Predigt am Totensonntag über 5.Mose34,1-8 "War das jetzt alles?"

 1 Und Mose stieg aus den Steppen Moabs auf den Berg Nebo, den Gipfel des Gebirges Pisga, gegenüber Jericho. Und der HERR zeigte ihm das ganze Land: Gilead bis nach Dan 2 und das ganze Naftali und das Land Ephraim und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer im Westen 3 und das Südland und die Gegend am Jordan, die Ebene von Jericho, der Palmenstadt, bis nach Zoar. 4 Und der HERR sprach zu ihm: Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich will es deinen Nachkommen geben. – Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber du sollst nicht hinübergehen. 5 So starb Mose, der Knecht des HERRN, daselbst im Lande Moab nach dem Wort des HERRN. 6 Und er begrub ihn im Tal, im Lande Moab gegenüber Bet-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag. 7 Und Mose war hundertzwanzig Jahre alt, als er starb. Seine Augen waren nicht schwach geworden, und seine Kraft war nicht verfallen. 8 Und die Israeliten beweinten Mose in den Steppen Moabs dreißig Tage, bis die Zeit des Weinens und Klagens über Mose vollendet war.

Liebe Gemeinde,

am Ende des Kirchenjahres erinnern wir uns der Verstorbenen aus dem vergangenen Jahr. Totensonntag nennen wir diesen Tag. Wir verlesen die Namen derjenigen, die von uns gegangen sind. Wir zünden für sie eine Kerze an. Erinnerungen werden wach. Oft tut diese Erinnerung weh. Aber sie tut dadurch manchem letztlich auch gut.

 

Am Ende des Lebens der Tod: War das jetzt alles? Oder: Kommt da noch was?

Am Ende des Lebens: Rückschau auf den Lebensweg: Geboren, gefährdet oder behütet, voller Aufgaben und Pläne, Erfolge und Scheitern. Hilfreiche Weggefährten und leider auch törichte und meckernde Nervensägen, die man scheinbar nie los wird. Das Leben ist wie eine Wanderung. Oft in der Wüste, aber auch von Quelle zu Quelle. Ziele voller Verheißung vor Augen und im Herzen. Am Ende steht trotzdem der Tod.

 

Am Ende der Thora, der 5 Bücher Mose, steht die Geschichte von Mose Tod. 120 Jahre alt ist er. Er hat eine bewegte Lebensgeschichte auf dem Buckel. Er ist immer noch einer der fitten Alten. „Die Augen waren noch nicht schwach und seine Kraft war noch nicht verfallen!“ heißt es im Predigttext. Welch ein Geschenk, wenn man mit 120 Jahren noch auf einen 800m hohen Berg steigen kann und mit eigenen Augen in der Ferne das Meer sieht; wenn man alle einzelnen Landstriche mit Namen erinnern kann: das Südland, den Negev, Gilead, Dan, Naftali, Ephraim und Manasse. Da muss man eigentlich sehr dankbar sein. Aber Mose sagt am Ende der 5 Bücher Mose nichts. Er kommt nicht mehr zu Wort. Am Ende der Thora, am Ende des Lebens hat Gott das letzte Wort. Und Gott sagt nicht: Das war es jetzt lieber Mose! Im Gegenteil: Der Herr zeigte ihm das ganze Land: „Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich will es deinen Nachkommen geben. Du, Mose hast es mit deinen Augen gesehen.“

Gott legt großen Wert auf Zuverlässigkeit. Siehe, ich habe mein Wort gehalten! Alles, wofür Du Dich einst auf den Weg gemacht hast, weshalb du das Leben bekommen hast, hat ein Ziel. Es hat Umwege gegeben und Sackgassen, Durststrecken und manche Beschwerlichkeit. Aber am Ende ist nichts vergeblich gewesen, wofür du gelebt hast, denn ich habe dich begleitet. Du hast versucht auf mich zu hören: Im Dornbusch und in der Wolkensäule; du hast den Tanz um das goldene Kalb nicht mitgemacht. Du hast mich gesucht und ich habe mich finden lassen. Meine Gebote waren schwer für dich, doch du hast sie getragen. Und nun siehst Du wofür Du das alles gelebt hast.

Am Ende des Lebens steht der Tod, aber auch der Ausblick auf Gottes Verheißung. Was wäre das für ein Geschenk, wenn man so wie Mose sterben könnte: Geistig wach, mit sehenden Augen und kühnen Kräften und mit einem Glauben voller Zuversicht, das alles einen Sinn hatte und nicht vergeblich war, dass Gott es letztlich gut mit einem meint. Das man das Land sieht, in dem die Kinder und Enkel eine sichere Zukunft haben können.

 

Die meisten von uns werden aber nicht 120 Jahre alt werden und vielleicht wollen wir das auch gar nicht. Viele sind im Alter auch nicht mehr fit. Die Kräfte lassen nämlich sehr wohl nach und das Auge wird schwächer. Die Berge, die wir erklimmen, sind lange nicht mehr so hoch wie sie früher vielleicht einmal zu schaffen waren. Am Ende stehen wir nicht auf dem Gipfel des Lebens. Am Ende kehren wir zur Erde zurück aus der alles Leben einmal entstanden ist.

 

Man müsste Mose einmal fragen können, wie er es angestellt hat, so zu leben und so zu sterben. Er wäre ein Vorbild für Lebenskraft und Durchhaltevermögen. Er wäre eine Werbeikone für die ständige Gesundheitswerbung für Ältere vor der Tagesschau. Er wäre ein Heiliger an dem man seinen Glauben ausrichten könnte. Er würde auf einem Sockel stehen, höher und größer wie wir alle. Glaubwürdiger wie alle Bismarcks oder andere die man zu überlebensgroßen Denkmälern verewigt hat oder die sich selber haben verewigen lassen.

 

Am Ende der Thora, am Lebensende des Menschen Mose gibt es aber kein Denkmal. Keinen Personenkult. Mose stirbt. Mose durfte alt werden, doch auch für ihn gibt es eine Grenze. Er betritt das Ziel nicht und die Altersgrenze gilt auch für ihn. Mose ist nicht Gott. Doch Gott selber begräbt ihn im Tal. Was für eine sensible Bibelstelle! Wo kein Mensch zur Seite stehen kann ist Gott doch da, ganz nahe! Es gibt kein bekanntes Grab, keine Pilgerstätte. Es gibt keinen Ort, an dem die Erinnerung die Geschichte alleine schreibt. Am Ende steht nicht die Person im Mittelpunkt, sondern einzig das Vertrauen, dass Gott den Weg eines Menschen begleitet bis in den Tod. Kein Mensch ist verloren, auch wenn wir - wie Mose - in der Fremde, im Ausland sterben; wenn wir nicht in der Erde beerdigt werden, die wir Heimat nennen. Und am Ende steht die Zuversicht, der Ausblick. Für das Volk Israel ist das gelobte Land diese Zuversicht. Es ist das Land in dem sie ohne Verfolgung und ohne Krieg leben können sollen. Das Land in dem Milch und Honig fließen. Wir wissen alle, dass das Land Israel faszinierend ist, aber es noch lange nicht voll Frieden und Gerechtigkeit ist, wie das Ziel, das Gott Mose einst verheißen hat.

Lebensziele werden oft nicht erreicht: Da freut sich einer auf gute Jahre im Ruhestand und wird doch krank oder stirbt. Da träumt einer von einer glücklichen Familie, doch es kommt ganz anders. Da baut sich einer den Lebenstraum auf la Palma und die Lava begräbt alles unter sich. Manchmal stirbt das Leben schon vor dem Tod. Dann möchte man heulen und sich verstecken, weil man denkt: Nun ist es zu Ende! So ist es den Israeliten wohl gegangen, als Mose starb. "Sie beweinten ihn dreißig Tage. So lange war die Zeit des Weinens und Klagens." heißt es im Predigttext. Dann aber haben sie sich aufgerafft. Sie vertrauten auf Gottes Verheißung, dass mit dem Tod eines Menschen nicht alles aus ist. Die Israeliten zogen weiter. Leben heißt weiterwandern auch mit der Wehmut um unsere Verstorbenen. Ich möchte mit den Worten eines Liedes aus unserem Gesangbuch schließen:

 

(EG 395)

Vertraut den neuen Wegen auf die der Herr uns weist;

Weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt.

Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand,

sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.

 

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit!

Gott will, daß ihr ein Segen für seine Erde seid.

Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht,

der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.

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