Predigt zu 1. Thess.5,1-11 drittletzter Sonntag des Kirchenjahres am 8.11.2020

 Eiszeit:

 

Berge spucken Lava aus in den silberklaren Mond.
Aschenregen fällt auf uns
Die Erde hat Milliarden Volt
Und aus der Quelle schießt Glut so hoch bis zum Saturn

Atlantis kommt jetzt hoch
Doch wo bleibt der Mensch
Der sich daran freut?


Eiszeit - Eiszeit
Wenn die Meere untergehn und die Erde bricht.


Kontinente rasen dann in Sekunden auf sich zu.
Wer sieht noch den letzten Blitz dann vor dieser Explosion?
Die Wolken sind so rot
Und wo einst die Wüste war

Gähnt nur ein schwarzes Loch
Und der letzte Mensch bittet um den Tod… Eiszeit!

 

Das ist ein Textausschnitt aus dem Lied „Eiszeit“, dass Peter Maffay 1982 veröffentlicht hat. Er hat es im Schatten des atomaren Wettrüstens zwischen Ost und West geschrieben. Die Angst, dass es zum großen Knall kommen würde war real. Sie war sogar Teil des Systems dass ja „atomare Abschreckung“ hieß. Die einen versuchten mit der Angst ein Gleichgewicht des Schreckens herzustellen, die anderen machten sich Sorgen, dass ein klitzekleiner Fehler genügen könnte, um den weltweiten Atomkrieg, die Apokalypse herbeizuführen.

 

Gott sei Dank kam die Eiszeit aus Maffays Lied nicht. Eigenartig aber, dass diese Angst aus dem kalten Krieg schon wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten zu sein scheint. Atomwaffen gibt es ja immer noch zuhauf und die Erde könnte durch sie zig mal bis zum Saturn explodieren. Aber wir haben uns irgendwie daran gewöhnt. Wir leben so, als ob nichts wäre und schon nichts passieren wird. Man würde ja auch wahnsinnig werden angesichts dieses Wahnsinns.

 

Nun gibt es andere Szenarien des Weltuntergangs: Die Klimakatastrophe, die Zerstörung der Erde für unsere Enkel oder Covid19. Das ist alles real und nicht klein zu reden. Trotzdem: Wahrscheinlich werden wir uns irgendwie mit den Gefahren arrangieren und der Weltuntergang wird wieder einmal verschoben.

 

Das Weltende hat die Menschen schon immer beschäftigt. Martin Luther soll angesichts des türkischen Heeres vor Wien, den Bauernkriegen und der Pest im Jahre 1525 gesagt haben: wenn morgen die Weltuntergehen würde, dann würde ich morgen noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

 

Auch die jüdische Tradition kennt das Weltende, wie wir im Lesungstext beim Propheten Micha gelesen haben. Wir sind getauft worden mit den Worten Jesu: Siehe ich bin bei Euch bis an das Ende der Welt. Und der Apostel Paulus rechnet im heutigen Predigttext aus dem ältesten Teil unseres Neuen Testamentes, dem Thessalonicherbrief, auch mit dem nahen Weltende, das bei ihm „Tag des Herrn“ genannt wird:

 

Thess.5,1-6

 

Der Tag des Herrn

Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen: »Friede und Sicherheit«, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen. Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

 

Für die ersten Christen war der Tag des Herrn gleichbedeu-tend mit dem Weltende, aber nicht im negativen Sinn. Der Tag des Herrn war vielmehr Synonym für die Erlösung der Menschheit, für ein Ende des Leidens, ein Ende der Ungerech-tigkeit. Die Römer werden nicht mehr die Unterdrücker sein und die Feindschaft der Völker wird ein Ende haben. Blinde werden sehen und Lahme werden gehen. Ein Tag aber auch der Abrechnung, der Tag an dem das Weltgericht beginnt. Der Zeitpunkt, an dem jeder und jede für das eigene Verhalten geradestehen muss vor Gott.

 

Alles Blödsinn, sagten die einen. Sooft haben Menschen schon gedacht, dass die Apokalypse kommt und nichts ist geschehen. Wenn alle nur befolgen, was der römische Kaiser befiehlt, wenn alle sich in der bestehenden Ordnung eingliedern, dann herrschen Friede und Sicherheit. – Man kann die Zeit des Apostel Paulus nicht auf heute übertragen. Wir leben nicht unter einem Tyrannen, jedenfalls nicht in Westeuropa. Wir dürfen wählen, wir dürfen bei Unrecht vor Gericht ziehen. Aber es wäre wohl falsch, das alles als selbstverständlich und ewig während hinzunehmen. Die US Wahlen haben gezeigt, wie brüchig unsere vertrauten politischen Systeme sein können. Darum haben die Worte des Paulus auch für uns Bedeutung:

„So lasst uns nicht schlafen wie die anderen, sondern wachsam und nüchtern sein.“

 

Freilich: Das Paradies haben wir auch nicht. Oder wie es biblisch heißt: Wir leben noch nicht nach dem Tag des Herrn und erst recht nicht im Reich Gottes! Rechnen wir noch mit dem Tag des Herrn? Rechnen wir damit, dass eines Tages Stunden und Tage gezählt sind? Chronos heißt es in Vers 1 zum einen. Es wird demnachirgendwann nicht alles chronologisch weitergehen. Vielmehr gibt es einen Kairos (das ist das zweite Wort, was Paulus benutzt), einen Zeitpunkt, ein Ereignis, an dem etwas Neues anfängt. Im Sprachgebrauch der Bibel: Der Tag an dem der Messias wieder zu den Menschen kommt. Rechnen wir also damit, dass es diesen Kairos einmal geben wird? Rechnen wir damit, dass Jesus wiederkommt oder hat Paulus sich getäuscht? 2000 Jahre schon ist der messias nicht wieder gekommen. Ist Jesus lediglich eine tolle aber historische Figur? Rechnen wir damit, dass Gott uns einmal fragt: Mensch, was hast Du aus dem Leben gemacht, dass ich Dir anvertraut habe? Rechnen wir damit, dass einmal alle Völker zusammenkommen und Schwerter zu Pflugscharen schmieden und nicht mehr den Krieg lernen?

Paulus geht davon aus: „Über Zeit und Stunde, Brüder und Schwestern brauche ich Euch nicht zu schreiben. Ihr wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt….“

 

Nein lieber Paulus möchte ich antworten. So ganz sicher bin ich mir da 2000 Jahre später nicht mehr. Ich stelle mir den Tag des Herrn anders vor. Nicht als das große Weltende; keine apokalyptische Eiszeit, - eher: nach meinem Tod. Da hoffe ich, in Frieden ruhen zu können. Ich glaube daran, dass es vor Gott nicht egal sein wird, wie ich lebe oder gelebt habe. Aber ich hoffe und bete, dass ich einen gnädigen und barmherzigen Gott finden werde.

 

Und bis dahin, lieber Paulus, möchte ich als ein Kind des Lichtes leben; immer mit mehr Hoffnung als Sorge, mit mehr Glaube als Zweifel; ich möchte mich nicht mit Unrecht abfinden oder gleichgültig werden, wenn Menschen leiden. Reicht das? Ich weiß es nicht, aber ich hoffe darauf.

 Die Antwort auf meine Frage hat Paulus mit den auf den Predigttext nachfolgenden Worten schon gefunden:

„Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus unseren Herrn, das Heil erlangen. Er ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen. Darum tröstet und ermahnt einander - (ja, das Mahnen muss eben auch mal sein!) - und einer richte den anderen auf, wie ihr es schon tut.“

 

Beten wir also: Vater Unser, dein Reich komme! und bereiten durch unseren Glauben und unser Handeln dem Herrn den Weg. Amen!

 

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang