Ruth und Noomi, Predigt am 24.1.2021

 Lutherbibel 2017Rut zieht mit Noomi nach Bethlehem

1 Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. 2 Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. 3 Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. 4 Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, 5 starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann. 6 Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der HERR sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte. 7 Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, 8 sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. 9 Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten 10 und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. 11 Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? 12 Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde, 13 wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand hat mich getroffen. 14 Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber ließ nicht von ihr. 15 Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach. 16 Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. 17 Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. 18 Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. 

Liebe Gemeinde,

„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen…“ Viele Ehepaare haben sich diesen Vers als Trauspruch für ihre kirchliche Hochzeit ausgesucht. Ein Satz voller Vertrauen und dem festen Wunsch beieinander zu bleiben, was auch immer geschieht. Die meisten kennen die ganze Geschichte des Buches Ruth nicht, obwohl sie sich wie ein kleiner Roman liest und recht kurz ist. Die Geschichte beginnt hart und endet schließlich gut. ich habe hier einige Kästchen. In ihnen steckt jeweils ein für mich wichtiger Aspekt dieser Geschichte. 

 

Zum ersten Päckchen:

Ein Mann ausgerechnet aus Bethlehem, das heißt übersetzt: „Haus des Brotes“ , muss in die Fremde, in das ungeliebte Land Moab, ein Teil des heutigen Jordanien. Kein Urlaub, kein Sehnsuchtstrip, sondern Hungertreibt ihn aus seiner Heimat. Doch offenbar schafft Elimelech und seine Frau Noomi es, sich in der Fremde zu integrieren. Doch der Mann stirbt. Noomi bleibt mit ihren beiden Söhnen alleine in Moab. Die nehmen sich moabitische Frauen. Damit ist die Familie gesichert und auch die Witwe Noomi. Doch dann sterben auch die Söhne. Es bleiben drei Witwen zurück. Witwen hatten damals keine Absicherung. Keine Sozialhilfe, keine Rente, nicht einmal Bürgerechte. Es ist die absolute Katastrophe. Eigentlich gibt es keine Perspektive. Was soll da noch das Leben?

Das ist der Anfang der Geschichte: Eigentlich das persönliche Ende. Doch mit dem Ende will sich Noomi nicht zufrieden geben. Sie ist eine starke Frau. Die beiden Schwiegertöchter nehmen sich Noomi zum Vorbild. Sie vertrauen sich ihr an und gehen nun ihrerseits in die Fremde, zum Volk Israel. Denn es wird gesagt, dort gäbe es wieder Brot.

 

Aufgeben gilt nicht! Auch wenn das Leben ganz hart kommt. Das zeigt mir Noomi! Das ist der Inhalt meines ersten Kästchens.

 

Zum Zweiten:

Noomi merkt, was sie da von ihren Schwiegertöchtern eventuell verlangt. An der Grenze zwischen Moab und Juda, also am Jordan etwa, da fordert sie die beiden auf, in das Haus ihrer Mutter zu gehen. Sie sollen wieder heiraten. Wieder eine Familie gründen. Ein Leben neu aufbauen. Das klingt so selbstverständlich und zeugt doch von Größe. Menschen frei zu geben ist oft ja gar nicht einfach. Wir erwarten vom Partner, dass er oder sie immer für uns Zeit hat. Wir erwarten von den Kindern, dass sie sich später öfter bei den Eltern sich blicken lassen. Wenn wir eine Hilfe geben, dann erwarten wir oft auch, dass etwas zurückkommt. Das gilt im privaten, wie im politischen. Wir erwarten, dass Ausländer sich integrieren und schaffen umgekehrt es oft nicht, im Ausland die einheimische Kultur zu verstehen.

Noomi gibt ihre Schwiegertöchter frei. Zweimal bittet sie Orpha und Ruth, sehr eindringlich: Lebt Euer Leben.

Das ist der Inhalt meines zweiten Kästchens: Die charakterliche Größe, andere nicht für sich in Anspruch nehmen zu wollen.

 

Nun das Dritte:

Orpa entscheidet sich für das eigene Leben, für die Rückkehr in die Heimat, wieder in den behütenden Schoß der Eltern. Ruth macht das Gegenteil. Sie bleibt bei Ruth. Mehr noch: Wo du hingehst, da gehe ich auch hin, wo du bleibst, da bleibe ich auch. Ja noch mehr: Dein Volk ist mein Volk und Dein Gott ist mein Gott. Es ist übrigens die einzige Stelle, wo Gott erwähnt wird. Und zwar nicht als Handelnde Größe, sondern als Grund für das Vertrauen von Ruth. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. Die Moabiterin Ruth wendet sich einer für sie fremden Religion zu. Damit gibt sie eigentlich alles auf, was sie bisher geprägt hat: Elternhaus, Nationalität, und nun auch die Religion. Selbstaufgabe könnte man das nennen. In mir löst das Skepsis aus.

Ich denke an iranische Flüchtlinge, die ich kennengelernt hatte in meiner letzten deutschen Gemeinde. Sie hatten ihre Heimat aufgegeben, die Familie zurückgelassen und sich hier christlich taufen lassen. Als geborene Muslime drohte ihnen nach der Scharia mit dem Wechsel zur christlichen Religion die Todesstrafe. Die Ausländerbehörde war skeptisch: Religion als vorgeschobener Asylgrund? Bei der Vernehmung sollten die Iraner das Vater Unser aufsagen und das Glaubensbekenntnis.

Vielleicht war das was vorgeschoben. Aber in unserer Gemeinde haben sie gemerkt, dass der Gott der Bibel ihnen eher zusagt, wie der Gott des Korans. Und die Freiheit von uns Christen war für sie wie eine Erlösung gegenüber dem strengen Islam der iranischen Mullahs.

Das ist der Inhalt des dritten Kästchens. Die Frage: Wer bin ich? Wer will ich sein? Ich bin das, was mich geprägt hat: Elternhaus, Sprache, Kultur. Aber ist es das alleine? Gibt es für mich vielleicht auch noch einen ganz anderen Weg? Ruth hat sich für einen ganz anderen Weg entschieden.

 

Ich habe noch ein viertes Kästchen.

Wie gesagt: Die Geschichte im Buch Ruth beginnt hart. Und die Ankunft in Bethlehem war wohl so, wie die der Flüchtlinge aus dem Osten nach 1945. Noomi und Ruth wurden scheel angesehen: Ist das nicht die Noomi? Sagen sie. Doch die Geschichte geht letztlich gut aus. Ruth findet aus der Familie der Noomi wieder einen Mann, sie wird Mutter und Noomi stolze Großmutter. 

 

Stirbt die Hoffnung zuletzt? Ende gut, alles gut? Das sind Sprüche, die uns selten weiterhelfen. Aber manchmal ist es doch wirklich so, dass man denkt: Es ist alles aus! Und man fragt: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Wenn man dann nicht die Hände in den Schoß legt, sondern die Ohren spitzt und die Augen öffnet, den ersten Schritt wieder ins Leben wagt, dann gibt es manchmal sonderbare neue Wege, die weiterführen. Und oftmals, wie gesagt nicht immer, merkt man am Ende: Da gab es Umwege in meinem Leben und auch Sackgassen, aber sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin: Klüger, achtsamer, ausgestattet mit mehr Gottvertrauen und auch offener gegenüber allem Neuen, was uns an Geschichte oder Menschen begegnet. Auf Gottes Liebe vertrauen, das ist der Inhalt des vierten Kästchens. 

 

Amen!

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