Pfingstwunder Predigt auch zu Rö. 8,1ff

 Ist das nicht verrückt? In einem Kuhkaff namens Bethlehem im Nahen Osten wird ein Kind in einem Stall geboren. Nur ein Kind, aber die ganze Welt verändert sich wegen eines Kindes. Seitdem zählen wir die Jahreszahlen bis heute: 2022 nach Christi Geburt.

Ist das nicht verrückt?  12 Schüler folgen dem Rabbi Jesus, was durchaus normal war. Aber aus den Zwölfen wurden immer mehr. Die Nachfolger und Nachfolgerinnen nennen  sich Christen und werden eine eigene Religionsgemeinschaf; eine der Größten weltweit.

Ist das nicht verrückt, dass man Jesus ans Kreuz nagelte wie einen Verbrecher, aber anstatt  des vermuteten Endes der Jesusbewegung entstanden Kirchengemeinden im ganzen Mittelmeerraum und schließlich in der ganzen Welt, in Ephesus und Korinth, auf Teneriffa und La Gomera. Der Apostel Paulus hat da wesentlichen Anteil dran. Aber der eigentliche Schlüssel für die Ausbreitung des Christentums ist die Geschichte von Pfingsten: Gottes Geist geht auf die Apostel über. Die Sache Jesu wird sprachfähig. Weltweit!

Trotzdem haben die Kirchen und auch einzelne Christen oft einem anderen Geist Heimat geboten; haben soviel Schuld auf sich geladen haben: Machterhalt von Päpsten und Kaisern, die Kreuzzüge und Ketzerprozesse. Auch dieses: Jesus hatte viele Frauen als Nachfolgerinnen, aber etliche Kirchen-lehren schließen Frauen bis heute von kirchlichen Ämtern aus. Es gibt entsetzlichen Missbrauch an Kindern und manchmal einen Reichtum, der dem Leben und Geiste Jesu so ganz und gar widerspricht.

Es ist schon sonderbar, dass wir trotz allem Verrückten und nach 2000 Jahren noch immer als Christen und Christinnen zusammenkommen und im Namen Gottes feiern und uns helfen und Zuversicht verbreiten durch unseren Glauben. Es ist gewisslich nicht die makellose Geschichte der Kirchen und auch nicht unser immer vorbildliches und beeindruckendes persönliches Leben, die dazu führen, dass wir noch immer Kirche sein dürfen. Die Bibel erzählt, dass Gott selbst seinen Geist ausschüttete über die 12  Jünger und dann die Apostel. Die Bibel erzählt, dass die Apostel mit einem Male in verschie-denen Sprachen reden konnten, sodass die Christliche Bot-schaft in der ganzen Welt verstanden werden konnte. 50 Tage nach Ostern, Pentecoste, auf deutsch: Pfingsten. Wir haben gehört, dass schon damals viele Menschen gesagt haben: Die ticken aber komisch, diese Christen. Man muss wohl betrun-ken sein, um an die Auferstehung der Toten zu glauben! Man muss wohl voll süßen Weines sein, um daran zu glauben, dass diese Welt einmal ein Ort des Friedens und der Gerechtigkeit für alle Menschen sein soll. Es ist schon verrückt, dass ausge-rechnet der Apostel Paulus, mit seinem so komplizierten und verdrehtem Schreibstil dafür gesorgt hat, dass damals Ge-meinden aus dem Boden geschossen sind und er für eine weltweit vernetzte Kirche gesorgt hatte. Doch an Paulus schieden sich schon damals die menschlichen Geister. Die einen meinten, Petrus müsse man folgen, die anderen: Der Paulus hat die letztlich richtige Erkenntnis. Wir evangelischen orientieren uns ja vor allem an Paulus; Luther sei´s gedankt: Nicht weil wir die richtige Lehre begriffen haben sind wir Christen, sondern weil wir vertrauen, dass Jesus Gottes Sohn ist; Nur unser Glaube macht uns vor Gott gerecht. Die Katholiken folgen eher dem Apostel Petrus. Schließlich ist der Papst auf dem Stuhl Petri und hat das Sagen.  Also: Die Kirche ist schon ein eigenartiger Club und doch schreibt der Apostel Paulus in seinem Römerbrief für alle:

„So gibt es denn keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus hat Dich frei gemacht!“ Und dann erinnert Paulus daran, wie oft Menschen sich von dem leiten lassen, was menschlicher Geist ist. Und wie anders es ist, wenn man sich von Gottes Geist leiten lässt.

Wenn wir Pfingsten feiern, dann erinnern wir uns genau da-ran: Gottes Geist macht uns zu freien Menschen, selbst wenn uns vieles misslingt und wir manchmal viel zu ernst drein-schauen. Es ist nicht unser Verdienst, sondern Gott hat ein Interesse daran, dass es Menschen gibt, die Lust auf Kirche haben, die sich für die Sache Jesu begeistern lassen. Pfingsten geht ein Ruck durch die Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu. Glaube bewegt: einen selbst und die Dinge, die unmöglich scheinen. Ist das nicht verrückt? Christsein macht Spaß! Pfingsten ist cool!

Doch Kirche ist nicht immer cool. Kirche ist manchmal wie ein träger Tanker, der dahin schleicht und nur schwer auf neuen Kurs zu bringen ist. Da weht der Geist der Tradition. (Ich war mal Lehrer in einer Modefachschule. Da habe ich den Schülern und Schülerinnen meine Berufskleidung gezeigt und sie nach ihrer Meinung gefragt. Das Urteil war vernichtend: Im schwarzen Talar wollen sie frohe Botschaft verbreiten? Wie soll das gehen? Und dann die Musik: Sogar in unserem Gesangbuch sind die neueren Lieder schon kurz vor dem Rentenalter oder weit darüber. Nein, es fällt schwer heute noch Menschen für die Kirche und den Glauben zu begeistern. Das Pfingstfest ist kaum nachvollziehbar oder vermittelbar; Pfingsten ist wie eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten: damals als der Geist Gottes durch verschlossene Türen drang, damals als Petrus predigte oder Paulus seine Briefe schrieb. Damals als täglich tausende hinzukamen, und ihren christlichen Glauben bekannten. Heute muss man sich oft rechtfertigen, wenn man noch in der Kirche ist.

Wo ist der heilige Geist heute? Hat er sich in den Himmel verzogen? Hat er die Nase voll von den traditionellen Kirchen und weht nur in den sogenannten Pfingstgemeinden? Sind wir geistlich arm geworden? Christen sind mittlerweile eine Minderheit in der westlichen Welt. Unsere Stimme ist eine inmitten von Religionen, Weltanschauungen und vielen anderen. Die Mitgliederzahlen in den traditionellen Kirchen sinken weiter. Zumindest bei uns ziehen sich die Kirchen aus etlichen Bereichen zurück. Stellen werden gestrichen. Fast kommt es mir so vor, als würden wir das Gegenteil von Pfingsten erleben: Nicht aus dem Kämmerlein in die Welt, sondern aus dem gesellschaftlichen Geschehen ins stille Kämmerlein zurück. Christsein wird reduziert auf eine private Angelegenheit.

Paulus hält dagegen: Wenn der Geist, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er auch eure sterblichen Geister lebendig machen. Mir kommt es so vor, als wolle Paulus die Christen in Rom ermutigen sich mal so richtig durchpusten zu lassen vom heiligen Geist. Nicht immer sagen: Das haben wir schon immer so gemacht oder das haben wir noch nie so gemacht; statt dessen voller Zuversicht lachen und sich nach dem strecken, was da wohl kommen mag. Geistlich gesinnt sein, so Paulus, ist Leben und Frieden! Der Geist Gottes ist ja nicht tot zu kriegen. Damals nicht und heute auch nicht. Das hat nichts mit uns zu tun, sondern mit dem, was uns im Glauben anvertraut ist: Das ist es doch was unseren Glauben ausmacht: Der Tod unterwirft nicht alles, sondern im Gegenteil: der Geist Gottes unterwirft sogar den Tod. Darum also müssen wir auch in der Kirche manchmal Türen und Fenster öffnen und den Geist hereinwehen lassen. Ich versuche mich immer noch an die vorgeschlagenen Predigttexte zu halten, aber manchmal schüttele ich den Kopf und frage: Wie soll man mit den Texten Leute begeistern? Wenn ich die Wochenlieder sehe, geht es mir oft genau so. Nicht alles Alte ist schlecht, aber Neues kann auch gut sein und umgekehrt. Und ich finde: Wenn der Geist Gottes dem Tod ein Schnippchen schlägt, muss man im Gottesdienst trotz aller Ernsthaftigkeit mindestens einmal lachen können, nicht über andere, sondern selbstbewusst miteinander oder auch über sich selbst. Ich schließe deshalb mit einem Gedicht von Hans Dieter Hüsch:

 

Wir alle sind in Gottes Hand
Ein jeder Mensch in jedem Land
Wir kommen und wir gehen, wir singen und wir grüßen
Wir weinen und wir lachen
Wir beten und wir büßen
Gott will uns fröhlich machen.

Wir alle haben unsre Zeit
Gott hält die Sanduhr stets bereit
Wir blühen und verwelken
Vom Kopf bis zu den Füßen
Wir packen unsre Sachen
Wir beten und wir büßen
Gott will uns leichter machen....

Wir alle haben unser Los
Und sind getrost auf Gottes Floß
die Welt entlanggefahren
auf Meeren und auf Flüssen
die Starken mit den Schwachen
zu beten und zu büßen
Gott will uns schöner machen

Wir alle bleiben Gottes Kind
Auch wenn wir schon erwachsen sind
Wir werden immer kleiner
Bis wir am Ende wissen
Vom Mund bis zu den Zehen / Wenn wir gen Himmel müssen
Gott will uns heiter sehen.

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