Wenn Du mich liebst: Weide meine Lämmer! Predigt zu Joh.21

15 Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 


 Liebe Gemeinde,

In den letzten Wochen ist für mich etwas verloren gegangen: Vertrauen!

Wladimir Putin hatte gesagt, es gäbe keine Einmarschpläne Russlands in die Ukraine. Das wären westliche Lügen. Und nun wissen wir, wer gelogen hat. Ich hatte gehofft, dass alle Menschen soviel Verantwortung in sich tragen, dass Krieg und Hunger nicht sein dürfen. Und nun leiden die Menschen in der Ukraine, aber leidet vor allem Afrika Hunger, weil der Weizen fehlt. Ich glaube, dass das gewollt ist oder bewusst in Kauf genommen worden ist. Wer vertraut noch dem Russland Putins?

Was für eine Zukunft haben wir in der Völkergemeinschaft, wenn alles Vertrauen verspielt worden ist?

 

Aber auch im Privaten gibt es den Vertrauensverlust, der die Zukunft in Frage stellt:  Wenn ein Partner fremd geht und der andere dadurch so verletzt ist, dass das Vertrauen verloren gegangen ist. Welche Zukunft gibt es da noch?

 

Wie ist es, wenn ein guter Freund gegenüber anderen sagt: Was? Der soll mein Freund sein, den kenne ich ja gar nicht! Wenn jemand einen hintergeht: Kann man da eine Freundschaftaufrecht erhalten? Da gibt es doch eine riesige Enttäuschung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unter diesen Umständen noch Vertrauen vorhanden ist, die Freundschaft eine Zukunft hat.

 

Ich glaube, in der nachösterlichen Geschichte von Petrus und Jesus geht es um Vertrauen. Dreimal hatte Petrus seinen Freund Jesus verraten. „Ich kenne ihn nicht!“ hatte er gesagt, als Petrus gefragt wurde, ob er nicht auch einer dieser Nachfolger von Jesus sei. Dreimal Verrat an der Freundschaft! Ich finde es erstaunlich, dass Jesus sich nicht abwendet, sondern noch einmal das Gespräch mit Petrus sucht. „Liebst Du mich mehr als alle anderen?“ fragt Jesus. Für mich ist das die Kontrollfrage: Du hast mich verraten, Petrus! Wenn es mit uns eine Zukunft haben soll, dann musst Du mir jetzt ehrlich antworten. Petrus antwortet: „Du weiß, dass ich Dich lieb habe!“

Schon nach der ersten Antwort vertraut Jesus dem Petrus die christliche Gemeinde an: „Weide meine Lämmer!“ Dreimal geht das so. Dreimal Verrat und nun dreimal die Kontrollfrage, ob Jesus Petrus wirklich vertrauen kann. Jesus übt Barmherzigkeit (Misericordias Domini); er wagt das Vertrauen, baut über den Graben der Enttäuschung eine Brücke, wie wir es vielleicht nicht tun würden.  Mehr noch: Jesus vertraut dem, der eine schuldbeladene Biografie mit sich trägt, andere Menschen, die christliche Gemeinschaft an. Die Einträge in das polizeiliche Führungszeugnis, die Schwächen in der Personalakte: All das zählt nicht mehr! Ich finde das sehr risikoreich. Würden wir ein solches Vertrauen wagen? Bei uns wird doch eher geschaut, wo jemand Fehler begangen hat, das wird dann gnadenlos breit getreten.

 

Jesus ist anders! Dreimal sagt Jesus, dass Petrus die Gemeinde weiden soll. Petrus freilich ist enttäuscht, dass Jesus dreimal fragt: Liebst Du mich! Er überhört dabei anscheinend, was ihm Jesus dann sagt: Erst soll Petrus die Lämmer weiden, die Jungen, die Neuhinzugekommenen; dann zweimal die Schafe. Im Griechischen stehen dabei für das Wort „Weiden“ jeweils andere Verben. Zunächst heißt es sinngemäß: Führe die Lämmer dahin, wo sie Nahrung finden. Natürlich ist das eine Bildersprache: Petrus soll sich um die kümmern, die neu zur christlichen Gemeinde gekommen sind. Er soll ihnen das geben, was sie am dringendsten brauchen: Nahrung! Lämmer wollen groß werden, wachsen, stark werden für alle Lebenserfahrungen. Was bedeutet das für unsere Kirche, wenn wir junge Leute bei uns haben. Wie weiden wir sie? Finden sie wirklich Nahrung für die Seele? Brauchen sie unsere Liturgie und unsere Lieder? Wieviele Lieder im Gesangbuch haben Texte aus dem 17. Jahrhundert. Es ist eine fremde Sprache. Nicht die Sprache der Lämmer, sondern der Alten. Oder erwarten wir, dass die Jungen Menschen, die Lämmer, sich schon anpassen werden? Oder haben wir aufgehört, die Lämmer zu weiden, ihnen das zu geben, was sie brauchen? Jesus vertraut Petrus und gibt ihm den Auftrag, sich um die zu kümmern, denen unsere Art zu glauben, unsere kirchliche Sprache, unsere Symbole vielleicht gar nicht vertraut sind. Eine riesige Aufgabe für Petrus und für uns.

 

Dann das zweite Weiden: Weide meine Schafe! Das sind die älteren in der Herde; wir vielleicht. Das zweite Wort bedeutet weniger Nahrung geben, sondern eher „behüten“ oder „bewahren“. Petrus soll die bestehende Gemeinde bewahren. Wovor? Vor Anfechtung im Glauben? Davor, das Zentrum des Glaubens, nämlich Jesus Christus, zu verlassen? Weiden heißt vielleicht auch das Vertrauen in Gott zu bewahren, gerade wenn die Welt sich scheinbar schneller dreht und wir mit etlichen Entwicklungen nicht Schritt halten können; Vertrauen bewahren, erst recht, wenn die Fragen größer werden nach dem Sinn und nach dem Tod. Die Schafe gut zu weiden, zu behüten: Auch das ist eine große verantwortungsvolle Aufgabe.

 

Schließlich fordert Jesus Petrus genau wie bei den Lämmern (mit dem gleichen Wort für „Weiden“)auf, nicht nur den Lämmern, sondern auch den Schafen, etwas zu beißen zu geben.

 

Ich beneide Petrus nicht. Er soll für alle und alles Verantwortung tragen. Wie soll er das schaffen? Und wer wird ihm folgen nach seiner Verratsgeschichte? Wer wird ihm vertrauen?

Wer wird einer Kirche vertrauen, die in ihrer Geschichte soviel Schuld auf sich geladen hat. Wer glaubt noch den obersten Kirchenvertretern, wenn immer wieder Fälle auftauchen, in denen mehr die Liebe zum eigenen Machterhalt deutlich wird, als zu dem was Menschen wirklich brauchen?

 

Das dürfte feststehen: Wenn Menschen Macht, Geld, eigenen Vorteil oder Image mehr schätzen als alles andere, dann wird sich kein Vertrauen aufbauen lassen. Deshalb fragt Jesus dreimal nach: Liebst Du mich? Das Bekenntnis zu Jesus Christus, wenn es ernst gemeint ist, kann die Grundlage sein für Vertrauen und Zukunft. Die Liebe zu Jesus Christus ist freilich kein frommes Lippenbekenntnis, sondern hat einen Auftrag zur Folge: Kümmere Dich um die Menschen. Weide meine Lämmer, weide meine Schafe. 

Schau nach, was die Menschen brauchen und was Du davon hast, gib ihnen. Schau nach, wo Gefahren lauern. Wo du es vermagst, tu das Nötige, um Menschen zu schützen und zu bewahren. Vertrauen ist kostbar. Und Wölfe gibt es immer mehr: in der Natur, aber auch in der Geschichte der Menschen.

 

Ich glaube, diese nachösterliche Geschichte ist nicht nur für einen, nicht nur für Petrus und kirchliche Oberhäupter geschrieben, sondern für alle Christen und Christinnen. Menschen behüten und versorgen ist unsere Aufgabe und: Vertrauen wagen dürfen wir alle, - getrost!

Amen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang