Jes.49,1-6 Predigt : Gottes Heil bis an die Ende der Erde!

GOTTES KNECHT WIRD DAS LICHT DER VÖLKER

(vgl. Kap 42,1-450,4-952,13–53,12)

491Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. 2Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. 3Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will. 4Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz. Doch mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott. 5Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde – und ich bin vor dem Herrn wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke –, 6er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.

 Wie muss man sich das vorstellen, wenn Gottes Heil die Enden der Erde erreicht hat? Mir fällt es schwer meine Vorstellung zu formulieren, weil das Heil der Erde gerade jetzt so unwahr-scheinlich und fern erscheint. Das Unheil an allen Enden der Welt verstellt mir den Blick auf eine Erde, die von Anfang bis Ende heil sein könnte. In meiner Vorstellung bedeutet das Heil Gottes bis an das Ende der Erde, dass kein Mensch mehr Angst haben muss: Keine Angst vor dem Leben und keine Angst vor dem Tod. Wenn es keinen Krieg mehr gibt und jeder dem anderen nur das Beste wünscht. Wenn es genug zu Essen und sauberes Wasser für jeden und jede gibt. Wenn die Luft zum Atmen sauber ist und jeder seine Begabungen fortbilden kann und will. Wenn Frauen und Männer gleiche Rechte und Pflichten haben, wenn Faulheit und übertriebener Ehrgeiz keinen Platz mehr haben. Wenn man Rücksicht nimmt und Gott statt sich selbst die Ehre gibt. Bestimmt fällt mir noch mehr ein und Euch auch…

 

Nicht weniger als dieses Heil zu verkünden, ist das Ziel des Auftrages, den der sogenannte Gottesknecht im Jesajabuch von Gott erhält.

An 4 Stellen kommt der rätselhafte Gottesknecht bei Jesaja zu Wort. Die Wissenschaft weiß bis heute noch nicht, wer sich hinter diesem Ebed ha Schem, dem Gottesknecht verbirgt. Die Worte von ihm sind sehr persönlich. Er berichtet davon, dass er sich den Auftrag der Predigt, der Verkündigung von Gottes Wort, nicht selbst ausgesucht hat: „Der Herr hat mich beru-fen, als ich noch im Mutterleib war!“ Und er berichtet davon, dass seine auferlegten Botschaften nicht Seelenbalsam waren für die Menschen, nicht das, was wir Menschen am liebsten hören, sondern: Der Mund des Gottesknechtes ist von Gott wie ein scharfes Schwert gemacht. Das klingt anders, als: Gott hat Euch alle lieb so wie ihr seid. Gott hat ihn zum spitzen Pfeil gemacht. Der Gottesknecht sollte die Israeliten warnen, bevor sie Gottes Gnade verspielten und falsches Verhalten tödlich werden konnte. Da waren scharfe Worte angebracht. Der Gottesknecht eckte an. Die Leute wollten lieber wohlfeile Worte hören. Weitermachen wie es ihnen richtig schien. Religion als Bestätigung, als Stabilisierung ja, aber keinen Glauben, der zum Um und Nachdenken herausfordert. Das Jesajabuch erzählt uns, wie zunehmendes gottloses Verhalten in die politische Katastrophe führte. Im Jahr 598 v. Chr. gab es den jüdischen Staat im einst gelobten Land nicht mehr. Die Babylonier eroberten und zerstörten Jerusalem und depor-tierten die Bewohner zum großen Teil weg. Der Prophet, der Gottesknecht hatte vergeblich gepredigt. Er hat für die Worte Gottes, für seine Warnungen, Schläge, Hohn und Spott erleiden müssen. Wofür das alles?

„Ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz!“ klagt er in den Worten des heutigen Predigttex-tes. So redet jemand, der am Ende seiner Kräfte ist, dem Anerkennung und Wertschätzung fehlen, der innerlich ge-kündigt hat; der nicht mehr kann aber auch nicht mehr will. Wie jemand der die Arbeit nicht eingrenzen konnte und nun ausgebrannt ist, der am burn-out Syndrom leidet. Wie jemand der den Sinn seines Lebens nicht mehr erkennen kann. Beispiele aus meiner Zeit gehen mir durch den Kopf: 

Mein Computerspezialist hat Burnout. Er ist in der Klinik. Kirchenvorstände auch hier unter uns sagen: wir sollen alles machen aber keiner aus der Gemeinde unterstützt uns mit Worten oder Taten. Eigentlich möchten wir hinschmeißen! Und auch immer mehr Pfarrer und Pfarrerinnen freuen sich anders als früher auf den Ruhestand, weil die Aufgaben zu unübersichtlich geworden sind und die Kirchenleitungen kein Wort der Unterstützung oder Wertschätzung von sich geben. Diese persönlichen Worte des Gottesknechtes lösen in mir viel Erlebnisse und Erinnerungen aus. Ich kann sie nachvollzie-hen. Es sind nicht nur die großen Themen wie Frieden und Klima, die uns Sorgen machen. Es sind auch die persönlichen Themen, die mir das Heil Gottes bis an die Enden der Welt so fern und unrealistisch erscheinen lassen. Machen wir uns was vor, wenn wir Sonntag für Sonntag beten: Dein Reich komme, dein Wille geschehe?

Und doch erlebt der Gottesknecht, dass Gott ihn trotz aller Demütigungen, Sorgen und Niederlagen nicht aufgibt: „Mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott.“ Eine Ruhe und Atempause wäre für den Erschöpften, für die müde Seele gut! Das würde jeder Therapeut einem Burn-out Kranken raten. Doch Gott ist kein Therapeut: Statt Ruhe wird der Auftrag für den Gottesknecht erneuert und sogar ausge-weitet: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wieder zu bringen, sondern ich habe dich zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.“

Ausgerechnet der niedergeschlagene Prophet soll noch zum Hoffnungsträger werden, ausgerechnet das schuldig gewor-dene Volk Israel soll zum Licht der Völker werden. Es gehört zu den Sonderlichkeiten der biblischen Erzählungen von Gott, dass nicht die starken und Erfolgreichen die Hoffnungsträger sind, sondern Menschen, die eigentlich recht wenig vorzuzei-gen haben: Ein Kind, das rein zufällig überlebt und aus dem Nil gefischt wird, das als junger Mann mit namen Mose einen Mord begeht wird von Gott zum Anführer der Israeliten beru-fen auf dem Weg aus der Sklaverei in das gelobte Land. Ein Hirtenjunge namens David besiegt den hochgerüsteten Riesen Goliath. Seine Lieder stehen noch immer in dem Buch der Psalmen, obwohl er mit der Frau seines besten Heerführers fremd gegangen ist. Und nun also der Gottesknecht, dessen Worte trotz aller Schärfe und Spitze erfolglos waren und ein Volk, was vor allem durch Halsstarrigkeit auffällt. Wir können fortfahren: Eine Kirche, die alles andere als eine Ruhmesge-schichte vorzuweisen hat, Christen und Christinnen, die zunehmend eine Minderheit werden; Pfarrer und Pfarrerinnen, die bis zur Erschöpfung predigen, Unterricht geben, Kindergärten leiten und Verwaltungsarbeit machen müssen, für die sie in der Regel nicht ausgebildet worden sind. Die Ehepartner und Partnerinnen von Pfarrern, die viel und ohne Geld mitarbeiten, von denen viel erwartet wird, ohne dass sie jemals eingestellt worden sind.

Sie alle sind trotzdem Werkzeuge Gottes für das große Ziel, diese Welt nicht ihrem Schicksal und den Katastrophen zu überlassen, sondern Gottes Heil bis an die Enden der Erde zu verkündigen. Es reicht nicht der persönliche Glaube in mir selbst oder in dir; Es gilt auch aus diesem Glauben heraus zu handeln. In der Kirche und für die Welt. Denn – so heißt es im Predigttext: „Gott ist meine Stärke!“

Was können wir also aus unserem Glauben heraus tun?

Mir ist wichtig – und ich frage das immer wieder, auch wenn ich das Gefühl habe, dass es wohl vergeblich ist: Reden wir nur von uns selbst, oder fragen wir bei unseren Begegnungen nach dem Leben der Menschen, die uns umgeben.

Unsere Kirchengemeinde als Ort der Verkündigung von Gottes Wort und von gelebtem Glauben kann es nur geben, wenn Menschen sich einbringen.

Wir sind Gäste auf dieser Erde und hier ganz besonders Gäste in einem anderen Land und so sollen wir uns auch verhalten.

Wir haben nur diese eine Erde. Die Resourcen sind begrenzt. Wir müssen unseren Verbrauch eingrenzen, damit es auch weiterhin genug gibt. Jeder und jede kann etwas dazu beitragen. Nie ist das so deutlich geworden wie vor diesem Winter in Europa aber auch in der ganzen Welt.

Hass und Rücksichtslosigkeit regieren zunehmend unsere Gesellschaften. Wir Christen halten trotzig und mutig die Gottes- und Nächstenliebe dagegen.

Wir können nicht alles, aber wir haben von Gott den Auftrag, Dunkles Hell werden zu lassen: Jesus sagt: Ihr seid das Licht der Welt!

Und im Kleinen wird sichtbar, was es heißen könnte, wenn Gottes Heil bis an das Ende der Welt reichen wird. Amen!

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