Predigtzu 5.Mose 8,7-119 am Erntedanksonntag 2022 Dank und Verantwortung

 Liebe Gemeinde,

 

Die Bilder hatten Muhmad überzeugt: Auf ihnen sah er buntes Obst und frisches Gemüse; grüne Wälder und Vieh auf satten Weiden. Gute Straßen und fast jeder hat ein Auto. Häuser mit Thermofenstern und Menschen, die sich auf Liegen im Garten räkelten. „Das alles kannst Du auch haben! Ich bringe Dich dahin.“ sagte der fremde Mann. Und dann hat Muhmad alles Geld was er hatte, zusammengekratzt und dem Fremden gegeben. Alles ist besser als hier in Afrika im Staub zu sitzen, gefangen in der Angst vor dem, was morgen kommt: Seit Monaten hatte es nicht mehr geregnet. Totes Vieh und Müll lagen am Dorfrand. Und immer wieder kamen Bewaffnete und stahlen alles, was sie nehmen konnten. Und wer nichts gab wurde getötet. Muhmad verabschiedete sich von seiner Familie und den Nachbarn. Und dann ging es mit dem Jeep und vielen anderen Flüchtlingen durch die Wüste. Eine sehr sehr lange Reise begann…

 

Ich habe mir diese Geschichte ausgedacht. Ich weiß nicht wo und wie sie endet. Aber ich glaube, so könnte sie stattfinden, weltweit und immer wieder. Menschen brechen auf aus schlimmen Verhältnissen, suchen eine tragfähige Zukunft. Wenn man einem Bilder zeigt oder malt, die das Paradies verheißen? Warum sollte man ein besseres Leben ausschlagen? Auch wenn erst einmal Wüstenzeit kommt.

 

Die Flüchtlingszahlen nehmen gerade wieder zu: Aus Afghanistan und Syrien, aus der Ukraine und aus Russland und – wo sieht man das drastischer als auf den Kanaren? – Bootsflüchtlinge aus Afrika. Europa: das Paradies.

 

In Europa sagen wir: Vorsicht mit Versprechungen. Das Paradies gibt es nirgendwo. Europa kann viel, aber bestimmt nicht alle Menschen aufnehmen, denen man ein gelobtes Land versprochen hat.

 

Die Geschichte ist alt. Schon die Bibel erzählt, wie Gott den Israeliten in Ägypten das gelobte Land verspricht. Aus Elend und Sklaverei in Ägypten sollen sie aufbrechen. Gott verspricht ein gelobtes Land. Er malt Bilder im Kopf der Israeliten, auf denen Milch und Honig fließen. Lange, sehr lange dauert die Reise. 40 Jahre. Wüstenzeit. Mose hat alle Mühe sein Volk zu motivieren. Immer wieder sagt er: Gott wird euch in ein gutes Land führen. 

(Ich lese den ersten Teil des heutigen Predigttextes aus 

 

Dtn.8,7-9)

Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, 8ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt, 9ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt, ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust. 


Auch wenn es in der Bibel steht, bleibe ich skeptisch, wenn einem das Blaue vom Himmel versprochen wird: Blühende Landschaften in Ostdeutschland hat es nach der Wende 1989 so nicht gegeben, wie Menschen sich das vorgestellt hatten. Und auch Israel hat zwar das Zielland erreicht. Aber solange es keinen Frieden gibt, ist das Land noch nicht der Hoffnungsort, von dem Mose gesprochen hatte. Skeptisch, oder zumindest vorsichtig sollten wir wohl sein, wenn jemand uns mit großen Versprechungen locken will.

Allerdings: Wenn man gar keine Träume mehr wagt, wenn alles so bleibt wie es ist, weil es angeblich nie anders war, wenn man nur frustriert klagt und die Verantwortung nicht in die eigene Hand nimmt, dann kann es keine Wege zum Guten geben. Dann bleibt die Sklaverei in Ägypten, dann haben einige die Macht und die anderen schwitzen dafür. Dann siegen die Systeme, in denen mit Geld und Gewalt keine Veränderungen geduldet werden. Der Teufel hält die Menschen klein. Gott aber ermöglicht Träume, Freiheit und Miteinander.

 

Dtn.8,10-19


10Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.

11So hüte dich nun davor, den Herrn, deinen Gott, zu vergessen, sodass du seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, nicht hältst. 12Wenn du nun gegessen hast und satt bist und schöne Häuser erbaust und darin wohnst 13und deine Rinder und Schafe und Silber und Gold und alles, was du hast, sich mehrt, 14dann hüte dich, dass dein Herz sich nicht überhebt und du den Herrn, deinen Gott, vergisst, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, 15und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione und lauter Dürre und kein Wasser war, und ließ dir Wasser aus dem harten Felsen hervorgehen 16und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit er dir hernach wohltäte. 17Du könntest sonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen. 18Sondern gedenke an den Herrn, deinen Gott; denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, auf dass er hielte seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hat, so wie es heute ist.19Wirst du aber den Herrn, deinen Gott, vergessen und andern Göttern nachfolgen und ihnen dienen und sie anbeten, so bezeuge ich euch heute, dass ihr umkommen werdet; 

 

 

Gott ermöglicht Träume. Und Gott schenkt Begabungen, Träume auch zu verwirklichen. Von alleine kommt das nicht. Das Volk Israel musste sich schon auf den Weg machen in die Freiheit, auch durch Mühsale hindurch. Das Land hat fast alles, was man braucht, aber es muss doch gesät und geerntet werden. Kupfer und Eisen kommen nicht alleine aus dem Berg, sondern Du musst es aus dem Berg hauen, heißtes im Predigttext.

Europa erscheint vielen als das Paradies, weil wir im Frieden leben durften. Es brauchte dafür jedoch Menschen, die nach dem Krieg den Traum eines friedlichen vereinten Eurropa tr#äumten; die aus Feinden Nachbarn gemacht haben. Europa erscheint vielen als Paradies, weil eigentlich keiner hungern müsste. Arbeit gibt es genug. Bildung und Ausbildung fallen aber nicht vom Himmel. Nicht immer sind die Schulen schuld, wenn jemand schlechte Noten bringt. In einem guten Land, darf es eigentlich keine Trägheit und Faulheit geben, sonst verspielt man leichtfertig den Segen, den man ernten könnte. Erfolgreiche Firmen haben irgendwann mal einen risikobereiten Gründer gehabt, der einer Idee im Kopf eine reale Gestalt gegeben hat. Nur so konnten Menschen dann Arbeit finden und nur so konnte es den Wohlstand geben, in dem wir trotz aller Klagen immer noch leben.

Ich kann so reden wie ein Wirtschaftsliberaler: Risiko + Leistung = Wohlstand. Ich brauche Gott nicht dafür. Doch da setzt die Bibel wirklich einen neuen Akzent:

Wenn Du satt bist und schöne Häuser baust, dann überhebe dich nicht, sondern danke Gott, der dir das alles ermöglicht hat. Erinnere dich an die Zeiten der Not: In Ägypten, auf dem langen Weg. Sage nicht: meine Kraft und meine Stärke haben das alles erreicht. Es ist immer wieder die gleiche Botschaft, die Gott da zuruft: Bleibe demütig vor Gott und den Menschen. Schaffe aber sei auch dankbar.

Als ich noch im Lionsclub war, habe ich immer wieder von Neumitgliedern den Satz gehört: Mir ist soviel Gutes widerfahren, dass es jetzt an der Zeit ist, wieder etwas davon zurückzugeben. Natürlich ging es dabei um Geld. Aber es ging bei den Lions auch immer um Ideen und ehrenamtliche Tätigkeiten, um Geld zusammenzubringen für Hilfen in der Region oder weltweit. 

Der Lionsclub ist nicht religiös. Demut ist auch eine Lebenshaltung, bei der Gott nicht erwähnt werden muss. Ohne Gott jedoch, ist die Gefahr groß, dass man diese Lebenshaltung, diese Demut verliert. Daran erinnert die Rede des Mose am Ende der großen Reise ins gelobte Land. Wir danken heute für die Ernte, das Essen, den Wohlstand. Wir danken denen, die dafür gearbeitet haben. Wir danken Gott, dass diese Erde eigentlich ein wundervoller Planet ist. Wir danken Gott, dass er Wege zeigt, die wenn schon nicht ins Paradies, aber doch Wege aufzeigt, wie sich das Leben zum Guten wenden lassen kann. Wir staunen, über die Vielfalt, die uns umgibt. Wir bitten, dass wir den Respekt bewahren vor dem was uns geschenkt ist, was nicht uns gehört, sondern Gottes Geschenk an alle Menschen ist.

Erntedank schauen wir dankend zurück und zugleich erahnen wir auch den Segen, der noch kommen soll: für alle Menschen. Dankbarkeit und Verantwortung sind wie Geschwister, die die Zukunft offen halten. Gott sei Dank.

Amen!

 

 

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