Bleiben Sie zuversichtlich! Jesaja 12,1-6

Lutherbibel 2017 Jesaja 12,1-6

Das Danklied der Erlösten

1 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest. 2 Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. 3 Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils. 4 Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! 5 Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! 6 Jauchze und rühme, die du wohnst auf Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir! 

Liebe Gemeinde,

„ und: … Bleiben Sie zuversichtlich!“ Mit diesem Mutmacher verabschiedet sich der Moderator der Tagesthemen Ingo Zamperoni immer von den Zuschauern. In einem Interview hat Zamperoni gesagt, dass das für ihn angesichts der schwierigen Nachrichten in der Coronakrise ein schöner Satz sei, mit dem er den Menschen Mut und Trost geben wolle.

 

Der erste Teil des Jesajabuches hat auch so einen Mutmacher als Schlusswort: Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht! Das ist zwar nur ein Satz aus dem „Danklied der Erlösten“, aber eben auch der Punkt um den sich dieses Lied dreht: Zuversicht in damaligen Krisenzeiten. Was war passiert?

 

Jesaja hatte schon früh die sozialen Missstände im südlichen Königreich Juda und dem nördlichen Israel mit deftigen Worten kritisiert. Eine Gesellschaft in der Witwen und Waisen keine Rechte haben, in der wenige ohne Rücksichtnahme im Luxus leben und andere nicht wissen, wie sie den Tag überleben sollen, wird in sich zerbrechen. Sie missachten damit Gott, sagt Jesaja, der der Gott aller Menschen ist. Jesaja prophezeit, dass ein Feind aus dem Norden kommen wird. Unter den gegenwärtigen Umständen wird weder Israel noch Juda stabil bleiben und überleben.

 

Tatsächlich kommt aus dem Norden die Streitmacht Assurs. Das Nordreich Israel fällt als erstes und Juda kommt nur durch horrende Tributzahlungen an den assyrischen König zunächst um die Zerstörung herum. Im Jahr 701 wird aber auch Jerusalem belagert. Ein paar Jahre später ist die Macht Assurs aber gebrochen. Die Besatzertruppen sind weg. Sie hinterlassen aber Zerstörung und Trauer. Die Leute kommen in ihre kaputten und geplünderten Häuser zurück. Sie erinnern sich überall an die kritischen Worte des Propheten Jesaja. Hättet ihr mehr auf Gott und seine Gebote vertraut! Hättet ihr doch eine sozialverträgliche Politik gemacht. Die Leute sagen: Gott hat uns für unsere Fehler gestraft!

 

„Bleiben Sie zuversichtlich!“ sagt da der Nachrichtensprecher, nachdem über die Gräuel des Krieges in der Ukraine und Aserbeidschan und die Bilder der Zerstörung berichtet wurde. „Bleiben Sie zuversichtlich!“ Nicht nur Bilder des Krieges, sondern auch die Bilder von Dürre, Waldbränden und Überschwemmungen als Folgen des Klimawandels sind noch im Kopf. Wie kann man Menschen angesichts von Unheil und schlimmen Nachrichten Zuversicht wünschen ohne dass es zur billigen Formel wird?

 

Das Loblied der Erlösten fängt mit einer Erkenntnis an: Wir haben einen Anteil an den schlimmen Nachrichten: Wir haben mehr unserer eigenen vermeintlichen Weisheit getraut und mit Gott gar nicht mehr gerechnet. Wir sind in Abhängigkeit einer Großmacht geraten, aber haben gedacht, dass alles schon gut werden wird. Wir haben auf Kosten andere gelebt. Da dürfen wir uns eigentlich nicht wundern, wenn wir einmal dafür die Rechnung bekommen. Solche Erkenntnis ist bitter, aber sie kann der Wendepunkt im Leben sein:

 

„Ich danke dir, Herr! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest!“ Mit einem Schuldeingeständnis fängt das Danklied der Erlösten an. 

Für mich sind das Worte der Demut. Joachim Gauck, damals war er noch Leiter der Stasiakten, hat uns einmal gesagt, dass die Bürger der DDR Schwierigkeiten hätten, sich einzugestehen, dass in der DDR Unrecht geschehen sei. Es sei sicherlich zu einfach, den Westen nun für alles verantwortlich zu machen. Aber nach dem zweiten Weltkrieg fühlten sich zu viele Deutsche auch unschuldig an den Verbrechen des Naziregimes. 

Demut muss eine schwierige Haltung sein. Sich zurückneh-men, Unrecht eingestehen, Gott - statt sich selbst - die Ehre zu geben.

Doch die Bibel lehrt uns: Ohne Demut kann es eigentlich keine echte Zuversicht geben.

 

Darum also singen die Befreiten: Gott ist mein Heil!

Auch wenn die Bilder vor Augen eigentlich keinen Anlass zur Ermutigung geben:

Ich bin sicher und fürchte mich nicht, denn Gott der Herr ist meine Stärke und mein Heil!

Und wenn die Brunnen auch noch zerstört, vergiftet oder versiegt sind: Jesaja ist überzeugt davon, dass Gott genug Kraft verleihen wird, all das wieder aufzubauen. Von alleine wird das nicht geschehen. Gottes Kinder dürfen die Hände nicht in den Schoß legen. Es wird sich lohnen: Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils!“

 

Dreimal also kommt in diesem Lied der Erlösten das Wort Heil vor. Heil hat mit Heilung zu tun, mit wieder ganz werden: Wunden heilen. Zumindest wenn man behutsam auf die Verletzbarkeit achtet. Wunden am Körper und auf der Seele. 

 

Es ist ja so leicht immer den Finger in offene Wunden zu legen. Ich habe oft den Eindruck, dass uns mehr Katastrophenszenarien beschäftigen, als die Versuche etwas zu heilen. Es wird gegen alles mögliche selbstgerecht und laut protestiert. Demut ist ein Fremdwort geworden. Selten werden in der Kritik realisierbare Verbesserungsvorschläge genannt: Man will mit Strom versorgt werden, aber keine Hochspannungsleitungen oder Windkraftanlagen. Man will eine gute verlässliche Infrastruktur, ist aber gegenüber Institutionen und ihren Vertretern, „denen da oben“, erst einmal grundsätzlich skeptisch gegenüber. Kritik soll sein, aber Protest ohne Perspektive führt nicht zu Stabilität, sondern es droht der Zerfall einer Gesellschaft. Das hatte Jesaja seinerzeit klar gemacht. 

 

Wer hilft heilen? Wer verbreitet in schwierigen Zeiten Zuversicht? Auch wenn die Stimmen von uns Christen nur einige unter vielen sind, auch wenn der Einfluss der Kirche immer weiter rückläufig ist, auch wenn in der Kirche viele Fehler gemacht wurden und werden, auch wenn die Bibel das zwar meistgedruckte, aber schon lange nicht mehr das meistgelesene Buch der Welt ist, bleibt es doch die Aufgabe von uns Pfarrern und Pfarrerinnen, aber auch von allen Christen konstruktiv Hoffnung zu verbreiten. Evangelium verkünden heißt ja frohe Botschaft zu verkünden. Jesaja macht vor wie es gehen könnte, ohne dass Predigten blutleer und formelhaft werden: Demütig sein vor Gott und dem Nächsten und das Gute zu wagen, auch wenn schlimme Nachrichten uns immer wieder sogar in unserem Glauben erschüttern.

„ Siehe Gott ist mein Heil. Ich bin sicher und fürchte mich nicht!

 

„Bleiben Sie zuversichtlich!“

Amen!

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