Das Ährenraufen am Sabbat, Predigt von Verena Wache am 25.10.20 zu Mk. 2,23-28

 Predigt Markus 2,23-28, 25. Oktober 2020 in Las Américas

Verena Wache, Prädikantin

Das Ährenraufen am Sabbat

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.

Liebe Gemeinde,

wir haben die Lesung aus dem 2. Buch Mose (31,12-17) noch im Ohr, wie bedrohlich das klang, in welcher Radikalität Gott die Einhaltung des Sabbats einfordert. Und nun diese Geschichte vom Ährenraufen. Haben all die doch Recht, die meinen, dass mit Jesus das Erste, das Alte Testament nicht mehr gültig ist? Diese Frage ist spannend und nicht sofort mit Ja oder Nein zu beantworten. Darum lasst uns einmal genau hinschauen. 

Was ist eigentlich „der Sabbat“ oder wie die Juden sagen „Schabbat“?  Er beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend der Woche, also nicht an einem Tag mit 24 Stunden, sondern so wie es in der Schöpfungsgeschichte bei Mose steht „und es war Abend und es war Morgen, ein Tag“. Die traditionelle jüdische Schabbatfeier beginnt am Freitagabend zu Hause mit dem Schabbatsegen  und einem Festmahl. Der Abend beginnt, „wenn man einen grauen Wollfaden nicht mehr von einem blauen unterscheiden kann“. Heute ist man mehr und mehr dazu übergegangen, den Schabbat der Einfachheit halber um 18:00 Uhr zu beginnen. 

Am Samstagmorgen findet in der Synagoge ein Gottesdienst mit Thora-Lesungen und Gebeten statt, einschließlich einer festlichen Thora-Prozession, d.h. die Thora-Rollen werden durch die Synagoge getragen und feierlich präsentiert. Daheim folgen mittags weitere Schriftlesungen und Gebete, abends beim Schein der  liturgischen Kerze nochmals ein Weinsegen – der Wein spielt ebenfalls eine große Rolle beim Schabbat -  und der gegenseitige Wunsch für eine „Gute Woche“. 

Essen und Trinken sind sehr wichtig – gut und festlich soll es sein. Es werden drei Mahlzeiten eingenommen– eine am Freitagabend, zwei am Samstag – was vor allem für die ärmeren Menschen früherer Zeiten Üppigkeit bedeutete. Gekocht werden darf aber nicht. Man hat viel Einfallsreichtum entwickelt, um Speisen warm zu halten. 
Gearbeitet werden darf nicht, Sportveranstaltungen, viele Freizeitbeschäftigungen finden nicht statt, Busse und Bahnen fahren nicht. So hat man an diesem Tag viel Zeit für Familie, Freunde und Gebete.

Dass die Einhaltung der Sabbatgebote nicht überall mit dem richtigen Ernst erfolgte, zeigt diese Erwartung:

„Wenn Israel nur ein einziges Mal den Schabbat wirklich halten würde, würde der Messias kommen, denn das Halten des Schabbats kommt dem Halten aller Gebote gleich.“ Ich finde es sehr entlastend, dass wir als Christen nicht mehr auf den Messias warten müssen, der für uns Jesus Christus ist. Er hat uns in die Geschichte mit Gott mit hineingenommen.

„Siehe, der Schabbat ist euch übergeben, nicht ihr seid dem Schabbat übergeben.“ So legten bereits im Jahr 180 jüdische Rabbiner die Schrift aus. 
Sie könnten bei Jesus abgeschrieben haben. 

Jesus kannte die Gebote und Vorschriften, wie der Sabbat zu feiern war, nur zu genau. Und die Pharisäer kannten sie und achteten peinlich genau darauf, dass sie auch eingehalten wurden. Immer wieder weisen sie Jesus auf die vermeintlichen Fehler seiner Jünger hin und fragen ihn, wie er das zulassen konnte. Und immer wieder befindet sich Jesus mit ihnen im Streitgespräch. Man könnte fast meinen, er sucht diese Auseinandersetzungen. Kann man auch verstehen, denn die Pharisäer kannten die Thora sehr gut und waren stolz  darauf, sie anderen unter die Nase halten zu können. 

Doch was haben die Jünger Jesu eigentlich falsch gemacht? „Ährenraufen am Sabbat“ – das ist Arbeit und verboten. Mehr als 1000 Schritte zu tun – das ist ebenfalls verboten. Hunger haben jedoch nicht. Menschen müssen essen und trinken. Niemand hält das ohne aus und wer weiß, wie lange die Jünger schon mit Jesus unterwegs waren und wann sie die letzte Mahlzeit eingenommen haben. 

Weil die Pharisäer sich so allwissend gaben, darum hielt Jesus ihnen die Geschichte von David entgegen. Worum ging es da? Ich erzähle es kurz, weil es wichtig ist und Jesus selbst es anspricht. Also: David ist auf der Flucht vor dem König Saul, der ihn töten wollte. Er kam nach Nob, einem Ort ganz in der Nähe von Jerusalem. Dort gab es ein Heiligtum, in dem der Priester Ahimelech, unterstützt von seinem Sohn Abjathar, Dienst tat. 

David kam in höchster Not zu ihnen und bat für sich und seine Männer, die sich verborgen hielten, um fünf Brote. Doch außer den Schaubroten hatten die Priester nichts zu essen da, aber diese „heiligen Brote“ gaben sie ihm und den Seinen und sicherten so ihr Überleben. Verbote hin oder her, die Barmherzigkeit siegte. Und derjenige, der von Gott selbst zum späteren König bestimmt wurde, konnte fliehen. Doch König Saul ließ zur Strafe alle Priester von Nob töten; einzig Abjathar überlebte. Manchmal siegt eben auch die Unbarmherzigkeit, wenn auch nicht für immer – Gott sei Dank.

Und Jesus sprach zu den Pharisäern: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.“

Nimmt er damit das weg, was im 2. Buch Mose noch mit dem Tode bedroht war? Nein, das tut er nicht. Aber er erkennt an, dass es Ausnahmen gab und gibt. An keiner Stelle er Evangelien nimmt der „auch nur ein Jota“ – d.h. einen I-Punkt – des Ersten Testamentes zurück. Aber er übt und fordert Barmherzigkeit. Beim Sabbat geht es eben nicht um Leben oder Tod, sondern einzig allein um das Leben. Um ein gutes Leben mit Gottes guten Regeln. Denn ohne Regeln gibt es kein menschenwürdiges Zusammenleben. 

Du sollst den Feiertag heiligen – so das 3. Gebot, was natürlich auch für uns gilt. Unser Feiertag ist der Sonntag, nicht der Sabbat, darin unterscheiden wir uns von unseren jüdischen Geschwistern. Doch wie ist es mit der Heiligung hier, in unserem Umfeld, bei uns persönlich zuhause?

Wenn ich mich hier auf Teneriffa umschaue, dann frage ich mich: was ist aus dem Feiertag geworden! 
In Deutschland führte die Entwicklung zu der bissigen Bemerkung: 
Die Katholiken gehen am Sonntag in die Kirche, die Evangelischen in den Wald. Und egal welcher Konfession wir angehören – hier auf Teneriffa wird Shoppen gegangen, am liebsten jeden Tag und bis spät in den Abend; Supermärkte und Shopping-Center laden mit ihren Öffnungszeiten an 365 Tagen im Jahr dazu ein. 

Sonntags zur Kirche gehen: für viele stimmt das wohl kaum noch.  Umso schöner, dass ihr heute hier seid. Aber am Sonntag Wäsche waschen, Rasen mähen, die neuen Lampen anbringen, schrauben und bohren, mit dem Presslufthammer die Grube für das neue Schwimmbad aufstemmen – das geht schon eher als der Kirchgang, oder? 

Man darf sich da nichts vormachen, all das gibt es und macht den Sonntag unheilig. Ich frage mich, wie die Menschen das organisieren, überhaupt nochmal mit der ganzen Familie zusammen den Sonntag zu feiern oder einfach nur der freien Zeit an diesem besonderen Tag zu frönen.

Und ich erinnere mich an meine Kindheit. Sonntags zum Kindergottesdienst – das war mir immer ein Anliegen, auch wenn ich oft ganz allein ging. Sonntags wurde das Sonntagskleid und die neuen Schuhe angezogen. Auf dem Mittagstisch stand der Sonntagsbraten. Er wurde in der „guten Stube“ serviert auf dem guten Geschirr. Am Nachmittag hinaus ins Grüne, manchmal ins Café, wo meine Eltern das Tanzbein schwangen und ich meinen Apfelsaft in einem Weinglas serviert bekam. Und ich war stolz wie Oskar. Schöne Erinnerungen sind das.

Gott hat uns als freie Menschen geschaffen. Wir haben ganz viele Möglichkeiten, unser Leben mit gutem Gewissen zu gestalten.  Zur freiheitlichen Gestaltung gehört auch zu lernen, Regeln zu akzeptieren. Was tut mir gut, was tut anderen gut? Eine einförmige, immer gleiche Sieben-Tage-Woche tut sicher nicht gut. 

Darum hat uns Gott das 3. Gebot gegeben. Der Sabbat, der Sonntag, ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Und Jesus Christus,  der Menschensohn, ist Herr auch über den Sabbat. Das ist so – ohne Wenn und Aber. 

Wir brauchen unseren Sonntag, um Mensch zu sein und Mensch zu bleiben, Gottes geliebte Kinder um Jesu Willen. Wir brauchen ihn, um miteinander im Gespräch zu bleiben, zu feiern, zu trauern, zu lachen und zu weinen. 

Denn es ist uns gesagt, was gut und was Gott der Herr von uns fordert: nichts als sein Wort halten und Liebe üben und demütig zu sein vor unserem göttlichen Vater. Amen.

 

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