Predigt: Klagelieder 3 Gottes Barmherzigkeit ist noch nicht aus

 Liebe Gemeinde,

wisst ihr woran ich merke, dass ich alt werde? Nein? Ich fange an von meinen Krankheiten zu reden! Wie geht´s? werde ich gefragt und ich erzähle von den Schmerzen in der Schulter, der weniger werdenden Kondition und so weiter. Und ich merke auch bei meinem Gegenüber, dass er alt wird, denn er geht gar nicht auf mein Klagelied ein, sondern fängt seinerseits an zu erzählen, bei welchen Ärzten er genau das gleiche und bei welchen Ärzten er sich sogar noch behandeln lässt. Ganz alt ist man, wenn man meint, früher sei alles besser gewesen. Und so jammern wir denn manchmal vor uns hin. Wir wissen, dass wir nicht gesünder werden im Alter. Das gehört zum Leben dazu. Und die Gebrechen sind auch nicht klein zu reden. Nur: Wenn wir nur immer klagen, verlieren wir schnell Lebensqualität.

Dabei gibt es ja Menschen, die haben wirklich Grund zum Klagen. Ein Freund von mir hat Krebs. Als der Arzt ihm das sagte, hat es ihn umgehauen. Und seine Familie auch. Eine Katastrophe! Das ganze Leben wird da in Frage gestellt. Ist nun alles aus? Oh, mein Gott!

 

Die Bibel kennt solche Katastrophen: Das Buch Hiob ist voll von persönlichen Desastern. Aber auch das Volk Israel erlebt als Ganzes Tragödien. Zwei Ereignisse haben sich in das Herz des jüdischen Volkes besonders eingebrannt: Das eine ist der Holocaust, der Versuch der Nazis die Juden auszurotten. Bei jedem Antisemitismus kommt die Frage auf: Hört denn das niemals auf? Lernen die Leute denn wirklich nichts dazu?

Das andere ist die Vernichtung Jerusalems im Jahr 587 v. unserer Zeitrechnung und die anschließende Verschleppung großer Volksteile nach Babylon. In dieser Zeit sind die Klagelieder Jeremias entstanden. Sie stehen im ersten Teil der Bibel, eingepfercht zwischen den Propheten Jeremia und Ezechiel; den mutigen Männern, die die Katastrophe haben kommen sehen und vergeblich vor ihr gewarnt hatten. Und das jüdische Volk erinnert diese Klagelieder und fragen: Lernen wir dazu? Lernen wir auch Gottvertrauen?

 

Sie stehen aber nicht nur für das Gedächtnis der Juden. In den Klageliedern finden alle diejenigen  Worte, denen es im eigenen Leben die Sprache verschlagen hat. Sie reden nichts schön. Die biblischen Klagelieder hadern auch mit Gott. Die Klagelieder sagen nicht, es gibt keinen Gott. Sie beschreiben vielmehr eine dunkle Seite Gottes. Sie machen Gott für das Elend verantwortlich, so wie wir oft auch: Warum lässt Du das zu Gott? Wieso strafst Du gerade mich? Was habe ich denn getan, dass es mir so schlecht geht. Die biblischen Klagelieder haben 5 Kapitel, aber ich glaube es sind in Wirklichkeit Tausende…Geschichten, die von Krankheit und verlorener Heimat erzählen, von Existenzängsten und der Sorge, den Sinn des Lebens verloren zu haben bis in jecen neuen Tag hinein!

Als Seelsorger sollen wir zuhören und nicht mit vorschnellen Antworten kommen. Manchmal muss das Klagen sein. Genauso wie das Aushalten dessen, der da gerade gegenüber sitzt. Und manchmal erhebt der, der da großes Leid zu tragen hat, irgendwann den Kopf, sieht mich an: Du bist noch da? Und er spricht so ähnlich wie die Worte, die uns heute Predigttext sind:

 

Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, 23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. 24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. 25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. 26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. 31 Denn der Herr verstößt nicht ewig; 32 sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte. 33 Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.

 

Gott ist nicht ein böser Dämon, sagen die Klagelieder. Das will ich auch nicht glauben, trotz aller Fragen an Gott.  Aber Gott hat auch nicht gesagt, dass das Leben immer glatt verlaufen wird. Ich will glauben, dass Gottes Barmherzigkeit noch kein Ende hat. So etwas kann nach der Klage nur der sagen, der seinen Glauben an die gute Seite Gottes, an seine Güte und Treue tief im eigenen Herzen trägt. Deshalb haben wir gehört: Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele. Darum will ich auf ihn hoffen. Darum geht es also: Wenn uns große Not trifft, haben wir Grund zum Klagen, aber wir müssen auch wieder den Kopf heben und von der Hoffnung reden. Nur der kann das Licht in der Dunkelheit sehen, der die Augen oder das Herz aufmacht. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Manche Menschen sind so tief gläubig, dass es mir scheint, sie kann kaum etwas wirklich ganz aus der Bahn werfen. Anderer brauchen vielleicht Dich oder mich zum Zuhören der Klage, bis sie endlich den Blick heben und erkennen: Es wird nicht alles aus sein, denn Gottes Güte wird bei mir nicht aufhören.

 

Ich habe in Sigmaringen in der Rufbereitschaft des Krankenhauses mitgearbeitet. Meistens ging es um Sterbebegleitung aber oft auch um Beten und Zuhören bei Schwerkranken. Wir Seelsorger haben von der Klinik kein Entgelt bekommen. Aber die Klinik hatte die 24 Stunden Rufbereitschaft eines Seelsorgers in ihre Werbung aufgenommen. In der Onkologie sagte ein Arzt, dass Krebspatienten eine bessere Chance auf Genesung hätten, wenn sie gläubig wären und in der Not in ihrer seelischen Zuversicht gestärkt würden. Klagelieder brauchen Menschen, die sie aushalten.

 

Die Klagelieder erinnern mich daran: Der Herr verstößt nicht ewig, sondern betrübt wohl - und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen. 

 

Ich wünsche Euch und mir diesen Glauben, der Lasten trägt und Klage in Zuversicht wandelt. Und ich wünsche Euch und mir, dass wir immer Menschen an unserer Seite finden, die Zuhören können, Klagen aushalten und sich mit uns freuen, wenn d

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang