Predigt zu Eph.5,15-20 So. 16.10.22: Nutzt die Zeit, denn es sind böse Tage

 Liebe Gemeinde,

Es ist der eine Satz an dem meine Gedanken kleben bleiben: „Kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse.“

Vor allem dieses: Die Tage sind böse! Das ist es, woran ich denke, wenn ich morgens die Nachrichten lese oder sie am Abend in den Tagesthemen sehe: Dieser hinterhältige Krieg in der Ukraine, diese Lügen, diese wachsende Brutalität; dieses Spielen mit der Not anderer, dieses Destabilisieren von dem, was uns bisher Halt gegeben hat. Wir waren naiv und leichtfertig, haben uns nur von Freunden umgeben gesehen; wir haben uns daran gewöhnt, alles günstig zu bekommen und dabei nicht gemerkt, wie wir abhängig geworden sind von Gas und Strom, von anderen Ländern und Mächten. Wie kommen wir aus dieser Abhängigkeit wieder raus? Augen zu und den brutalen Mächten diese Tage überlassen? Menschenopfer hinnehmen, Hauptsache uns geht es gut? Mir wird übel, wenn ich höre, dass man auf Sanktionen gegen Russland verzichten soll. Das klingt wie beim Märchen von Peter Schlehmil, in dem jemand für einen scheinbaren persönlichen Vorteil seine Seele an den Teufel verkauft. Ja es sind böse Tage!

Dabei kann ich ja eigentlich nur aus der Ferne klagen. Ich lebe hier auf Teneriffa; ich habe zu essen; ich muss hier keine Bomben fürchten; ich habe ein Auskommen. Ich muss mich nicht fragen, wie ich über den Winter komme. Andere hätten noch viel mehr Grund zu sagen: Es sind böse Tage.

Der Verfasser des Epheserbriefes stöhnt aus vollem Herzen: Es sind böse Tage! Einer der Nachfolger des Apostel Paulus hat den Brief geschrieben. So um das Jahr 90 herum. Diokletian hieß zu der Zeit der römische Kaiser, der vor allem an der heute türkischen Westküste Christen verfolgen ließ. Die Christen mussten Angst haben um ihr Leben; aber sie waren auch im Glauben verunsichert: Warum sollte man sich zum christlichen Glauben bekennen, wenn Verfolgung, Gewalt und Spott das Sagen hatten und nicht das von den Aposteln verkündete Reich Gottes? Am Anfang verkündeten Paulus und seine Mitarbeiter noch, das Reich Gottes sei nahe. Jesus würde wiederkommen und dann gäbe es keinen Tod mehr, kein Geschrei, keine Tränen. Siehe, ich mache alles neu, soll Gott gesagt haben. Aber Menschen, alte aber auch junge, sterben weiterhin, Krankheiten grassieren und halten die Menschen in Atem. Krieg und Gewalt sind ständig präsent. Nichts ist mehr sicher. Die Rattenfänger sind unterwegs, um mit der Angst oder Sorge ihr Geschäft zu machen. Alles ist schlecht, reden sie den Leuten ein und haben doch selber keine Vorschläge, wie es besser werden könnte. Sie verbreiten Hass. Die Botschaft von der Nächstenliebe verkommt zum Hohn. Die sicher geglaubte Welt gerät ins Wanken. Was gilt noch? Worauf ist Verlass? Es sind böse Tage; das lässt sich nicht leugnen.

Das andere, woran meine Gedanken hängen bleiben, ist der erste Teil dieses Satzes: „Kauft die Zeit aus!“ Das griechische Wort für „auskaufen“ meint wohl den Freikauf eines Sklaven. („Ex-agora-zomenoi“ – Darin steckt Ex für „heraus“ und das Wort „Agora“, der antike Marktplatz). Nur wenige Sklaven schafften es sich auf dem Markt freizukaufen. Den Christen traut der Epheserbrief das aber zu: Macht Euch frei aus der Sklaverei der bösen Tage; von dem, was euch lähmt und Angst macht. Ihr seid nicht wie Sklaven in bösen Tagen; Ihr gehört nicht anderen Mächten. Die bösen Tage sind nicht zu leugnen, aber sie sollen euch nicht gefangen halten. Christen sind frei! Die Einheitsübersetzung schreibt hier schlicht: Nutzt die Zeit, denn diese Tage sind böse. „Carpe diem!“  Nutze den Tag! Dieses Zitat vom römischen Dichter Horaz steht an so manchem Gymnasium. Nutze den Tag! Der alte Horaz meinte damit, man solle den Tag genießen, es sich gut gehen lassen, positiv denken und das Unangenehme nicht an sich ran lassen. Aber genau das meint der Epheserbrief nicht. Die Realität, auch mit dem was Sorgen bereitet, bleibt im Blick: Er schreibt im Gegenteil: „Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug! Seid nicht unverständig, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist.“

Nun geht es ans Eingemachte. Christen nehmen es nicht einfach so hin, dass Tage böse sind, dass das Böse oder die Bösen den Tag füllen, - dass Gewalt, Ungerechtigkeit und fehlender Anstand die Macht haben, dass die Rattenfänger sich meinen ausbreiten zu dürfen. Und Christen schauen auch nicht weg, sie malen keine beschönigenden Bilder. Doch statt lähmender Angst atmen sie den befreienden Geist Gottes. Christen fragen danach, was der Wille des Herrn ist. Christen setzen dem Bösen etwas entgegen: Erlöse uns von dem Bösen, denn dein ist das Reich und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Nachdenken!

Was will Gott? Was können wir dazu beitragen, dass Gottes Wille geschieht.

Wie kann das gehen?

Sauft euch nicht voll Wein! Heißt es da zuerst. Jetzt kommt der moralische Zeigefinger, denke ich. Aber ich weiß auch: Wer Nachdenken will, kann sich nicht zudröhnen. Gegen ein Glas guten Weines wird keiner etwas sagen. Das wusste schon Jesus. Aber gegen Saufgelage hat der Briefschreiber etwas: Saufgelage wie bei Römern, Griechen oder etlichen hiesigen Touristen, bei denen man Worte sagt oder Dinge tut, die man nachher nicht gesagt oder getan haben will. Saufgelage sind nicht geeignet, böse Wirklichkeiten zu beenden. Wir Christen sind mit der Wirklichkeit gut verbunden; auch wenn man uns manchmal spötisch genau das abspricht. Wir Christen sind nicht unzurechnungsfähig. Vor allem, suchen wir nicht allein unser eigenes Glück, sondern ebenso immer das Wohl der Menschen, die mit uns leben. Der Epheserbrief schreibt: „Ermuntert einander!“; singt, macht Musik; aber bitte mit geistlichem, mit geistvollem Niveau. „Mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern.“ Über das, was guter Wein und das rechte Maß ist kann man wohl ebenso streiten, wie über das, was gute Lieder oder das rechte Maß an zumutbarer Qualität ist. Entscheidend ist doch, dass wir dem täglich Bösen nicht die Macht überlassen, sondern Glauben, Liebe und Hoffnung entgegensetzen. Uns nicht hinter Floskeln verstecken, sondern kluge Worte wählen. Der Epheserbrief hat einen ganz ähnlichen Bruder im Kolosserbrief: da heißt es:

„Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit wohlklingend und mit Salz gewürzt, damit ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.“ (Kol.4,5)

Es ist gar nicht so leicht in bösen Tagen Gutes und Kluges zu sagen und dann auch so zu handeln. Aber mit Glauben, Singen und gutem Willen und vor allem mit Gottes Hilfe soll es wohl gehen. Auf geht´s! Amen!

 

Kommentare

  1. Da kann ich Dir nur zustimmen, es sind tatsächlich schlimme Tage;(

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  2. Danke für die Rückmeldung. Trotzdem: Zuversichtlich bleiben ist erste Christenpflicht!

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