Klug mit dem Leben umgehen Predigt zum Volkstrauertag 15.11.20 zu Lk.16,1-8

 

VOM UNGERECHTEN VERWALTER

161Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.8Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

 

Ihr Lieben,

das Kirchenjahr geht zu Ende. Heute ist der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr.Er wird auch Volkstrauertag genannt: Gedenken an die Toten aus Krieg und Verfolgung insbesondere der Weltkriege. Für uns Deutsche ist dieses Erinnern immer ein schwieriger Umgang mit eigener Schuld und Verantwortung. Wenn ich meine Eltern und ihre Generation nach der Verantwortung im Nazideutschland gefragt habe, bekam ich meistens die Antwort: „Wir konnten ja nichts machen.“ Wie ich das gehasst habe! Unrecht ist geschehen und angeblich konnte keiner etwas machen! (Es hat ja lange gedauert nach 1945 bis nach und nach ans Licht kam, dass Menschen doch etwas gemacht haben: Die Geschwister Scholl, Georg Elser, die Männer und Frauen um den Kreisauer Kreis oder ein Fabrikant namens Oskar Schindler.)

Da kann man nichts machen! Dieser Satz begegnet mir auch in anderen Zusammenhängen: immer dann, wenn Leben gefährdet ist: Kriege in der Welt, Hunger, oder auch Corona. Oder wenn andere Ereignisse uns vor Augen führen, dass es nicht immer nur geradeaus himmelwärts geht: Wenn Beziehungen enden oder wirtschaftliche Ereignisse uns völlig aus der Bahn zu werfen drohen.

Von so einem Ereignis erzählt das Gleichnis von dem Verwalter, der das Vermögen seines Gutsherrn verschwendet und zu Grunde gerichtet hat.


Als die Unfähigkeit des Verwalters dem Gutsbesitzer zu Ohren kommt, hat er keine andere Wahl als dem Mitarbeiter zu kündigen. Chance gehabt, Chance verspielt. Ende. Das ist eigentlich nur gerecht. Da kann man nichts machen!

Doch der Verwalter denkt anders. Er hat eine Idee: Die Kündigung kann er nicht rückgängig machen, geschickte Hände, die zur ehrlichen Arbeit taugen hat er wohl auch nicht. Bevor er allein auf der Straße sitzt, will er sich Freunde machen. Er erlässt einfach einen Teil der Schulden der Pächter. Die Schuldner sollen selbst den Schuldschein fälschen. Der Verwalter hat also nicht nur schlecht gewirtschaftet, sondern er unterschlägt nun auch noch das Geld des Gutsbesitzers. Er ist ein Betrüger, ein Urkundenfälscher. Freilich nicht um sich selbst zu bereichern, aber doch in der Hoffnung sich mit krummen Geschäften Freunde zu verschaffen, die ihm dann hoffentlich in der bevorstehenden Arbeitslosigkeit beistehen werden.

 

Auch wenn die Geschichte so in der Bibel steht, kann ich Euch diesen Verwalter nicht als Vorbild empfehlen. Zur protestantischen Ethik gehören Ehrlichkeit, die Fähigkeit Fehler einzugestehen und die Verantwortung für Schuld zu übernehmen. Daran sollte niemand rütteln. Auch diese Geschichte nicht.

 

Trotzdem lobt der Besitzer den Verwalter, als er die Schalatanerie mitbekommt. Und der Gutsbesitzer steht für Gott. Gott lobt nicht das kriminelle Verhalten. Er lobt , weil der Verwalter klug ist. Er lobt ihn, weil er eben nicht sagt: Da kann man nichts machen. Er lobt ihn, weil der Verwalter nicht aufgibt, sich nicht in sein Schicksal ergibt, sondern versucht dem Leben eine Chance zu geben.

Am Volkstrauertag bleibt freilich ein fader Beigeschmack. Wir wissen ja, dass etliche des Naziregimens, der Kriegsverbrecher, sich nicht der Verantwortung gestellt haben, sondern geflohen sind: Nach Spanien oder nach Südamerika. Ohne ein Schuldeingeständnis, ohne ein Mitleid mit den Opfern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott das am Ende der Zeit gutheißen wird: Erst Verbrechen begehen und dann bei dubiosen Freunden untertauchen um der Strafe zu entgehen. Das ist ja auch feige! Am Volkstrauertag laufen wir eben nicht weg vor unserer Geschichte und der Verantwortung.

 

Der Verwalter in der biblischen Geschichte läuft auch nicht weg. Er ist pfiffig aber nicht feige. Man muss also schon genau hinschauen bei dieser Geschichte. Es ist eine schräge Geschichte ohne einfache Lösung. So wie im Leben auch manches schräg ist und einfache Lösungen nicht dienlich sind. Was können wir also hier lernen?

 

Ich lerne dieses: Es gibt viele hoffnungslose Geschichten. Geschichten, die einen zunächst ratlos werden lassen. Sie ereignen sich überall. Da scheitert eine Ehe. Es ist ein menschliches und finanzielles Desaster. Aufgeben? Weil man ja doch nichts machen kann?

 

Da wird jemand schwer krank. Aufgeben, weil man ja doch nichts machen kann? Im Krankenhaus habe ich gelernt, wie hilfreich es ist, wenn Patienten ihre innere Kraft aufbringen um mit einer Krankheit zu leben. Eine kluge und stabile Seele ist ein gutes Medikament.

 

Da gibt es diese Pandemie. Sich zurückziehen? Vereinsamen? Oder: Weitermachen, mit Party, ohne Maske, ohne Abstand, weil man ja sowieso irgendwann einmal sterben muss? Beides ist auch ein Sich-aufgeben. Man kann ja eh nichts machen.

 

Ich lerne von dem unehrlichen Verwalter, dass wir Menschen die Aufgabe haben, unser Leben zu gestalten und zu verantworten, bis zuletzt. Gott hat uns das Leben nicht gegeben, um es leichtfertig aufzugeben. Das lehrt mich diese Geschichte, das lehrt mich das sonderbare Lob des Gutsbesitzers gegenüber dem schrägen, aber pfiffigen Verwalter.

 

Ich lerne auch, dass es wichtig ist, ein soziales Netzwerk zu haben. Nicht irgendeines, sondern eines das trägt. Du brauchst Freunde, Du brauchst Vertrauen in Menschen. Vor allem, wenn Lebensabschnitte zu Ende gehen und ein Neuanfang noch nicht erkennbar ist. 

 

Und wenn die „Kinder der Welt“ (Vers 8) manchmal klüger sind als die Kinder des Lichts, dann ist das eben auch ein Hinweis darauf, dass Christen Weisheit und Klugheit nicht für sich gepachtet haben. Wir sind keine Sekte, die sich von der Welt abwendet, sondern wir sind als Christen, als Kirche, Teil dieser Welt. Darum ist es wohl besser, mit dem uns Anvertrauten klug umzugehen, gar nicht erst in die verzwickte Situation des untreuen Verwalters zu gelangen. Unser Gutsbesitzer ist Gott. Wir gehören zu ihm. Wir haben das Leben geschenkt bekommen. Wir sollen es nutzen. Wahrscheinlich machen wir dabei Fehler. Hoffen wir auf den Guts-herren, der dann am Ende unsere Klugheit lobt, weil wir gelernt haben mit Fehlern und Schuld umzugehen; oder wir vertrauen darauf, dass der Gutsherr zumindest lächelt, wenn wir versuchen, aus Schaden klug zu werden. Amen!

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