Die Schöpfungsgeschichte (1.Mose 1,1-2,4) Predigt am Sonntag Jubilate, 8.5.22

 Liebe Gemeinde,

Wenn wir doch am Ende dieses Tages zurückschauen und sagen könnten: Es war alles sehr gut! Was wir uns und anderen getan haben: Alles sehr gut! Was wir geschaffen oder endlich weg geworfen haben: Alles sehr gut! Wenn wir die Nachrichten um 20:00 Uhr ansehen und die Sprecherin nur Gutes zu verkünden hat: kein Krieg mehr, kein Hunger, keine Gewalt, keine Pandemie; Sogar das Wetter hat genügend Sonne und genügend Regen. Gutes, nicht weil schön geredet wird was eigentlich schlecht ist, sondern weil wirklich alles gut war.

 

Das wäre ein Traum oder? Ein wundervoller Tagesausklang wie in einem guten Märchen: Das Böse hat keine Macht mehr, die Liebe siegt; Mitmenschlichkeit und Respekt überall; und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Die Schöpfungsgeschichte berichtet nur vom Schaffen, vom Entstehen; sie berichtet nicht von Verfall und Tod. Und immer endet der Tag mit Gottes Erkenntnis: es war alles sehr gut!

 

Meine Biologielehrerin auf dem Gymnasium sagte zu uns Kindern: Die Bibel ist ein Märchenbuch. Die Schöpfungsgeschichte ein Märchen. Wer es glaubt nimmt die Forschung nicht ernst. Die Welt ist ganz anders entstanden und dann lernten wir etwas über die Millionen Jahre dauernde Evolution; über Darwin: Das Stärkere setzt sich durch und verdrängt das Schwache. So wurde aus der Amöbe der Mensch. Wir lernten etwas über die Dominanz von Genen. Nur eines lernten wir nicht: Dass das Leben gewollt ist und das diese Erde und alles was auf ihr lebt eigentlich gut gedacht ist.

Natürlich, wir wissen, dass kein Mensch dabei war, der die Schöpfung erlebt hat und das aufschreiben konnte. Wir wissen auch, dass die Dinge dieser Welt nicht in 6 Tagen geschaffen sein konnten. Wir Theologen wissen auch, dass dieser sogenannte erste Schöpfungsbericht erst spät, etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung geschrieben wurde und dass er nicht der einzige Versuch ist, das Dasein zu erklären. Es gibt den Gilgameschepos und viele andere Berichte in den verschiedenen Religionen und Kulturen. Wer diesen biblischen Schöpfungsbericht aufmerksam liest, erkennt aber besonders das nahezu wissenschaftliche Bemühen der damaligen Menschen, den Dingen der Welt eine Ordnung zu geben: Es geschieht nichts zufällig. Gott hat seine Finger oder besser seinen Geist im Spiel: Erst ist Nichts, Wirrsal und Irrsal übersetzt Martin Buber die hebräischen Worte Tohuwabohu; dann lässt Gott Licht und Dunkelheit entstehen, Tag und Nacht, dann pflanzliches Leben, dann wird lange vor Galilei erkannt, dass die Erde einen Platz im All hat und abhängig ist von Sonne und Mond; Leben entsteht im Wasser. Und schließlich sind da die Tiere und der Mensch. Die Bibel erkennt auch, dass der Mensch eine besondere Rolle auf dieser Welt hat. Der Mensch ist das einzige Wesen der Schöpfung, dass von Gott gesegnet wird und das einen Auftrag bekommt: Nämlich die Erde zu bebauen und zu bewahren. Der Mensch ist ein Kulturmensch, fähig selber zu schaffen, zu erfinden. Ein Meisterstück der Schöpfung. Und Gott sagt am Ende des sechsten Tages: Alles ist sehr gut! Doch der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung. Da hat die Bibel meiner Biologielehrerin etwas voraus: Die Krone ist der siebente Tag, der Ruhetag. Gott macht Pause. Pause zum Krafttanken und Zeit, die Schönheit dieser Schöpfung zu genießen. Ich finde es interessant, dass der siebente Tag, der Schabbat, der einzige Tag in diesem Schöpfungsbericht ist, der kein Ende kennt. – Von all dem hatte meine Biologielehrerin keine Ahnung. Nicht weil sie dumm war, sondern weil sie den wert der Bibel nicht begreifen konnte. Für sie gab es nur zählbare und messbare Erkenntnis ohne Staunen, ohne Liebe, ohne Segen; Erkenntnis ohne Ehrfurcht vor der Großartigkeit, die hinter der Biologie steht. Früher als Kind hatte ich nur ein Unbehagen gegenüber der Behauptung meiner Lehrerin, die Bibel sei ein Märchenbuch. Heute weiß ich, dass die Bibel das Sahnestück der Wissenschaft ist, weil sie uns Ehrfurcht und Demut lehrt vor dem, was nicht vom Menschen verfügbar ist. Sie lehrt uns, dass nicht immer der Stärkere siegt, sondern oft die Liebe oder auch der kluge Verzicht. Sie lehrt uns, dass wir uns um Zählbares und Messbares kümmern können und müssen. Liebe und Barmherzigkeit, Vergebung und Verantwortung sind aber nicht messbar und stehen außerhalb der Evolution. Nicht jeder Apfel der perfekt aussieht ist auch der Leckerste und wer unter einer körperlichen oder geistigen Einschränkung leidet ist deshalb nicht minderwertig. Die Bibel lehrt, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Seit dem sechsten Tag der Schöpfung ist kein Platz für Rassismus oder Nationalismus. Seit diesem Tag ist das Leben von Frauen und Männern, Kindern und Alten gleichviel wert. Warum begreifen die modernen Menschen das immer noch nicht? Warum begreift das nicht einmal die Kirche, wenn sie Frauen und Männern unterschiedliche Plätze zuweist? Warum begreift das der russische Patriarch Kyrill nicht, wenn er den Krieg Putins gut heißt und seiner Meinung nach Russen mehr wert sind als andere Völker? Es ist doch der gleiche Schöpfungsbericht. Gott schafft den Menschen, damit er bebaut und bewahrt und nicht zerstört und vernichtet. Der Schöpfungsbericht steht am Anfang der Bibel. Man erkennt dort das wesentlche, selbst wenn man nicht die ganze Bibel durchgelesen hat oder versteht.

 

Wenn ich also heute Abend zurückblicken werde auf diesen Tag, dann weiß ich jetzt schon, dass nicht alles gut gewesen sein wird. Ich werde mich über meine lauten Nachbarn ärgern und über meine Ungeduld. Ich werde die Kriegführenden verfluchen und für die Kranken beten. Ich werde den Kopf schütteln über die unglaubliche Blödheit der Menschen. Sie sind mit Verstand ausgestattet und glauben den simpelsten Parolen.

Aber dann - und das lehrt mich dieser Predigttext vor allem - möchte ich mich erinnern, dass Gott am Anfang eigentlich alles sehr gut geplant hatte. Ich möchte mich erinnern, dass auch in der Schöpfungsgeschichte nicht alles am ersten Tag seinen Platz hatte, sondern langsam wurde: peu a peu! Es muss nicht alles auf einmal gut sein. Zuversicht und Glaube kann auch auf einem kleinen Beet wachsen.

Ich möchte mich erinnern, dass Gott auch mir und Dir einen Platz in dieser Welt gegeben hat, um das eigene zu tun, was diese Erde bewohnbar sein und bleiben lässt; Nicht alles auf einem Mal, aber doch das zu tun, was jetzt möglich ist, Sinnvoll; vielleicht ist die Arbeit in Gottes guter Erde mühevoll aber dann doch auch Schön und Genussvoll. Ihr und ich: wir sind die einzigen Geschöpfe, die von Gott gesegnet sind. Wenn andere das nicht erkennen und meinen die Bibel wäre nur ein Märchenbuch, wenn sie meinen, der Stärkere habe das Recht auf seiner Seite, dann ist das noch lange keinen Grund am eigenen von Gott geschenkten Segen zu zweifeln. Vielleicht hilft das ja, am Ende des Tages ein Glas Wein zu nehmen, in den klaren Sternenhimmel zu schauen und die Weite des Alls zu bestaunen. Und wenn man dann erkennt: Inmitten dieser irren Weite habe ich Mensch einen Platz und eine Aufgabe, Zeit zum Schaffen und Zeit zum Ruhen; Dann werde ich sagen: Mein Gott, nicht alles, aber das ist gut! Danke dass Du mir und anderen das Leben geschenkt hast! Das war echt gut.  Amen!

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