Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Predigt am Sonntag Judika 21.3.2021 zu Hiob 19,19-27

 Liebe Gemeinde,

Manfred ist über 80. Eigentlich ein schönes Alter sagt man so oft. Aber Manfred hat viel Schweres zu verkraften. Eigentlich wollte er mit seiner Frau hier auf Teneriffa seinen Lebensabend genießen. Aber als die beiden vor über 20 Jahren nach Teneriffa zogen, verstarb schon bald seine Frau. Mit den Kindern war es schon immer etwas schwierig. Seit Jahren hat er nur noch sporadisch Kontakt zu einer Tochter. Vor 10 Jahren erlitt er einen Schlaganfall. Noch so ein Tiefschlag. Seitdem kann er sich außerhalb seiner Wohnung nur noch mit dem Rollstuhl bewegen. Doch damit nicht genug. Vor einem Jahr fiel er hin. Oberschenkelhalsbruch. Er musste in die Klinik. Aber auch das war noch nicht genug, denn dann kam Corona und der Lockdown. Keiner durfte ihn besuchen. Und Manfred spricht kein Spanisch und nur ganz wenig Englisch. Eine Katastrophe nach der anderen hat ihn getroffen.

 

Hiobsbotschaften nennen wir das. Im Buch Hiob im Ersten Testament wird von Hiob gesagt, dass er ein sehr rechtschaffender Mann war, fromm und zugleich sehr reich. Eines Tages fragt Gott den Satan, ob er denn gut auf Hiob aufgepasst hätte, denn Hiob sei außergewöhnlich gottesfürchtig und meide das Böse. Der Teufel sagt, dass Hiob nur deshalb gottesfürchtig sei, weil Gott ihm so viel Gutes hat zukommen lassen. Gott hält dagegen. Und so kommt es zur Wette zwischen Gott und Teufel. Hiob muss es ausbaden:

 

Zunächst kommen Knechte zu Hiob und berichten unabhängig voneinander, dass Verbrecherbanden das Vieh von Hiob gestohlen und alle anderen Knechte umgebracht hätten. Ein weiterer sagt, dass Hiobs Kinder bei einem Sturm von einstürzenden Hauswänden erschlagen worden wären. Doch damit nicht genug. Hiob selber wird krank und bekommt Geschwüre. Seine Frau sagt: Hör auf mit Deiner Frömmigkeit. Fluche Gott und stirb! Doch Hiob antwortet: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollen das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10)

 

Den Satz finde ich gut. - Aber als ich Manfred irgendwann doch einmal im Krankenhaus besuchen durfte (mit Maske und Abstand), da wollte ich ihm diesen Satz ersparen: Manfred, nimm nun auch das Böse von Gott an! Gedacht habe ich allerdings (nicht gesagt!): Manfred, Du hast auch ein bisschen selbst schuld. Warum wolltest Du auf Teneriffa alt werden? In Deutschland hättest Du leichter Hilfen bekommen. Und warum hast Du nicht rechtzeitig Spanisch gelernt? Dann könntest Du jetzt den Ärzten besser sagen, was Dir fehlt. Und warum hast Du Dich nicht mit Deinen Kindern rechtzeitig versöhnt, sodass sie dich jetzt bei sich zuhause aufnehmen würden? So ein bisschen ist doch jeder auch seines eigenen Glückes Schmied, oder?

 

Das denken auch drei Freunde von Hiob. Die Bibel erzählt: Sie besuchen den Verzweifelten. Geben Ratschläge und suchen nach der Ursache von den vielen Schicksalsschlägen, die Hiob erfahren musste. Irgendwo hat Hiob Gott gegen sich aufgebracht, denken sie. Doch für Hiob sind Ratschläge auch Schläge. Die Worte seiner Freunde tun ihm weh und helfen ihm kein Stück weiter. Hiob hebt zu einer Rede an: Der Predigttext für den heutigen Sonntag: (Hiob19,19-27)

 

19 Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. 20 Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. 21 Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! 22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch? 23 Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, 24 mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen! 25 Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. 26 Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. 27 Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

 

Das Buch Hiob und die Geschichte von Manfred. Beide gezeichnet von Schicksalsschlägen. Beiden helfen alle Ursachenforschung, Ratschläge oder versteckte Vorwürfe nicht. Sie können Not nicht erklären und sie führen nicht aus der Krise heraus. Das Gegenteil von „Gut“ ist oft „gut gemeint“ habe ich mal in der Seelsorgeausbildung gelernt. Und: Ratschläge sind auch Schläge. Das ist nicht nur für Seelsorger gut zu wissen. Das ist auch gut zu wissen für alle Freunde oder Verwandte, die einem in Not Geratenen beistehen wollen.

 

Aber es gibt auch Unterschiede zwischen Manfred und Hiob: Manfred hat sich aufgegeben. Er ist nicht nur verlassen, er fühlt sich auch verlassen. Ein gemeinsames Gebet lehnt er ab. Nur wenige Tage nach meinem Besuch stirbt Manfred.

 

Hiob dagegen kämpft. Er wehrt sich gegen die Worte seiner Freunde. Und er hadert auch mit Gott! Die Freunde tun ihm mit ihren Worten Unrecht und auch Gott ist für Hiob kein gerechter oder lieber Gott! Das muss Hiob einfach sagen: Verschont mich in meiner Situation mit frommen Gerede oder theologischen Worthülsen! Er sagt: Ich weiß, dass mein GoEl lebt. GoEl ist hebräisch und heißt "Löser"; einer, der einem, dem Unrecht geschehen ist wieder zu seinem Recht verhilft. Und dann, so sagt Hiob, werde ich mit Hilfe des GoEl Gott gegenüberstehen. Ich werde Gott mit eigenen Augen sehen. Und dann werden wir, Gott und ich, miteinander Klartext reden! Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust!

GoEl, der Löser, lebt! Martin Luther hat das Wort GoEl mit „Erlöser“ übersetzt. Und er hat den Erlöser mit Jesus Christus gleichgesetzt. Hiob konnte das noch nicht. Und Manfred hat diesen Glauben auch nicht in sich getragen. Wir hören diesen Predigttext aber als Christen. Wir hören ihn in der Passionszeit. Und wenn Christus der Löser ist, der uns eines Tages zu unserem Recht verhilft, der unsere Klage über erfahrenes Leid und Unrecht hört und nicht in klugen Worten ertränkt; wenn wir das glauben können: Werden wir dann bei Krisen in unserem Leben aufgeben wie Manfred? oder werden wir wie Hiob kämpfen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Hiob nur durch den Glauben an Gott seine Kraft gewinnen kann. Seinen Glauben hat er nicht erst in der Krise gelernt hat, sondern lange davor. An Gott glauben ist manchmal ein hartes Geschäft. Gut, wenn wir früh lernen unseren Glauben wachsen zu lassen. Damit der Glaube in schweren Situationen Lasten trägt, braucht es Training. Braucht es Worte, die man im Herzen trägt. Lernt man Gebete, Lieder, oder aus Erfahrungen; merkt sich biblische Geschichten, oder Worte wie die von Hiob:

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!     Amen!

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