Siehe dein König kommt Predigt am 1. Advent über Jeremia 23,5-8

 Liebe Gemeinde,

 

Tochter Zion freue Dich…. Haben wir eben gesungen. Nach Jerusalem kommt ein König. Alles wird besser. Die Vorbereitungen laufen. Die Erwartungen sind groß. Friede wird sein. Kein Hass mehr. Keine Verfolgung.  Gerechtigkeit für alle Menschen. – Advent: Was für ein großes Wort!

 

1897 schrieb Theodor Herzl in Wien das Buch: „Der Juden-staat“. Herzl war zu dem Schluss gekommen, dass nach all den Verfolgungen von Juden in Russland und in Deutschland, in Österreich und anderswo, es an der Zeit sei, über einen eigenen jüdischen Staat nachzudenken. Er hatte als Ort Ar-gentinien oder Palästina vor Augen. Sein Buch war sehr realis-tisch und voll Hoffnung: Endlich Frieden für die Juden. Ein gutes Land. Eine gute Regierung. Ein befriedetes Miteinander der Menschen.  Staat und Religion wollte er trennen. Männer und Frauen sollten gleich behandelt werden. Die einheimi-sche Bevölkerung sollte freien Zugang zu der Gesellschaft haben. Allerdings traute er der einfachen Bevölkerung nicht zu, verantwortliche Politik zu machen: „Die Massen sind mehr noch als die Parlamente jedem Irrglauben unterworfen, jedem kräftigen Schreier zugeneigt!“ Es sollte entweder ein gerechter König regieren oder eine Elite der Besten, die dann für Recht und Gerechtigkeit sorgen sollten. Die Menschen sollte aber an dem Aufbau der Gesellschaft mitwirken: unqualifizierte Arbeitskräfte sollten 2x 3,5 Stunden konzen-triert arbeiten. Die gleiche Zeit sollten sie für Erholung, Familie und Fortbildung haben. 

Die zionistische Bewegung war geboren und die erste neue jüdische Stadt in Palästina wurde bei einem historischen Ausgrabungshügel gebaut, einem Tel. Auf den alten Verheißungen des alten Testamentes sollte wie ein Frühling neues modernes Leben erstehen. Frühling heißt auf Hebräisch: Aviv. So entstand Tel Aviv. Alt-Neuland. Ein Ort für die Sehnsucht nach neuem Leben, nach einem Zusammensein aller Menschen in Frieden und Gerechtigkeit, aufbauend auf den Verheißungen Gottes an das jüdische Volk. Es dauerte nochmals 50 Jahre, bis zur Staatsgründung Israels. Ein Traum für Juden aus aller Welt keinen Antisemitismus mehr ertragen zu müssen. Und doch ein Traum, der all zu oft inmitten ungelöster Probleme aufwacht.

 

2500 Jahre zuvor merkt der Prophet Jeremia, dass die Juden gefährdet sind. Ausländische Truppen aus Babylon stehen vor den Toren Jerusalems. Aber das ist nur die eine Seite der Gefahr. Jeremia klagt die eigene politische und geistliche Führung des Landes an. Sie sagen, dass alles schon nicht so schlimm kommen wird. Sie sorgen sich um die eigene Gerechtigkeit, aber nicht um die für alle Menschen. Jeremia erkennt, dass die Ungerechtigkeit und das Rumgeeiere der Regierung den Untergang bedeutet. Da verkündet Jeremia folgende Worte, die heute Predigttext sind:

 

Jer. 23,5 -8

 

Was für ein Traum! Was für eine Verheißung: Ein neuer König wird kommen, der mit Recht und Gerechtigkeit regieren wird. Die Menschen sollen sicher wohnen können. Die beiden ehemaligen Staaten Israel und Juda sollen wieder vereinigt werden. Es soll ein Land sein, dass eine gute Zukunft hat auch für die kommenden Generationen. Man wird sich auf Gott besinnen und in dem König erkennen, dass der Herr unsere Gerechtigkeit ist!

Doch der Traum erfüllt sich zunächst nicht. Juda gerät ins babylonische Exil. Erst etwa 40 Jahre später beginnt ein Neuanfang im eigenen Land. Die einen lassen sich antreiben von Jeremias Worten; sie warten auf einen König der gerecht regiert. Aber wie so oft gewinnen die die Oberhand, die ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Israel wird kein gerechter und sicherer Ort. 

 

Wieder 500 Jahre später tritt in Israel ein Wanderprediger auf. Sohn eines Zimmermanns. Er verkündet wieder diesen biblischen Traum von Recht und Gerechtigkeit, vom Reich Gottes. Er sammelt 12 einfache Männer um sich. Er kümmert sich um Verachtete, er diskutiert mit den gebildeten Theologen. Er predigt Frieden aber auch Vergebung. Er redet nicht nur vom Frieden, er handelt auch danach. Jesus wird er genannt. Auf hebräisch Joschua. Wie der, die Israeliten ins gelobte Land über den Jordan geführt hatte. Joschua, das heißt: Gott rettet.

Viele sagen: Bei Jesus hat man das Gefühl, das Reich Gottes ist angebrochen. Jesus ist der neue König, der von Gott gesandt ist: Der Messias, - nun wird alles gut. Dreißig Jahre wird Jesus alt. Dann stirbt er jämmerlich am Kreuz. Schon wieder zerbricht der biblische Traum. Viele wenden sich enttäuscht ab. Es ist ja doch immer wieder das gleiche. Es gibt keine Hoffnung. Es gibt keinen Advent. Gott hat sich versteckt. Die Mächtigen haben das sagen, nicht aber Recht und Gerechtigkeit.

 

Die Enttäuschten lassen sich nicht gerne regieren. Sie sind skeptisch gegenüber Kirche und Religion, haben Vorbehalte gegenüber allem, was von oben kommt. Sie glauben und verbreiten eigene Wahrheiten, auch wenn das zu Lasten anderer geht. Das Jetzt zählt und nicht die Zukunft. Advent wird ein flaches Wort. Weihnachten kommt nicht der gerechte König, sondern der Weihnachtsmann. „Jingle Bells“ statt „wie soll ich dich empfangen!“ Sie schaffen sich eine eigene Welt, auch wenn sie dem Abgrund entgegen taumeln.

 

Nur einige zünden eine Kerze an. Sie feiern Advent. Ein Leben ohne Hoffnung wäre unerträglich. Eine Kerze wird zunächst angezündet. Jeremias Worte: Siehe, es kommt die Zeit! „Wie soll ich Dich empfangen und wie begegnen dir. O aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier. O Jesu, Jesu setze mir selbst die Fackel bei, damit was dich ergötze mir kund und wissend sei!“ Wir Christen bereiten uns im Advent vor auf den Geburtstag der Liebe; der Liebe Gottes für diese so oft geschundene und wahnsinnige Welt. Unser Blick gerät dabei nicht nur auf das Große. Auch eine kleine Krippe soll nicht unseren Augen und dem Herzen entgehen. Wir Christen glauben daran, dass die Hoffnung, der Traum auf ein friedliches Zusammenleben nicht aus ist; nicht für uns und nicht für unsere Kindeskinder. Wir glauben daran, dass es Stadt und Land gut geht, wenn wir unseren Kompass des Lebens und Handelns nach Gott und Jesus Christus ausrichten:

 

O wohl der dem Land o wohl der Stadt

So diesen König bei sich hat, wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein.

 

Advent 2021. Was heißt das also? Auf wen warten wir? Auf was hoffen wir? Jeremia erwartete eine neue Regierung. Das tun wir in Deutschland ja auch. Die Hoffnungen sind groß, dass Klima und Energie, Corona und Zuwanderung, Frieden und Gerechtigkeit Probleme sind, die gelöst werden. Wir erleben Rückschläge, wie jetzt gerade bei der neuen Virusvariante. Wir brauchen deshalb Hoffnungsträger genauso wie das Ohr für die Propheten., die seit langem vor Leichtsinn und Überheblichkeit gewarnt hatten.  Jeremia hat bei seinen Worten auch gleich Gegenwind bekommen. Das war für alle Beteiligten nicht gut. Für mich ist die Adventszeit darum auch eine Zeit, die eigenen Hoffnungen und Erwartungen zu sortieren, zuzuhören und vorsichtig mit dem Licht umzugehen, dass nun Sonntag für Sonntag mehr angezündet wird. Es ist die Zeit, mich selbst aber auch die anderen wahrzunehmen. Es ist die Zeit biblische Verheißungen auf mich wirken zu lassen:

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit üben wird.

Und dann werde ich überlegen, was ich tun kann, damit dieser König Unterstützung bekommt. Ich wünsche uns allen einen gesegneten Advent. Amen!

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