Wir lassen uns das Singen nicht verbieten! Oder doch?Predigt zu Kantate 1.5.21 Lk.19,36-40

 Ihr Lieben,

Wir lassen uns das Singen nicht verbieten. 1974 hat Tina York diesen Schlager gesungen: Ein richtiger Hit war das damals. 

Aber Singen ist jetzt verboten. Mit Masken summen oder leise die Lippen bewegen ist für mich kein richtiges Singen. Was war da vorletzten Winter noch los in unserer Kirche San Eugenio, als im Gottesdienst gesungen wurde, dass man die Orgel kaum mehr gehört hatte und die Leute auf der Straße stehen blieben. Es war nicht alles wohlklingend, aber es geschah voll Inbrunst. Es hat uns verbunden: Männer und Frauen, Kranke und Gesunde; Reiche und weniger Betuchte.
Kantate: Singt!

Ich erinnere mich an viele Gottesdienste an Kantate, diesem besonderen Tag der Kirchenmusik. Der Bläserchor wirkte mit und die Kantorei, Ein kleines Orchester unterstützte nach dem musikalischen Gottesdienst das ganze Ensemble bei einem Konzert, bevor man dann dicht gedrängt zum Mittagessen im Gemeindesaal an Biertischen saß!

Wir lassen uns das Singen nicht verbieten!

Nun doch! Offiziell und mit unserer Zustimmung. Oder zumindest verhalten wir uns hier so, dass wir uns nicht gefährden. Wir singen ein, zwei Lieder, wenig Strophen und möglichst lauwarm durch die Maske. Schön ist das nicht. Gerade am Sonntag Kantate! Wer hätte gedacht, dass Singen gefährlich sein könnte! Dass wir einem Verbot sogar zustimmen?

 

Doch vom Versuch das Singen zu verbieten berichtet der heutige Predigttext aus dem Lukasevangelium. Folgendes war geschehen:

Nach dem Tod des Königs Herodes des Großen gab es einen Streit unter seinen Söhnen um die Nachfolge. Archelaos, einer von ihnen, reiste nach Rom um mit reichlich Geldgeschenken ausgestattet, sich vom Kaiser zum judäischen König ernennen zu lassen. Das Geld hatte er durch sogenannte Zöllner brutal von den Bauern in Israel eintreiben lassen. Eine Delegation von Aristokraten aus Jerusalem reiste ihm hinterher, um die Wahl zu verhindern, denn Archelaos war bereits durch etliche Grausamkeiten aufgefallen. (Auch das Mt. Ev. berichtet, dass Josef die Rückkehr aus Ägypten mit Maria und Jesus fürchtete, als er hörte, dass nun Archelaos an der Regierung sei Mt.2,22) Doch die Delegation wurde hingerichtet. Um so erstaunlicher ist das, was Lukas im 19.Kapitel seines Evangeliums berichtet: Das nämlich ein Zöllner mit Namen Zachäus beim Blick auf Jesus die Seiten wechselt und nicht mehr dem König beim Erpressen der Bevölkerung dient. Er ahnt, dass das von Jesus verkündigte Reich Gottes so ganz anders ist als das Reich der bekannten Herrscher. Die Jünger Jesu machen am laufenden Band solche Erfahrungen: Blinde können sehen, Lahme gehen, Taube hören und wer ausgeschlossen ist aus der Gemeinschaft bekommt eine Chance. Das Reich Gottes: Es hat angefangen! Das Lied: „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“ aus unserem Gesangbuch gibt das wider. Und als Jesus nach Jerusalem einzieht, können sie nicht anders als zu singen und zu loben: Gelobt sei der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe. Und dabei hatten sie die Burg des judäischen Königs auf der Höhe des Berges Zion im Blick. Alles ist da hochpolitisch; - Wenn das mal keinen Ärger gibt! Hören wir den Predigttext aus 

 

Lk.19,36-40.

Als er nun hinzog, breiteten sie ihre Kleider auf den Weg. 37 Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, 38 und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! 39 Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! 40 Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

 

Wir lassen uns das Singen nicht verbieten, sagt – sinngemäß – Jesus den Pharisäern. Wahrscheinlich fanden die Pharisäer das Gotteslob der Jünger sogar inhaltlich korrekt. Sie fürchteten jedoch, dass dieses Singen gefährlich werden könnte. Sie hatten selber schon tödliche Erfahrungen mit allem was den Römern nach Aufruhr riechen könnte gemacht. Darum: Jesus, „Lehrer“ nennen sie ihn: Verbiete deinen Jüngern doch das Singen!

Die Pharisäer haben letztlich recht gehabt. Jesus wird gekreuzigt, weil er der König der Juden genannt wurde. Er und seine ganze Bewegung sollte mundtot gemacht werden. Kurz darauf kam es zum jüdischen Aufstand in Jerusalem. Mit Gewalt gegen die römische Besatzung und gegen die, die sich ständig in die eigene Tasche wirtschafteten. Der Versuch scheiterte: Jerusalem wurde zerstört. Die Römer rissen den Tempel nieder, nur die Westmauer blieb stehen. Vor den übrig gebliebenen Steinen, der Klagemauer, treffen sich noch heute Juden und Touristen. Sie beten vor den Steinen, still oder auch nicht. Überall stecken sie ihre Gebetsanliegen in die Ritzen der Mauer. Die Steine sind angefüllt mit Worten. Sie schreien, sie klagen, wenn sonst die Stimme nicht mehr klingen mag.

 

Es gibt nicht nur fröhlichen Gesang. Es gibt nicht nur Lieder in Dur, es gibt auch den Gesang in Moll. Es gibt Leute, die können beides wunderbar singen. Es gibt Leute, die singen, obwohl sie es nicht können. Und es gibt Leute, die sagen, dass sie nicht singen können, obwohl sie eigentlich recht brauchbare Stimmen haben. Der Gesang in der Kirche, im Gottesdienst verbindet alle Menschen mit den richtigen und den schrägen Tönen. Dieses Verbindende lassen wir uns nicht verbieten. Denn unser Glaube ist wie bei den Jüngern: Wir sind überzeugt davon, dass Jesus uns Gottes Liebe gezeigt hat. Sie verbindet und sie heilt. Wir singen also als Gemeinde nicht einfach so, weil Musik schön ist. Wir singen, weil wir glauben: Gelobt sei der kommt, der König, im Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe.

 

Wenn der Himmel über uns friedlich ist, über allen Menschen auf dieser Erde; wenn die Natur nicht mehr klagt, weil sie endlich respektiert wird – dann singen wir im Reich Gottes. Noch sind wir nicht da. Noch müssen wir uns mit dem abfinden, was das Leben und den Gesang gefährlich macht. Doch der Glaube trägt uns in die Zukunft. Deshalb nehmen wir Rücksicht aufeinander, nicht aus Angst, sondern aus unserer Verantwortung heraus. Wir lassen uns das Singen nicht verbieten, auch wenn wir erst einmal auf Töne verzichten. Damit unterscheiden wir uns doch wohltuend von den Schreihälsen, denen es egal ist, was hilft oder heilt, die jede Verantwortung anderer niederbrüllen und deren angebliche Lieder Hass säen. Es kommt eben nicht immer darauf an, dass man singt, sondern was. In unserem Herzen kennen wir auch die Klagelieder derer, denen wegen Krankheit und Todesfällen gerade wegen Corona nicht nach Singen zumute ist. Und wir kennen in unseren Herzen die Loblieder, die wieder angestimmt werden, weil das Leben wieder auferstehen wird: In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet. (EG 316)

Kantate! Singt! Zumindest mit dem Herzen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, segne und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen!

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