ganz oder gar nicht. Predigt 1. Advent zu Offenbarung 3,14-22

 Liebe Gemeinde,

seit einer Woche haben wir ein neues Auto. Einen Plugin Hybrid. Wir wollten etwas für die Umwelt tun. Weil wir meistens Kurzstrecken fahren, nutzen wir die Möglichkeit abgasfrei und leise elektrisch zu fahren. Aber unser Vertrauen in das elektrische Langstreckenfahren ist doch nicht so stark. Deshalb haben wir die Benzinreserve. Nichts Halbes und nichts Ganzes sagen Kritiker. Das Klima braucht keine lauen Entscheidungen, sondern ein radikales Bekenntnis zur Mobilitätswende. Die Kritik muss ich mir gefallen lassen.

            Anderes Beispiel:

Normalerweise bin ich fussballbegeistert. Aber die WM in Katar geht an mir ziemlich vorbei. Ich habe den Eindruck, dass es nur um ein bisschen Fussball geht. Es geht ganz viel um Politik. Und je mehr Katar und die FIFA politische Äußerung unterdrücken, desto politischer wird die WM. Fussball hat mit fairplay zu tun. Der Umgang mit Menschen auch. Ein Foul wird geahndet. Ein grobes Foul hat eine gelbe Verwarnung oder bei Absicht auch die rote Karte zur Folge. Dann fliegt man vom Platz. Dann nützt auch alles Jammern nichts mehr. Die Ausbeutung von Arbeitern auf den Baustellen geschah mit Absicht und das Verbot an die Spieler eine Armbinde für Toleranz zu tragen sind grobe Fouls. Rote Karte. So etwas darf nicht geduldet werden. Doch die WM findet statt. Ein bisschen Sport und viel Weggucken. Es ist weder Sport noch Nichtsport. Es ist irgendwie zum Ausspeien. (Zum Kotzen!)

            Laues ist zum Ausspeien. Das sagt auch die Bibel zu einer Kirchengemeinde in Laodizea, nahe der Kalksinter-terassen von Pamukale in der heutigen Türkei. Es sind Heilquellen mit mäßig warmen Wasser. Die Leute in Laodikea profitierten davon. Sie entwickelten auch eine Augensalbe aus dem Heilwasser und sie verdienten gut mit der Baumwolle, die in der Gegend prächtig wächst. Laodizea war nicht nur Kur und Handelsort, es entwickelte sich auch zum Bankenzentrum der Antike. Die Leute sagen: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts. Auch die Christen in der Gemeinde denken so. Sie glauben an Gott und an Jesus Christus, aber immer nur so, dass es nicht wehtut. Es ist schon lange her, dass man mit „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Träumen“ einen Preis gewinnen konnte. „Ein bisschen Glauben an Gott“ hat noch nie gereicht, sagt die Bibel. Entweder ganz oder gar nicht. Und so bekommen die Christen in Laodizea diese höchst unangenehme Botschaft ins Stammbuch geschrieben:

 

Offb. 3,14-22


14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl[1] mit ihm halten und er mit mir. 21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

 

Der Geist Gottes sagt den Christinnen und Christen, den Kirchengemeinden etwas. Es reicht nicht mit halbem Ohr hinzuhören, weil man auch noch auf andere Stimmen Acht geben will. Laodizea ist nicht reich, sondern elend, jämmerlch und arm. Das ganze Bankwesen ist eine Farce. Darum: Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst. Deine Baumwollindustrie ist sehr fragwürdig. Zieh weiße Kleider an, damit die Blöße deiner Scham nicht sichtbar werde. Deine ganzen Augensalben helfen nicht, wenn du auf deinem geistigen Auge blind bist. Der Text ist 2000 Jahre alt und ich habe das Gefühl, dass viele Themen angesprochen werden, die uns heute auch noch sehr nahe sind:

Wohlstand, fragwürdige Billigklamotten, und Medizinprodukte in der Fernsehwerbung, die uns schnelle Heilung versprechen. Doch es geht nicht um diese Themen alleine. Es geht darum, wie sich Christen und Christinnen dazu verhalten; welche Bedeutung unser Glaube auf das eigene Leben hat und auch, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Zum Beginn des neuen Kirchenjahres werden wir nach dem Glauben gefragt. Advent ist eigentlich eine Fastenzeit gewesen. Zeit des Nachdenkens. Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft dessen, der in Bethlehem geboren werden wird. Ankunft dessen, der an die Tür unseres Herzens und des Gewissens klopft. Haben wir uns so wie die Menschen in Laodizea gemütlich eingerichtet und sagen: Wir sind reich. Wir brauchen nichts! Oder sind wir noch offen und voller Sehnsucht, nach dem, der um unser Vertrauen nahezu bettelt.

Ich vermute, wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann fühlen wir uns unangenehm berührt. Welche Bedeutung spielt in unserem Alltag der Glaube? Wo und wie sind wir Christen erkennbar?

Immerhin lese ich im Predigttext auch dieses: Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige sie. So sei nun eifrig und tue Buße. Kritik tut weh. Sie rüttelt an unserem Selbstbewusstsein. Mit Leuten, die uns offen sagen, was verkehrt läuft, tun wir uns ja oft schwer. Wir fühlen uns gekränkt. Doch die Kritik Gottes an einem lauen Glauben ist ein Zeichen liebevoller Zuwendung. Die Bibel benutzt harsche Worte, damit wir wachgerüttelt werden. Einen Glauben, der lau ist und keine Bedeutung mehr hat findet Gott nach den Worten der Offenbarung zum Ausspeien, zum Kotzen. Aber gleichzeitig gibt es die Einladung zum Abendmahl. Zum gemeinsamen Essen und zum Vergeben.

 

Die Kirchen in Europa erleben gerade einen großen Bedeutungsverlust. Die einen sagen: Da gibt es zuviel Politik, die anderen sagen: Die Kirchen mischen sich zu wenig ein. Zurecht wird kritisiert, dass gerade die Kirchen lange Zeit meinten eigene Rechte zu haben. Und nun wird gespart und macht sich selbst kleiner. Doch der Geist Gottes klopft an. Offenheit und Phantasie sind gefragt. Kirche muss anders werden. Nicht nur ein bisschen. Denn auf ein Leben aus dem Glauben können wir - glaube ich - nicht verzichten. Ich wünsche mir eine barmherzige Toleranz und nicht das unbarmherzige Beharren auf Positionen. Ich glaube, dass wir einen im christlichen Sinne liebevollen Umgang brauchen, anstatt immer mehr Hassbotschaften. Ich glaube, dass wir wachsame Augen brauchen für die Nöte dieser Welt, anstatt uns von billigen Parolen blind machen zu lassen. Ich glaube, dass wir den Geist Gottes brauchen, denn bösartige Geister gibt es schon genug. Und zum 1. Advent klopft der Geist Gottes an: bei Euch und bei mir. Wir müssen ihn nur hineinlassen: In unser Herz und unseren Verstand!  Wer Ohren hat, der höre!

Amen!

 

 

 

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