange warten müssen.

Amen!

 

Oder doch erst einmal statt Amen ein Aber!?

Ein Familienvater, drei Kinder: Diagnose Krebs. Die Familie betet: Gott lass unseren Vater wieder gesund werden. Sterben müssen wir alle, aber doch nicht jetzt! Hab erbarmen Gott. Dann folgt der Klinikaufenthalt. Der Arzt sagt: „Wir können nichts mehr machen. Ihnen hilft nur noch beten.“ Kurze Zeit danach kommt die Nachricht vom Tod. Was ist das? Vergeblich gebetet? Nicht genug geglaubt? Solche Fragen zerstören noch viel mehr.

 

„Ein Gebet ist kein Automat, aus dem am Ende herauskommt, was man sich wünscht.“ So sagen manche. Andere haben den Glauben aufgegeben, weil die Welt so ungerecht erscheint, Gebet vergeblich erscheinen und die helfende Hand Gottes fern.

 

Der Evangelist Lukas der diese Geschichte aufgeschrieben hat war Arzt. Er wird eigene Erfahrungen gemacht haben mit schweren Lebensschicksalen; er wird erfahren haben, wie alles Beten und Bitten manchmal ein gutes Ergebnis hatte aber mindestens ebenso oft ohne Erfolg geblieben ist. Trotzdem wirbt Lukas für das Gebet, für den hartnäckigen Protest gegen Ohnmacht und Unrecht.

Dire Witwe macht es vor. Eine Witwe war ohne eigene Stimme vor Gericht. Oft genug machten Nachbarn sich den Besitz der Witwe zu eigen. Eine rechtlose Witwe hatte da keine Chance auf faire und gerechte Behandlung. Die 10 Gebote versuchten da entgegen zu wirken: Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Haus heißt es im 9. Gebot in der Bibel. Aber was nützt das, wenn Menschen rücksichtslos sind, auf Regeln pfeifen und weder Mensch noch Gott fürchten? Ein Sprichwort sagt: Vor Gericht braucht man drei Säcke: Einen mit Papier, einen mit Geld und einen mit Geduld!

Die Witwe hat nichts davon. Keine eigenen Papiere, kein Geld zum Bestechen und warten kann sie sich nicht leisten. Es geht um ihr Leben! Deshalb nervt sie den Richter, kommt immer wieder zu ihm. Wie das bettelnde Kind an der Kasse. Schließlich gibt der Richter nach. Nicht aus Gerechtigkeitssinn, sondern aus der Angst heraus von dem penetranten Weib geschlagen zu werden und damit seine öffentliche Ehre zu verlieren. 

Das ist nachvollziehbar. Und deshalb, so lehrt uns Lukas, wenn der gottlose und womöglich korrupte Richter nachgibt, dann wird Gott doch erst Recht zum Recht verhelfen. Lukas hatte erlebt, wie Christen wegen ihres Glaubens Spott und Verfolgung erlitten hatten. Er spürte, wie sie irgendwann müde wurden zu ihrem Glauben zu stehen, weil ja doch das Unrecht immer wieder die Oberhand hatte. Warum Beten? Gott hört uns ja doch nicht. Wenn Christen nichts mehr erwarten, dann hat der Glaube keinen guten Stand mehr! Ich glaube das ist bis heute so. Wenn wir nichts mehr erwarten, um nichts mehr bitten wollen, dann nehmen wir die Welt so hin, wie sie ist. Dann bleibt der Ehrliche der Dumme (U.Wickert). Dann wird jede Veränderung als Bedrohung wahrgenommen und alles Fremde erscheint als Gefahr. Dann verfestigen sich die einfachen Weltbilder und starren Ideologien und der lebendige Gott wird ausgesperrt. Um beim Bibeltext zu bleiben: dann hört die Witwe auf, um für ihr gutes Recht zu protestieren und der Richter kann korrupt und ohne Erbarmen bleiben, denn er hat nichts zu fürchten.

Christen geben sich mit Leid und Unrecht nicht ab. Also sollen wir beten und darin nicht nachlassen. 

Heute – am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, ist auch Volkstrauertag. Gedenken an die unzähligen Toten und Vertriebenen der Kriege. Wieviele Menschen haben wohl 1939 gebetet, dass es nicht zum Krieg kommt? Das Wochenlied, das wir ebven gesungen haben stammt aus der Zeit: Es mag sein, das alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen; halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen kässt. Er hält sein Versprechen! Gleichzeitig haben viele darum gebetet, dass Gott den Deutschen einen Sieg schenkt! Und in diesem Jahr beten viele, dass der Krieg in der Ukraine endlich aufhört. Aber es beten auch viele Russen mit dem russisch orthodoxen Metropoliten Kyrill, dass Gott dem russischen Volk doch noch einen Sieg schenkt.

Ich merke, es kann nicht nur um das Beten an sich gehen. Es geht auch um das „was man betet“. Die Geschichte von der bittenden Witwe lehrt mich, dass es um Gerechtigkeit geht. Und ich höre heraus, dass Gott das Unrecht, dass Menschen erleiden, nicht egal ist. Ich höre aus den Worten des Lukas, auch wenn es schwer fällt für unsere ach so toleranten Herzen, dass letztlich vor Gottes Richterstuhl nicht alle Menschen gleich sind. Schuld bleibt nicht ohne Folgen. Die Auserwählten, so heißt es im Bibeltext dürfen hoffen. Das ist ja auch ein Trost, dass Unrecht nicht siegen wird, weil Gott für Gerechtigkeit sorgt. Gott hat das letzte Wort und nicht die Gottlosigkeit.

Ich finde dafür lohnt es sich zu beten und darin nicht nachzulassen. Und dafür sollten wir manchmal auch liebgewordene Weltbilder in Frage stellen. Denn wenn wir die ständigen Bitten der Menschen nicht hören, die im Unrecht leben müssen und da raus wollen, dann werden wir wie der Richter, dem das eigentlich alles egal erscheint. Christen sind betende und sie sind Handelnde. Wir glauben daran, dass Gottes Reich kommt; wenn schon nicht morgen, dann tun wir zumindest so, als könnte es morgen passieren. Das lehrt uns dann Hoffnung im Gebet, Verantwortung im Handeln und den Glauben an einen lebendigen und gerechten Gott. Amen!

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