Jesus heilt Predigt zu Mk.7,31-37 am 22.8.21

 

Mk.7,31-37 DIE HEILUNG EINES TAUBEN



Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, dass er ihm die Hand auflege. Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und spuckte aus und berührte seine Zungeund sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf! Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge wurde gelöst, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, sie sollten’s niemandem sagen. Je mehr er’s ihnen aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden.

Liebe Gemeinde,

„Hörst Du die Grillen zirpen?“ fragt mich meine Frau.

Nein, höre ich nicht, denn ich bin schwerhörig. Die hohen Frequenzen kommen nicht mehr an mein Ohr. Gut, dass es Hörgeräte gibt, die zumindest vieles ausgleichen können. Wer schwerhörig ist, kennt das Problem: Da redet jemand mir zu, aber ich verstehe es nicht deutlich. Meine Frau sagt zum Beispiel nach dem Öffnen einer Getränkedose: „ Da ist auch nicht viel drin!“ Ich sage: „Ja, nur 0,33 Liter!“ Sie lacht, denn ich habe wieder etwas falsch verstanden. Sie hatte gesagt: „Da ist auch nur noch wenig Kohlensäure drin!“ Und ich antworte „0,33 Liter!“ Da muss man ja lachen…

Aber wer solche Erfahrungen öfter macht, zieht sich irgendwann zurück. Schwerhörigkeit geht nicht nur die Ohren etwas an. Schwerhörigkeit ist auch eine soziale Krise. Wie soll man sich mit einem Menschen unterhalten, der schwerhörig oder gar taub ist? Was soll ein Tauber in der Sprache der Hörenden erzählen, wenn er die Zusammenhänge nicht erhören kann?

            Die Menschen im Gebiet der 1o Städte um den See Genezareth herum bringen deshalb einen Menschen zu Jesus, damit er ihm die Hand auflege: Fürsorge! Nähe zeigen, gegenüber dem, der nichts mehr versteht. Kontakt zu dem herstellen, der sich nicht mehr unter die Leute traut. Jesus kann das. Das wissen die Leute.

            Wie gut, dass es die Gebärdensprache gibt. Wie gut, dass es Hörende gibt, die sich mit den Tauben verständigen können. Reden mit Händen und Füßen. Wie gut, dass es Gehörlosenseelsorge gibt. Wenn man schon nicht das Gehör wiederherstellen kann, dann kann man Menschen zumindest wieder in soziale Beziehungen bringen. So wie Jesus das auch getan hat.

Es wäre ein Traum für Schwerhörige, wenn es jemanden gäbe, der einem die Hörfähigkeit wiedergeben könnte. Aber darf man auf Wunder hoffen? Die Geschichte von der Heilung eines Tauben birgt diese Frage in sich: Erwarten die Leute, erwartet der Taube dass sich da gleich ein Wunder vollzieht? Geht es um wirkliche Heilung? Oder geht es um Symbolik? Der Evangelist Markus erzählt, dass der taube Mensch wieder hören und richtig sprechen konnte. Hand auflegen, Finger in die Ohren, ausspucken, Zunge berühren. Und dann ein Wort: Hefata! Tu dich auf. Zauberwörter…Wirklichkeit oder Symbolik? Wirklich ist, dass Gott das Schicksal eines einzelnen Menschen nicht egal ist. Und die Menschen wundern sich und erzählen: Er hat alles wohl gemacht: Die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend. Man darf auf Wunder hoffen. Erwarten sollte man sie lieber nicht! Aber auch Gehörlosensprache, Hörgeräte, oder insgesamt eine positive Einstellung gegenüber Menschen mit Handycap sind Wunder oder zumindest wunderbar!

 

Das ist der eine Teil der Geschichte: Jesus heilt einen Tauben.

 

Aber in der Geschichte wird noch mehr erzählt, das auch gesunde Ohren schnell überhören:

 

Da kommen ja nicht nur Jesus und der Taube zusammen. Da gibt es noch andere Menschen, die den Schwerhörigen begleiten: Menschen aus dem Gebiet der 10 Städte, wie es im Pre-digttext heißt. Freunde, Bekannte, Familie, Kollegen? Das wird nicht gesagt. Das spielt offenbar nicht die Rolle!

Die 10 Städte von Damskus bis zu den Orten am See Genezareth bildeten im 1 Jhdt. Ein Bündnis. Mit diesem Bund bewahrten sie ihre Autonomie gegenüber dem jüdischen Staat unter der skrupellosen Regierung der Herodianer. Die Menschen waren also Heiden, Nicht-Juden. Markus berichtet zunächst im 7. Kapitel von den Streitigkeiten zwischen ihm und den Pharisäern und Schriftgelehrten über Reinheit und Unreinheit, über Speisegebote im Judentum. Jesus sagt noch: Nicht was in den Menschen hineingeht, macht ihn unrein, sondern, was aus ihm herausgeht. Unrein sind alle bösen Ge-danken, die aus dem Herzen kommen, ganz egal, was es für Reinheitsgebote gibt. Und wie zum Beweis spielen die nächsten Geschichten die Markus erzählt im Gebiet der Heiden. Jesus heilt im libanesischen Tyrus und nun den Tauben im Gebiet der 10 Städte. Das Schicksal von Menschen ist Gott nicht egal, egal ob unter den Juden oder den Nichtjuden. Modern würde man sagen: Die Würde des Menschen ist unantastbar, weil jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist, unabhängig von Geschlecht oder Religion, Alter oder Hautfarbe.

 

Doch genau das steht ja derzeit auf dem Prüfstand: Völlig fassungslos sehen wir auf die Veränderungen in der Welt. Wir sehen, wie die gut gemeinten Veränderungen in Afghanistan der letzten 20 Jahre einem Chaos weichen.  Die Klugen haben es schon immer gewusst: Man darf unsere westlichen Werte nicht einfach in ein anderes Kulturgebiet pflanzen. Welche Werte zählen zukünftig? Russen und Chinesen werden das Vakuum füllen, dass der Westen in Afghanistan hinterlässt. Dort gilt der einzelne Mensch und die freie Meinung bekanntlich nicht so, wie wir das für richtig halten. Muss man das akzeptieren, oder zumindest tolerieren? Gelten die Werte, die wir für richtig halten nur bei uns und woanders eben nicht? Stammeln wir? Hören wir? Stellen wir uns taub? Oder reden wir von dem, woran wir glauben, wovon wir überzeugt sind?

 

Genau das war auch die Frage, der sich Jesus gestellt hatte. Jesus zeigt, dass seine Predigt, seine Verkündung, nicht auf eine Region beschränkt bleiben kann. Jesus bleibt nicht in Judäa. Er steht für seine Werte auch in Tyrus und im Gebiet der heidnischen 10 Städte. Die Menschen sollen das noch nicht herausposaunen, sagt Jesus. Aber sie tun es doch. Sie berichten von der Liebe Gottes und der wundervollen Zuwendung, weil sie davon überzeugt sind, dass diese Werte richtig sind, nicht nur in Israel. Sie verschweigen das nicht. Sie sagen nicht, das kann bei uns keine Zukunft haben. Sie sind von etwas überzeugt. Sie glauben an den Gott Jesu Christi und des jüdischen Volkes. Sie glauben an den, von dem es heißt: er ist der Schöpfer der ganzen Welt.

Das ist der andere Teil der Geschichte von der Heilung des Tauben: Die Frage: Ist die Botschaft des christlichen Glaubens etwas für unser privates inneres Seelenheil? Oder trauen wir der Predigt Jesu und seinen Taten noch mehr Heilungskräfte zu, die über den Einzelnen hinausgehen?

 

Manchmal möchte ich einer der Leute sein, die diese kranke und taubstumme Welt zu Jesus bringen. Die die nicht begreifen wollen und statt dessen Verschwörungsmythen für Wahrheit halten, die Besserwisser an der Biertheke, die übereinander aber nicht miteinander reden, die nicht zuhören können, sondern sich am liebsten selbst reden hören. Ganz egal von wo her. Ich wünschte mir, dass Jesus sich den Menschen zuwendet, sie berührt, sie anrührt, sie hörend und verständig redend macht. Ich wünschte, es würde dann ein Wunder geschehen und Menschen könnten eine heile Welt erleben. Ich wünschte, es würde nicht nur um Symbolik gehen, sondern um echtes Heilwerden.

 

Und dann sehe ich Bilder von verzweifelten Menschen am Flughafen von Kabul oder auf der Flucht weltweit, im Erdbebengebiet Haitis, Menschen, die nur noch Unheil fürchten. Ich denke: Es gibt Regionen, da sind die Menschen anscheinend wirklich verloren. Doch dann höre ich, wie Jesus hinausgeht in die Fremde und an einem einzelnen Menschen zeigt, wie er die Welt liebt und nichts und keinen aufgibt. Daran möchte ich glauben. Gott stärke meinen und unseren Glauben. Amen!

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