Hesekiel 34,1-31 oder 1-16 und 31


Die schlechten Hirten und der rechte Hirt1 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 2 Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? 3 Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden. 4 Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt. 5 Und meine Schafe sind zerstreut, weil sie keinen Hirten haben, und sind allen wilden Tieren zum Fraß geworden und zerstreut. 6 Sie irren umher auf allen Bergen und auf allen hohen Hügeln und sind über das ganze Land zerstreut, und niemand ist da, der nach ihnen fragt oder sie sucht. 7 Darum hört, ihr Hirten, des HERRN Wort! 8 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Weil meine Schafe zum Raub geworden sind und meine Herde zum Fraß für alle wilden Tiere, weil sie keinen Hirten hatten und meine Hirten nach meiner Herde nicht fragten, sondern die Hirten sich selbst weideten, aber meine Schafe nicht weideten, 9 darum, ihr Hirten, hört des HERRN Wort! 10 So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen. 11 Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. 12 Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. 13 Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande. 14 Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. 15 Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR. 16 Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist. 17 Aber zu euch, meine Herde, spricht Gott der HERR: Siehe, ich will richten zwischen Schaf und Schaf und Widdern und Böcken. 18 Ist's euch nicht genug, die beste Weide zu haben, dass ihr die übrige Weide mit Füßen tretet, und klares Wasser zu trinken, dass ihr auch noch hineintretet und es trübe macht, 19 sodass meine Schafe fressen müssen, was ihr mit euren Füßen zertreten habt, und trinken, was ihr mit euren Füßen trübe gemacht habt? 20 Darum, so spricht Gott der HERR zu ihnen: Siehe, ich will selbst richten zwischen den fetten und den mageren Schafen; 21 weil ihr mit Seite und Schulter drängtet und die Schwachen von euch stießt mit euren Hörnern, bis ihr sie alle hinausgetrieben hattet, 22 will ich meiner Herde helfen, dass sie nicht mehr zum Raub werden soll, und will richten zwischen Schaf und Schaf. 23 Und ich will ihnen einen einzigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich meinen Knecht David. Der wird sie weiden und soll ihr Hirte sein, 24 und ich, der HERR, will ihr Gott sein. Und mein Knecht David soll der Fürst unter ihnen sein; das sage ich, der HERR. 25 Und ich will einen Bund des Friedens mit ihnen schließen und alle bösen Tiere aus dem Lande ausrotten, dass sie sicher in der Steppe wohnen und in den Wäldern schlafen können. 26 Ich will sie und alles, was um meinen Hügel her ist, segnen und auf sie regnen lassen zu rechter Zeit. Das sollen gnädige Regen sein, 27 dass die Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen und das Land seinen Ertrag gibt, und sie sollen sicher auf ihrem Lande wohnen und sollen erfahren, dass ich der HERR bin, wenn ich ihr Joch zerbrochen und sie errettet habe aus der Hand derer, denen sie dienen mussten. 28 Und sie sollen nicht mehr den Völkern zum Raub werden, und kein wildes Tier im Lande soll sie mehr fressen, sondern sie sollen sicher wohnen, und niemand soll sie schrecken. 29 Und ich will ihnen eine Pflanzung aufgehen lassen zum Ruhm, dass sie nicht mehr Hunger leiden sollen im Lande und die Schmähungen der Völker nicht mehr ertragen müssen. 30 Und sie sollen erfahren, dass ich, der HERR, ihr Gott, bei ihnen bin und dass die vom Hause Israel mein Volk sind, spricht Gott der HERR. 31 Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.



Ihr Lieben,

auf dem Bild hier seht Ihr einen Hirten, den wir letzte Woche oberhalb von Arico Viejo auf einer Wanderung getroffen hatten. Ich war schon früher einmal dort. Damals wurden die beiden Ziegen von 2 Hunden bewacht. Jetzt kam der Mann uns mit beiden Tieren auf einem verwunschen Pfad entgegen. Vielleicht waren die beiden Ziegen weggelaufen. Er hat sie gesucht und gefunden. Er hat sie gestreichelt. Er wird sie so versorgen, dass es ihnen möglichst gut geht. Geht es den Tieren gut, hat der Hirte auch am meisten davon. So handelt ein kluger Hirte. Bemüht und verantwortungsbewusst.

 

Seit der junge Viehhirte David in Israel zum König wurde, kennt die Bibel den „guten Hirten“ als Sinnbild für kluge und verantwortungsbewusste Führungskräfte. Ein König soll sich um sein Volk kümmern, wie ein guter Hirte um seine Tiere. Er soll den Schwachen helfen und wenn eines verloren geht, soll er es suchen und nicht einfach abschreiben. Das ist sicherlich ein Idealbild für Führungskräfte in der Politik, in der Wirtschaft, in Schulen und Kirchen. Trotzdem: Das Bild des guten Hirten wird in sein Gegenteil verkehrt, wenn Führungskräfte, egal ob Regierende, Unternehmer, Schuldirektoren oder Bischöfe in die eigene Tasche wirtschaften, den eigenen Vorteil suchen und es ihnen gleichgültig ist, wie es den anvertrauten Menschen und Gütern geht.

 

Der Prophet Hesekiel hat in einer solchen Zeit gelebt, in der  die Führungsschicht sich hemmungslos auf Kosten der Bevölkerung bereichert hat. Nun kann man sagen, dass das kein Einzelfall ist. Überall gibt es ungerechte Verhältnisse. Und die Art und Weise, wie auch heute in vielen Ländern jede Bewegung für mehr Gerechtigkeit und Demokratie mit dem Terrorismusvorwurf bedacht wird, zeigt: Die Hirten, die das Volk behüten und versorgen sollen, sind schlechte Hirten, wenn es ihnen um den eigenen Machterhalt geht, aber nicht um das Wohl der Bevölkerung. Myanmar, Hongkong, die Türkei, Syrien… die Liste wird endlos lang. Man wird müde, die Nachrichten aus diesen Ländern jeden Tag zu hören; man schaltet oft ab.

Die Worte von Hesekiel sind nicht die eines sozialistischen Rebellen; es sind Gottes Worte. Gott schaltet nicht ab, wenn Unrecht geschieht. Gott fordert Rechenschaft von seinen Hirten, vom Führungspersonal egal wo. Mehr noch: Er kündigt an, dass es vorbei sein wird mit der Selbstherrlichkeit der schlechten Hirten. Gott selbst wird sich an ihre Stelle stellen: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern. Ich will das Verlorene suchen und das Verirrte zurückbringen, das Verwundete verbinden und das Schwache stärken. Gott zeigt wie ein guter Hirte sich um seine Herde kümmern soll.

 

Das klingt gut, das klingt warm. Aufatmen, nach langen Beschränkungen. Keine Angst mehr haben vor immer neuen Regierungsmaßnahmen, die das Leben immer bedrückender erscheinen lassen. Keiner muss in der Ukraine oder in Taiwan den Krieg fürchten. Keiner muss mehr aus seiner Heimat flüchten, weil Hunger und Diktaturen ein Ende haben. Keine willkürlichen Verhaftungen in Myanmar und Frauen haben in der Türkei alle Rechte. Politiker finden eine Lösung für Corona und genießen hohes Vertrauen, weil keiner sich durch die Bestellung von Masken persönlich bereichert.

 

Gott ist der gute Hirte und es wird so sein, wie wir Menschen uns das schon immer vorgestellt haben. Doch Vorsicht! Der gute Hirte wird nämlich auch „was stark ist“ behüten. (Die Übersetzer sind sich hier nicht ganz einig, denn das hebräische Wort an dieser Stelle kann durch Umstellung von wenigen Punkten auf dem Wort „vernichten“ oder eben „behüten“ bedeuten.) Es würde vielen Menschen gut gefallen, wenn „die da oben“ weg wären, vernichtet würden, wenn man denen in der Regierung endlich mal zeigen könnte, was das Volk angeblich denkt. Die älteren Textzeugen benutzen aber das Wort für „bewahren und behüten“. Ich entscheide mich auch dafür. Denn die anschließenden Prophetenworte richten sich an die Schafe, an die Herde, an die Menschen. Gott führt sie auf die beste Weide und sie sind doch nicht zufrieden. Sie beschweren sich über verdrecktes Wasser und merken nicht, dass sie das Gute durch eigenes leichtfertiges Verhalten verdreckt haben. Nein, eine Gesellschaft braucht auch die Starken; anders gesagt: Nur in einer Gesellschaft, in der Menschen bereit sind, Führung zu übernehmen und diese auch verantwortungsvoll ausüben, kann es gutes Leben geben. Dazu muss es Regeln geben. Keiner hat das Recht mit dreckigen Füßen das Trinkwasser für sich aber eben auch für andere zu verseuchen. Es kann nicht jeder und jede machen, was man gerade will. Deshalb muss es auch Ordnungskräfte geben. Den guten Führungskräften und den guten Ordnungskräften gehört unser Respekt. Respekt aber ist in unserer Gesellschaft leider immer mehr verloren gegangen. Gott erwähnt aber in unserem Bibeltext ausdrücklich: Auch die Starken sollen behütet sein. Vielleicht sollten wir oft erst einmal in Ruhe nachdenken, wer da vor uns steht, bevor wie auf "die da!" zeigen und uns beschweren; Fragen wir doch erst einmal, was seine oder ihre Aufgabe ist. Kritik muss möglich sein, aber auch das nur mit Respekt und Würde. Natürlich braucht es auch aufmerksame und kritische Beobachter und Beobachterinnen: Einen Journalismus z.B., der frei aber eben fair aufdeckt, wo Missstände sind. Wir brauchen aber keinen Journalismus, der jedem Skandal hinterherläuft, weil die Menschen sich geifernd am Skandalösen ergötzen wollen. Die Aufgaben von guten Hirten sind breit gestreut und nicht jedes Blöken einer Ziege ist schon eine fundierte Meinungsäußerung.

Gott, der gute Hirte hat nämlich auch noch eine Botschaft an die Herde, an die Schafe. Unter ihnen gibt es auch kluge und bereitwillige und andererseits entsetzlich blöde und egoistische Wesen. Manche Schafe sorgen selbst dafür, dass die Herde gespalten wird, dass erreichte grüne Wiesen schnell wieder in weite Ferne geraten. Manche sind so bockig, dass jedes vernünftige Argument an ihnen abprallt. Auch Schafe oder Ziegen suchen oft den bestmöglichen Vorteil für sich und gönnen dem Nachbarn nichts. Mag sein, dass es in der Natur so ist. Am Mittwoch haben wir gemerkt, dass es aber auch genug Beispiele in den Reihen unserer Gemeinde gibt. Menschen suchen den eigenen Vorteil. Sie waren z.B. nicht im Gottesdienst, wollen aber beim anschließenden Gemeindefest die besten Plätze und beschweren sich, dass die Türen noch nicht geöffnet sind. Auch mit Worten kann man die besten Weiden vergiften und beschmutzen. Bei uns Menschen, in Gottes Herde, soll es aber anders sein. Dafür haben zuerst die guten Hirten zu sorgen. Gott der gute Hirte, wird uns immer wieder daran erinnern. Er scheut sich aber auch nicht davor, „zwischen Schaf und Schaf zu richten“. Schauen wir also nicht nur auf „die da oben“, und meckern wie die Ziegen, sondern sehen danach, wie wir gut miteinander umgehen und was wir selbst dazu beitragen können, dass es allen Schafen halbwegs gut geht, dass keines verloren geht, das Verletzte Heilung erfahren und Erschöpfte Unterstützung finden.

 

Ja, Ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide und ich will Euer Gott sein, spricht Gott der Herr. Amen!

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