Gott freut sich und ihr sollt es auch tun!

 Liebe Gemeinde:

An einem belebten Tag im Einkaufszentrum:

„Achtung, eine Durchsage: Der kleine Sebastian sucht seine Eltern. Die Eltern werden gebeten ihn am Infoschalter abzuholen!“ 10 Minuten später kommen die Eltern von Sebastian ganz aufgeregt an den Informationsschalter. „Mensch, Kind! Was machst Du denn für Sachen? Du kannst doch nicht einfach abhauen. Kannst Du Dir überhaupt vorstellen, wie wir Dich gesucht haben?“ Die Stimme der Mutter überschlägt sich fast. „Als ob wir nicht schon genug Stress haben!“ mischt sich nun auch der Vater ein und zieht das Kind ganz fest am Arm, damit es ja nicht wieder wegläuft. Der Kleine weint. Die Familie zieht von dannen.

So könnte es gewesen sein...Vielleicht endet die Geschichte aber auch so:


Die Eltern kommen an den Infoschalter. Nachdem sie dem Kind Vorwürfe gemacht haben, mischt sich nun der Angestellte am Infoschalter ein: „Entschuldigen Sie“, sagt er. Aber können Sie nicht selber besser auf ihren Nachwuchs aufpassen. Wenn Sie auch ein Auge auf ihren Sprössling geworfen hätten, dann hätten wir dieses Problem hier gar nicht.“ – „Genau!“ rufen die neugierig stehen gebliebenen Kunden. „Die Eltern immer! – Haben für alles einen Blick, aber nicht für ihre Kinder. Das hätte es früher nicht gegeben….“ Peinlich berührt ziehen die Eltern mit dem kleinen Sebastian von dannen.

Wahrscheinlicher ist, dass der Vater die Umherstehenden anbrüllt: „ Was mischen Sie sich eigentlich ein? Das hier ist unsere Privatsache! Verschwinden Sie oder es setzt was….“


Ich wage noch einen dritten Versuch für ein Ende dieser Geschichte:

Die Eltern kommen zum Infotresen. Sie schließen überglücklich ihr Kind in die Arme. Die Mutter sagt: „Ich bin so froh, dass wir Dich wiedergefunden haben!“ Der Vater sagt: „ So ich hole mal für alle Eis!“ Und er kommt wieder mit Eis: Eines für Sebastian, eines für die Mutter, eines für den Mann am Infotresen und noch einige für die umstehenden Kunden. „ Klingt vielleicht sonderbar,“ sagt er; „aber wir sollten zusammen feiern, dass wir unseren Jungen wohlbehalten wieder haben. Auch wenn ich Euch alle hier nicht kenne, aber lasst uns miteinander dankbar sein!“

Die letzte Version der Geschichte ist natürlich moralisch die beste, aber sie ist auch unwahrscheinlich und auch ein bisschen kitschig, oder? – Aber in diesem Stil erzählt Jesus gleich dreimal von der Freude über etwas, das wiedergefunden wurde. Wir hören die als Predigttext vorgeschlagenen ersten beiden Geschichten:

 

Lukas 15,1-10

1 Es nahten sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. 2 Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.


Vom verlorenen Schaf

3 Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: 4 Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? 5 Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. 6 Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. 7 Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.


Vom verlorenen Groschen

8 Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? 9 Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. 10 So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

 

Man könnte die Geschichten unterschiedlich interpretieren: Da geht ein Schaf verloren. Wieso ist es denn auch so blöd und entfernt sich von der Herde? Man könnte dem Hirten vorwerfen, dass er nicht aufmerksam genug war und nun sogar 99 Schafe alleine lässt, nur um eines zu suchen. Und wieso verliert die Frau einen Silbergroschen, anstatt alle Münzen zusammen aufzubewahren, wie es jeder normale Mensch machen würde? Wieso stellt sie das ganze Haus auf den Kopf, wegen eines einzigen Silbergroschens?

All das ist Jesus egal: Wichtig ist, dass das was verloren war wiedergefunden wird und das anschließend gefeiert wird, auch wenn das übertrieben und kitschig klingt.

Aber was will Jesus denn nun eigentlich mitteilen? Um darauf eine Antwort zu finden, muss man sich den Vorspann anhören:

Jesus isst mit Zöllnern und anderen, die als Sünder gelten. Das kennt man von Jesus. Aber es nähern sich eben auch die Pharisäer und die Schriftgelehrten. Sie murren und knurren: Mit dem Pack gibt er sich ab, anstatt sich um die rechtschaffenen Gläubigen zu kümmern. Es ist die alte Geschichte, wen man als ordentliches Mitglied der Gesellschaft dabei haben will und wen nicht. Die Pharisäer und Schriftgelehrten sind Alteingesessene. Sie wissen, was bei Gott und den Menschen gilt: Anstand und Zucht und Ordnung. Sie kennen die Regeln. Alles was neu ist, wird kritisch beäugt und gerne erst einmal abgelehnt. Neuankömmlinge werden skeptisch betrachtet. Erst Recht diejenigen, die einen makel haben: Sünder eben.

Jesus weiß, dass Menschen so ticken, nicht nur Pharisäer und Schriftgelehrte. Der Evangelist Lukas erzählt die Geschichte von der Freude über die verloren gegangenen Sachen oder Menschen deshalb ja doppelt und dreifach, weil er weiß, dass das das Verhalten der Platzhirsche gegenüber Neuem und Neuen auch in der Kirche verbreitet ist. Manchen muss man eben eine eigentlich einfache Sache immer wieder erklären. Verlorenes Schaf, verlorener Groschen, verlorener Sohn. Habt Ihr´s jetzt?


Die Doppelgeschichte vom Wiederfinden des Verlorenen hat noch eine weitere Ebene: Die Pharisäer und Schriftgelehrten gehen nämlich davon aus, dass alle Menschen gefälligst ordentlich und anständig sein sollen und das auch sein könnten, wenn sie es denn wollen. Deshalb verklagen sie auch die, die nicht in ihr System von Ordnung passen. Das Jesus das anders sieht, hat auch damit zu tun, dass er weiß, wie Lebensgeschichten manchmal aus der Ordnung fallen können. Der Zöllner ist ja nicht von sich aus böse. Aber er arbeitet eben für die römische Steuerbehörde und die, die noch mit verdienen wollen. Natürlich soll man sich nicht noch zusätzlich in die eigene Tasche wirtschaften. Korruption ist nie gut. Aber es passiert. Das gibt es doch bei uns auch: Brauchen Sie eine Rechnung fragt der handwerker, Ja? dann muss ich die Mehrwertsteuer natürlich auch berechnen...Und wer wenig hat, der gibt das gefundene Portemonnaie vielleicht nicht beim Fundbüro ab, sondern behält es für sich. Lebenswege können vielfältig krumm sein: Natürlich ist es nicht gut, wenn eine Ehe zerbricht. Aber es passiert. Deshalb verurteilt Jesus die Ehebrecherin auch nicht, die von den Pharisäern vor seinen Augen verklagt wird. Jesus weiß, dass das Leben nicht nur gerade und immer glücklich verläuft. Deshalb sucht Gott, sucht Jesus gerade das Verlorene. Und wenn Menschen von Gott gefunden werden, dann ist das keine Privatsache. Glauben ist eigentlich nie nur Privatsache! Deshalb ruft der Hirte seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt: Freut euch mit mir. Und deshalb lädt die Frau Freundinnen und Nachbarinnen ein und sagt: Freut Euch mit mir! Und deshalb tanzen die Engel im Himmel Chachacha, wenn jemand, der auf die abschüssigen Bahn geraten ist, wieder Halt gefunden hat und Gemeinschaft hat und die Liebe Gottes in seinem Leben spürt. Jesus sagt: "So ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut."

Das ist dann nicht mehr kitschig, das ist das Reich Gottes! Amen

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