Gott vertrauen Predigt zu Rö.10,9-11

 In einer kleinen Stadt spannt ein Seiltänzer sein Seil quer über den Marktplatz. Dann beginnt er auf dem Seil zu balancieren, mit einem Stab in der Hand, aber ohne Netz – und hoch über dem Boden. Die Menge hält den Atem an, während der Seiltänzer Kunst- stückchen vorführt und auf dem Seil von einem Ende zum anderen läuft. Tosender Beifall, die Menschen staunen und fordern eine Zugabe. Noch einmal macht sich der Seiltänzer auf den Weg, wieder schauen die Menschen mit offenen Mündern zu, staunen, jubeln, als er am anderen Ende ankommt. - Nun nimmt er eine Schubkarre, setzt sie auf das Seil und blickt in die Menge. „Glaubt ihr, dass ich es auch schaffe, diesen Karren über das Seil zu schieben?“ – „Na klar“, rufen die Leute, „kein Problem, wir glauben es!“ – „Gut“, ruft der Seiltänzer, „wenn ihr mir das zutraut – wer möchte sich dann in die Schubkarre setzen?“

Nun wurden die Mienen der Zuschauer ängstlich. Das Geschrei verstummt, alle schweigen und blicken zu Boden. Nein, sich in den Karren zu setzen, dass ging dann doch zu weit! -Da meldet sich ein kleiner Junge. „Ich setze mich in den Karren“, ruft er. Die Menschen sind unruhig, wol- len ihn davon abhalten, doch zu spät. Der Junge setzt sich in die Schubkarre, der Seiltänzer beginnt seinen Weg, das Seil schwankt, der Wind pfeift. Doch Schritt für Schritt läuft der Seiltänzer über das Seil. Als er am anderen Ende ankommt, jubeln die Menschen ihm zu, klatschen, sind begeistert. Und der Junge wird gefragt: „Hast du denn gar keine Angst gehabt?“ „Nein“, antwortet der Junge, „warum auch? Der Seiltänzer dort, das ist ja mein Vater!“ 

So viel Vertrauen! So viel Zutrauen! Ein so großer Glaube, dass der Vater schon aufpassen wird, dass seinem Kind nichts passiert. Offenbar hat der Junge gute Erfahrungen mit seinem Vater gemacht. Vielleicht hat er bei der Aktion schon Herzklopfen gehabt. Aber nie hat er gezweifelt, dass es am Ende gut ausgehen wird. Schön wenn Kinder sich so auf die Eltern verlassen können.

 

So ähnlich sagt es Paulus im Römerbrief auch, wenn er den Propheten Jesaja zitiert: „Wer an Gott glaubt, wird nicht zuschanden!“. Aber Paulus meint nicht irgendeinen Glauben und erst recht keinen beliebigen: Er geht noch einen Schritt weiter: Wenn Du mit Deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Für Paulus ist der Glaube nicht irgendein religiöses Gefühl, sondern er spricht vom christlichen Glauben und sagt auch was das ist: Zunächst: Jesus ist der Herr und sonst keiner: Kein Kaiser und kein anderer Herrscher. Die bekennende Kirche hatte 1934 in ihren Thesen dieses als erste Feststellung genannt: 

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Das waren eindeutige Worte gegen die Vergötterung eines Führers, deutlich gegen die Selbsterwählung der Deutschen als auserwähltes Volk und vor allem richtete sich die beken-nende Kirche gegen die deutschen Christen, die schweigend oder laut jubelnd sich in die Schubkarre der Nazis setzte. Dietrich Bonhoeffer soll bei seiner Hinrichtung gesagt haben: Das ist nicht das Ende, das ist der Anfang.  Soviel Gottvertrauen. Soviel Glauben. Es hat mich sehr berührt, als ich das erste Mal diese Worte von so tiefem ernsten Glauben an Gott und die Auferstehung las.

            Natürlich muss es Regierungen geben und natürlich muss es Leitungsorgane geben. Es ist ein Segen, dass wir uns zumindest in der Politik an Wahlen beteiligen dürfen, so wie heute in Deutschland. Es ist gut, dass sich Menschen in den Dienst nehmen lassen, die Gesellschaft mit zu gestalten und durch Krisen zu begleiten. Wer Verantwortung übernimmt, macht manchmal auch Fehler. Deshalb sollten wir Respekt vor diesen Männern und Frauen haben, die Verantwortung übernehmen, anstatt Hass zu säen oder ihn schweigend hinzunehmen. Freilich: Wer Fehler macht soll auch dazu stehen und ohne Eigenverantwortung würde ich mich auch nicht in die Schubkarre setzen und einem Politiker oder einer anderen Führungskraft blind vertrauen. Christus ist der Herr und kein Mensch ist wie Gott.

 

Zum Zweiten sagt Paulus, dass der Kern des christlichen Glaubens die Auferstehung von den Toten ist. Das sollen wir nicht nur so daher sagen, sondern fest in unserem Herzen glauben. 2000 Jahre nach Paulus sind wir wohl eher Verstan-desmenschen als Herzensmenschen. Und der Verstand und alles Wissen lässt die meisten Menschen mittlerweile vieles anderes als die Auferstehung der Toten glauben: christliche Ethik macht z.B. Sinn: Den Nächsten lieben, sich den Armen zuwenden, die Schöpfung bewahren. Auf Selbstgerechtigkeit verzichten. All das sind auch Wahlthemen am heutigen Sonntag in Deutschland ohne dass das christliche Fähnlein weht. Aber die Auferstehung der Toten? Da darf man dann doch auch mal zweifeln oder?

Paulus ist da rigoros: wenn wir nicht glauben, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, ist alles Nichts. Und als ob Paulus ahnt, dass viele nun sich zurückziehen und sich fragen: Bin ich dann überhaupt noch Christ? Bin ich nur Christ, wenn mein Glaube unerschütterlich ist?

Paulus schreibt: Wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den Glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt werden?

Da wird ein Problem deutlich, vor allem, wenn es immer weniger ausgebildete Prediger und Predigerinnen gibt, wenn Sparzwänge Stellenstreichungen zur Folge haben. Was ist die Zukunft der Kirche? Was hat die Kirche eigentlich noch zu sagen, was andere nicht auch sagen oder tun könnten? Schauen wir doch nur einmal auf unsere Veranstaltungen: Wandern, Yoga, Gymnastik, Tanzen oder Spielenachmittag. Was ist daran unverkennbar christlich? All die Aktivitäten sind sinnvoll und tun gut, aber was wir nicht verlernen dürfen ist das Gespräch über unseren Glauben. Viel zu oft halten wir uns mit dem Thema „Glauben“ zurück. Oft auch aus gutem Grund, denn was so privat ist, ist auch verletzlich. Paulus sieht das anders: Mit dem Munde sollen wir bekennen und mit dem Herzen glauben. Die meisten Menschen tragen irgendwie einen Glauben in sich. Aber dieser Glaube kann eben auch verkümmern, wenn er nicht gepflegt wird. Das griechische Wort was Martin Luther mit „glauben“ übersetzt, kann ebenso auch Vertrauen bedeuten. Wie schlimm wäre das, wenn unser Vertrauen verkümmern würde. Vertrauen in Gott, Vertrauen in die Kraft des Glaubens, Vertrauen in andere Menschen? Ich erlebe in unserer Gesellschaft soviel Misstrauen. Manche schlechte Erfahrungen lassen mich das Misstrauen verstehen. Aber ich sehe auch, wie aus diesem Misstrauen, Verschwörungstheorien ohne jeden Verstand erwachsen.

Da sehe ich eine wichtige Aufgabe für uns, die wir in die Kirche gehen: Wir müssen Glauben predigen und damit wieder Vertrauen säen. Das ist meine Aufgabe als Pfarrer aber auch von Euch allen. Christus hat uns alle gelehrt, dass jeder Mensch ein Kind Gottes ist: Die Ehebrecherin und der Zöllner, die Kinder und die Erwachsenen. Jesus hat mit den Pharisäern und Schriftgelehrten gestritten, aber er hat dabei immer das Gespräch über den Glauben gesucht. Und er hat dafür geworben, dass die Liebe Gottes mit dem Tod nicht aufhört. Daran möchte ich glauben können. Ich möchte mich voll Vertrauen in die Schubkarre setzen und mich über das Drahtseil, das da Leben heißt führen lassen. Und ich werde sagen: Der mich da führt, das ist mein himmlischer Vater!

Amen

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