Fürchte Dich nicht! Predigt zu Lukas 1,26-38 4.Advent 2021

DIE ANKÜNDIGUNG DER GEBURT JESU

26Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, 27zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. 28Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! 29Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? 30Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden.31Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. 32Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,33und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.34Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß? 35Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. 36Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. 37Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. 38Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.


Liebe Gemeinde

Ihr habt einen Ablauf für unsere Gottesdienste in der Hand. Liturgie nennen wir das. Der geordnete und halbwegs durchdachte Ablauf eines Gottesdienstes. Ihr sollt Euch zurecht finden. Wir wollen Euch nicht verwirren. Für den ordentlichen Ablauf des Gottesdienstes ist der Pfarrer zuständig. So war das auch bei dem dem alten Zacharias. Er war Priester am Tempel von Jerusalem. Er war an der Reihe, den ordentlichen Ritus zu leiten. Doch dann sah er einen Engel neben dem Altar. Überraschung der harten Sorte: Selbst er, einer der hohen Geistlichkeit, erfahren im Amt bekam einen Schreck. Wenn man nicht von Gott redet sondern tatsächlich live mit Gott, dann kriegt man mehr als eine Gänsehaut. Deshalb sagte der Engel auch als erstes zu Zacharias: Fürchte Dich nicht!

Die Botschaft des Engels machte es aber nicht viel besser: „Zacharias!“, sagt der Engel, „Deine Frau Elisabeth ist zwar hochbetagt und konnte nicht Mutter werden, aber jetzt wird sie schwanger werden. Sie wird einen Sohn bekommen und den sollst Du Johannes nennen.“ Zacharias wurde im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Doch was Gott sich in den Geist gesetzt hat, das zieht er auch durch.

 

Wenig später kommt wieder ein Engel auf die Erde. Es ist Gabriel, der Chefengel. Er kommt zu Maria. Auch Maria erschreckt sich fürchterlich. Wieder sagt der Engel: „Maria fürchte Dich nicht!“ Auch Maria wird gesagt, dass sie ein Kind bekommen wird. Sie soll es Jesus nennen.

 

Sowohl bei Zacharias und seiner Frau Elisabeth, als auch bei Maria und Josef stehen große Veränderungen im Leben an. Veränderungen sind oft mit Furcht verbunden. Gerade bei Maria und Josef ist noch so wenig geregelt: Sie sind verlobt. Maria ist eine sehr junge Frau, fast noch ein Mädchen. Und nun steht das Leben Kopf. Auch das wäre ein Grund sich zu fürchten. Die Leute werden tuscheln: Was sind das für junge Leute, noch nicht verheiratet und schon schwanger? Auch das Getratsche der Leute kann manchmal fürchterlich sein. 

 

9 Monate später wird das Kind geboren. Lukas erzählt schon wieder von einem Engel, der dieses Mal die Hirten auf den Feldern von Bethlehem mitten in der Nacht erschreckt. Und wieder heißt es als erstes: Fürchtet Euch nicht!

 

 Dieses Erschrecken der Menschen vor Veränderungen und das beruhigende „Fürchtet Euch nicht!“ begleiten die Geschichte von Jesu Geburt. Vielleicht kann man auch sagen: Überall wo Gott in das Leben eines Menschen tritt, verändert sich das Leben. Und Gott tritt nicht nur in das Leben von Zacharias oder Maria oder den Hirten, Gott tritt in das Leben von uns allen, denn in Jesus wird Gott Mensch mitten unter uns. Deshalb kann und wird es nicht so weitergehen, wie bisher. Am 4. Advent, kurz vor dem Christfest steht die Frage im Raum, ob wir denn vorbereitet sind? Vorbereitet darauf, dass sich auch unser Leben ändern wird, wenn wir Gott vertrauen, wenn wir ihm zuhören, wenn er uns etwas zu sagen hat? Wollen wir das überhaupt? Oder haben wir uns eingekuschelt in unser bisheriges Leben und sagen: Es ist alles gut so. 

 

Aber es ist eben nicht gut so. Das Klima ächzt, Flüchtlinge suchen ihr Heil in der Fremde und erleben dabei oft großes Unheil. Die Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit auch in Deutschland nimmt zu. Die Liste will kein Ende nehmen und man kann es auch schon nicht mehr hören.

 

In diese Welt, in unser Leben kommt Gott und sagt uns: Fürchtet Euch nicht! Fürchtet Euch nicht, wenn ihr merkt: Da muss sich was ändern und ich kann einen Beitrag leisten, dass es besser wird. Viele sagen: Ich kann ja doch nichts machen. Ich bin viel zu unbedeutend für echte Veränderungen in der Welt.

Die Geschichte von Maria wird leider oft sonderbar verklärt dargestellt: Maria die Jungfrau. Maria die Gehorsame. Maria, die als Mutter ihre Rolle erfüllt, aber mehr eben auch nicht zu sagen hat und sagen darf. Es ist das Verdienst der Frauen in unserer katholischen Schwesterkirche, die sich als Bewegung Maria 2.0 gegen dieses einseitige Bild wenden. Sie haben erkannt, dass aus der scheinbar bedeutungslosen Maria eine Namensschwester von Mirjam wird. Sie hatte bei der Befreiung aus Ägypten mit Pauken und Kampfesgesang die Frauen angeführt. Die Bibel erzählt im Lukasevangelium wie auch Maria nach der Begegnung mit dem Engel ein Lied anstimmt:

Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Seine Barmherzigkeit ist bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihrem Sinn. Die Gewaltigen stösst er vom Thron.

Diese Maria in der Bibel ist anders als die Rolle der Frau, in der die Kirche Frauen nichts sagen ließ. Maria verkündigt. Warum dürfen in vielen Kirchen Frauen immer noch nicht auf die Kanzel? Den Männern in der Kirche, die das oft immer noch nicht gut heißen, kann man nur zurufen: Fürchtet Euch nicht, sondern seht die große Chance, die Gott Männern und Frauen in seiner Kirche gibt.

Das Lukasevangelium beginnt seine Geschichte also bei den Menschen, die unbedeutend zu sein scheinen: Zacharias und Elisabeth sind viel zu alt; Maria und Josef sind viel zu jung; die Hirten auf dem Feld sind wenig geachtete Leute. Keiner von ihnen hat sich Gottes Ruf widersetzt. Sie tragen alle dazu bei, dass Weihnachten der Beginn einer neuen Zeit wird. 

 

Das will so gar nicht zu unserem Weihnachten passen. Weihnachten ist das Fest der großen Traditionen. Da darf sich eigentlich nicht viel ändern. Das haben wir schon immer so gemacht. Es sind meistens die gleichen Lieder, es ist immer das Hauptgeschäft des Einzelhandels, es ist bei vielen Menschen das Familienfest schlechthin und es gibt auch immer das Gleiche zu Essen. Und auch ich möchte auf einen Tannenbaum nicht verzichten, selbst wenn es hier einer aus schädlicher  Plastikproduktion ist.

 

Aber das ist eben eigentlich nicht in Ordnung. Genauso wenig, wie es nicht in Ordnung ist, dass Weihnachten viele Menschen sich besonders alleine fühlen. Die Selbstmordrate ist besonders hoch und statt des erhofften Glücksgefühls erleben viele Streit und Unglück.

 

Nein, wir können das nicht alles ändern. Aber wir sollen doch wohl endlich aufhören, uns zu fürchten und notwendige Maßnahmen gleich zu verteufeln. Wir können aufmerksam werden für die Stimme Gottes, die uns aufruft, dem Raum und Gehör zu geben, der als Mensch mitten unter uns tritt: Der Friedefürst genannt wird. Sohn des Höchsten. König über das Haus Jakob in Ewigkeit. Den Maria Jesus nennen wird, was heißt: Gott rettet.

Was können wir also dazu beitragen, dass dieser Jesus tatschlich wirken kann? Mag sein, dass es schon damit beginnt wie wir uns anreden. Gott redet Maria sehr wertschätzend an: Du Begnadete. Wir reden wir eigentlich Menschen an? Noch haben wir ein bisschen Zeit uns das zu fragen. Noch haben wir ein bisschen Zeit unsere Schubladen voller Vorurteile und Unachtsamkeiten zu entmisten. Aber dann ist Weihnachten. Es soll das Fest der Liebe werden, der Barmherzigkeit und des Friedens. Für alle! Fürchtet Euch also nicht. Amen!

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