Betet Rogate Predigt zu Daniel 9,4+5+16-19

  

Liebe Gemeinde,

„Wünschen darf man sich alles. Ob man es auch bekommt, ist eine andere Sache!“ pflegte meine Mutter immer vor dem Geburtstag oder vor Weihnachten zu sagen. Wahrscheinlich gilt das so ähnlich auch für das Beten: „Beten darf man für alles. Ob man das Gebet erfüllt wird, ist eine andere Sache!“

In der Lesung vorhin aus dem Lukasevangelium haben wir freilich gehört: Ein Sohn, der seinen Vater um ein Stück Fisch bittet, wird keine Schlange bekommen. Und der Mensch der seinen Freund nachts um drei Brote bittet wird soviel bekommen wie er braucht, allein schon um seines unverschämten Bettelns wegen. Wir dürfen also beten und nichts ist so unverschämt, dass man es vor Gott nicht sagen dürfte. Beten lohnt sich also. Beten darf man alles.

 

Wolfgang Niedeggen von der Kölner Band BAP war sich da in den 80er Jahren nicht so sicher. Er landete einen Hit mit dem Lied: wenn bedde sich lohne däd, wat meenste, wat ich dann bedde dääd. Und dann kommt eine ellenlange Liste für was er beten würde. Für Frieden, für die Klofrau für… Aber er endet in seinem Lied damit, dass sich Beten nicht lohnt, weil wir am Ende alle vor dem Kreuzweg stehen, an dem wir selber das dritte Mal wie Jesus unter der Last unseres Kreuz fallen. Mit anderen Worten: Du kannst beten, aber du darfst nicht damit rechnen, dass du das bekommst, was du dir erhoffst. Am Ende fällst Du und bist alleine.

 

Von Köln ins württembergische Ländle: „Beten ist das Reden des Herzens mit Gott!“ So heißt es in den Lehrbüchern für Konfirmanden in der württembergischen Kirche. Im Unterricht sollen die Jugendlichen dann auf einem Zettel jeweils ein kurzes Gebet formulieren. Anschließend werden die Gebete eingesammelt und dann vorgelesen. Die Gebete kommen dann in je einen von 4 Körben. In einem Korb werden die Gebete gesammelt für mich selbst. In einem anderen die für andere Menschen. Ein dritter ist für Dankgebete und ein vierter ist für Gebete, die um Vergebung bitten. Die meisten Zettel landen in dem Korb mit Bitten für einen selbst. Die zweitmeisten landen - aber mit Abstand -  in dem Korb mit den Fürbitten für andere. Ein oder zwei werden als Dankgebet identifiziert. Ein Gebet zur Schuldvergebung hat es in all den meinen Jahren in Württemberg nicht gegeben. Ich glaube, bei uns Erwachsenen wäre das ähnlich. Wir bitten für uns oder nahestehende Menschen. Warum auch nicht? Das ist die eine Seite des Gebetes. Sie fällt uns am leichtesten. Man darf ja für alles bitten. Schaden tut es nicht.

Aber wann sagen wir danke!?

Und vor allem: wann bitten wir um Vergebung?

 

Im vorgeschlagenen Predigttext für heute geht es genau um diese andere Seite des Gebets:

 

Etwa 160 Jahre vor Christus wurde den Juden von den syrischen Herrschern der Gottesdienst verboten. Die Geräte aus dem Tempel wurden geraubt. Im 9. Kapitel des Buches Daniel lesen wir folgende Worte:

 

Daniel 9,4+5+16-19


4 Ich betete aber zu dem HERRN, meinem Gott, und bekannte und sprach: Ach, Herr, du großer und schrecklicher Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten! 5 Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten abgewichen. 16 Ach, Herr, um aller deiner Gerechtigkeit willen wende ab deinen Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem und deinem heiligen Berg. Denn wegen unserer Sünden und wegen der Missetaten unserer Väter trägt Jerusalem und dein Volk Schmach bei allen, die um uns her wohnen. 17 Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein Flehen. Lass leuchten dein Angesicht über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen, Herr! 18 Neige deine Ohren, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist. Denn wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. 19 Ach, Herr, höre! Ach, Herr, sei gnädig! Ach, Herr, merk auf und handle! Säume nicht – um deinetwillen, mein Gott! Denn deine Stadt und dein Volk ist nach deinem Namen genannt.

 

Diese Worte müssen uns befremden: Zum einen ist da vom großen und schrecklichen Gott die Rede. Er bewahrt die, die Recht handeln und straft die, die sündigen. Das ist nicht unser Gottesbild: Wir reden ja eher mit dem lieben Gott. Und vielleicht reden wir eben manchmal auch nicht mehr mit Gott, weil: wenn es den lieben Gott gäbe, vieles Böses doch keinen Platz in der Welt hätte. Beten lohnt sich nicht. Der liebe Gott reagiert ja nicht.

Daniel dagegen rechnet damit, dass es Böses gibt und dass wir Menschen da selbst durchaus Verantwortung für tragen. Es ist nicht egal wie wir leben, weil es Gott auch nicht egal ist. In diesem etwas anderen Gottesbild gründet das Dankgebet und das Gebet um Vergebung. Dank dafür, dass man bewahrt geblieben ist und den rechten Weg gefunden hat. Modern gesprochen: Dank dafür, dass wir im Frieden leben dürfen, Dank dafür dass wir gerade hier auf den Kanaren mit so vielen Nationen und Kulturen friedlich und halbwegs tolerant zusammen leben können. Jemand von uns hat mir neulichs gesagt: Das ist wohl einzigartig auf der Welt!

In diesem anderen Gottesbild liegt auch der Grund für die Bitte um Vergebung. Der Mensch ist nicht immer nur Schaf, er ist auch Wolf. Das gilt für jeden und jede. Darum also bitten wir um Entschuldigung. Das ist etwas anderes als der Satz: Ich habe mich doch entschuldigt. Man kann sich nicht selbst entschuldigen. Wer Schuldig geworden ist, kann immer nur den Geschädigten um Verzeihung bitten. Das darf man, aber ob man die Entschuldung bekommt, das ist eine andere Sache. Das gilt unter Menschen. Und es gilt noch mehr vor Gott.

Daniel bittet Gott um Entschuldigung. Er tut das in einer demütigen Haltung:

„Wir liegen vor Dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“

Daniel rechtfertigt weder sich noch andere. Er schiebt keine Verantwortung auf andere. Er übernimmt Verantwortung, obwohl er selber zu den Frommen und Rechtgläubigen gehört. Verantwortung für andere, Verantwortung für die Geschichte des eigenen Volkes.

Heute ist in vielen Ländern Feiertag. Der 8. Oder 9.Mai ist das historische Datum des Sieges der Allierten über Nazideutschland. Warum fiel es vielen Menschen so schwer die Verantwortung für Schuld und Versagen zu übernehmen? Warum haben Menschen eher auf die eigene Gerechtigkeit vertraut als um Vergebung zu bitten? – Das ist kein deutsches Phänomen. In den 80er Jahren habe ich in Amsterdam erlebt, wie schwer sich die Niederländer mit ihrer Schuld gegenüber den Judenverfolgungen getan haben. Der Roman „Sarahs Schlüssel“ offenbart, dass die Franzosen bis heute nicht zu ihrer Verantwortung des Holocaustes stehen wollen. Aber die Schuld der anderen entbindet nicht von der eigenen Verantwortung. Daniel macht es vor.

Das Buch Daniel zeigt, dass wir vor der eigenen Verantwortung und der von unseren Mitmenschen nicht davon laufen brauchen. Vor Gott dürfen wir auch Schuld und Versagen im Gebet zur Sprache bringen. Ob es sich lohnt so zu beten? Ob man Vergebung erwarten darf, wenn man Irrwege gegangen ist? Wünschen darf man sich alles; ob man es auch bekommt ist eine andere Sache! Doch das stimmt seit Jesus Christus nicht mehr. Das Kreuz ist unser Zeichen für die Gewissheit, dass Gott uns Schuld vergibt, wenn wir auf seine Barmherzigkeit vertrauen und uns nicht selbst rechtfertigen. Und weil Gott vergibt, sollen auch wir vergeben können. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Oft müssen wir das aber erst lernen: barmherzig zu sein. Gegenüber uns und anderen. Wir müssten lernen, nicht immer Recht haben zu wollen, sondern auf die Gerechtigkeit Gottes zu vertrauen. Gott helfe uns bei diesem Gebet um seine Bermherzigkeit.  Amen!

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