Du sollst gehen wohin ich dich sende. Predigt am 9.Sonntag nach Trinitatis zu Jeremia 1,4-10

 Liebe Gemeinde,

Vor genau 40 Jahren habe ich mit dem Theologiestudium begonnen. Übrigens sehr zum Entsetzen meines Vaters. Meine Eltern hätten es lieber gesehen, wenn ich was „Anständiges“ gelernt hätte: Kaufmann sollte ich werden. Ich dagegen wollte mit meinem Dienst in der Kirche für Menschen da sein, wollte sie trösten, stärken und verbinden, wollte eine Gemeinde aufbauen. Und ich wollte damit wohl auch ein bisschen die ganze Welt verbessern. 

 

Als ich meinen Dienst dann antrat, war ich seit Urzeiten der jüngste Pastor in meiner Landeskirche. Hinter meinem Rücken wurde getuschelt: „Kann der das überhaupt schon? Der hat doch gar keine Erfahrung!“

 

Was hatte ich für Ideen und Ideale! Wie oft habe ich dann aber von der Gemeinde gehört: Wichtig ist uns, dass das Bestehende weitergeführt wird. Und wenn ich Verbesserungsvorschläge machte, hieß es eigentlich immer: Das haben wir aber noch nie so gemacht! Und auch gegenüber meinen Chefetagen musste ich die Erfahrung machen, dass derjenige, der am wenigsten Probleme macht oder Fragen aufwirft, der beste Pfarrer ist und damit geeignet für die Karriere. Ich habe also keine Karriere machen können. Ich bin einfacher Pfarrer geblieben und mittlerweile auch abgeschliffen, wahrscheinlich ganz schön bürgerlich angepasst in vielen Dingen. Bei den meisten kommt das ja auch viel besser an.

 

Vor 2621 Jahren begann der Prophet Jeremia seinen Dienst als Prophet. Sein Vater war Priester im Jerusalemer Tempel. Er hätte es gerne gesehen, wenn sein Sohn sein Nachfolger, ein guter und braver Verwalter des Gottesdienstes geworden wäre. Aber Jeremia war jung, noch zu jung für den Dienst im Tempel.

 

Am Anfang des Buches Jeremia erzählt uns der Prophet, dass nicht der Wunsch des Vaters, nicht der Wunsch Jeremias zählte, auch nicht das Alter oder die Erfahrung. 

 

Jer.1,4-10

 

Und des HERRN Wort geschah zu mir:  Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker. Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

 

Das ist ein Bibeltext der nicht passt. Er passt nicht zusammen mit den Vorstellungen eines Geistlichen, die ich mal hatte, er passt nicht in die Bürgerlichkeit unserer Kirchenlandschaft, er passt nicht in die Meinung, dass Glaube Privatsache sei und er passt anscheinend auch nicht in die Lebensplanung von Jeremia:

Gott sendet!
Gott gebietet!

Gott legt die Worte in den Mund!

Gott setzt Jeremia über Völker und Königreiche!

Er soll ausreißen und einreißen,

zerstören und verderben.

Dann erst – am Ende: auch bauen und pflanzen!

 

Und alles ist von Gott erdacht, lange bevor Jeremia geboren wurde! 

 

Wenn ich überlege, welche Möglichkeiten Eltern heute haben, lange vor der Geburt. Das Geschlecht kann bestimmt werden. Ein Kind mit Behinderungen kann ggf. abgetrieben werden. Es gibt Wunschkinder und also auch nicht gewünschte Kinder. Eltern versuchen meistens ihrem Nachwuchs ein  sorgenfreies Leben zu ermöglichen. 

 

Doch Gott hat bei Jeremia einen Plan, in dem es nicht um menschliche Wünsche geht, nicht um die Freiheit von Sorgen, nicht um Beliebtheit oder Anerkennung einer Person. Was Jeremia predigen soll ist gefährlich.

 

Jeremia hat Angst. Er weiß, dass er seine Freunde verlieren wird, dass er Feinde haben wird und Sorge haben muss um sein Leben, wenn er ausreißt und einreißt, wenn er zerstören und verderben soll, wenn er die Dinge kritisieren soll, die dem Reich Gottes widersprechen. Er ahnt, dass man ihn nicht ernst nehmen wird. Dass man iohn verscheuchen wird wie eine lästige Fliege. Im schlimmsten Fall wird man ihn töten.

 

Gott ist unheimlich. Seine Botschaft rüttelt auf. Wer weiterliest erfährt, dass Gottlosigkeit ebenso wie falsche Vergötterung Unheil gebiert, Unrecht und Unmenschlichkeit führt zum Verderben.

 

Ich überlege, was das für heute bedeutet?

Sind Politiker, die bedroht werden oder gar ermordet werden, weil sie sich für gerechte Lösungen einsetzen, die Jeremias von heute? Sie müssen Unangenehmes predigen, Entscheidungen, die es so noch nicht gegeben hat. Sie werden dafür nicht mit Beifall rechnen.

 

Ist etwas von Gottes Wort an Jeremia zu hören, wenn junge Menschen auf Umweltproblematiken aufmerksam machen, die keinen Aufschub dulden? Kritisiert Jeremia auch uns, wenn wir sagen: Wird alles nicht so schlimm, wir machen weiter mit unserem Konsum, nur nicht zu viel Veränderung auf einmal?

 

Ausreißen, einreißen, zerstören und verderben, wenn Menschen nicht auf Gottes Wort hören wollen, wenn man sich nicht so verhält, wie es sich in Gottes Schöpfung gehört!

 

Muss wirklich erst alles kaputt gehen, bevor neu gebaut und neu gepflanzt werden kann? Fast 600 Jahre vor Christus war das so. Das Land Israel und der Staat Juda wurden zerstört und von der Landkarte vertilgt. Erst etwa 50 Jahre später fing man neu an. Es sollte alles besser werden.


Vor 75 Jahren war Deutschland durch den Wahnsinn der Nazis zerstört und man baute neu und das Pflänzchen Demokratie fing an zu Blühen und brachte gute Früchte.

 

Aber jetzt sind die schon wieder auf der Straße, die das System nicht wollen, denen menschliche Werte und Anstand völlig egal sind. Lernen Menschen denn nie?

 

Der Bibeltext passt also doch: Er passt nicht in unsere Gemütlichkeit und Behäbigkeit. Aber er passt, wenn es um die Zukunft der Menschen und Gottes Schöpfung geht. Er passt auf uns auf, er zeigt, dass wir Gott nicht egal sind. Und manchmal schickt er Menschen oder Worte, die unbequem aber notwendig sind. Nicht jeder Kritiker ist ein Prophet von Gott. Und nicht jeder, der angeblich in Gottes Namen kritisiert, ist ein von Gott gesandter Prophet.


Der Prophet heute heißt nicht Jeremia und er muss auch kein großes Buch hinter sich haben. er heißt so wie Du oder ich. Er oder sie schaut nicht weg, wenn ein blöder rassistischer Spruch auf dem Auto des Nachbarn steht. Er nimmt nicht schulterzuckend zur Kenntnis, wenn ein Mensch diskiminiert wird.

 

Deshalb ist es gut, wenn unser Glaube im Training bleibt, mutig ist und Dummheit und Klugheit unterscheiden lernt. Und dazu sind die Worte aus dem Jeremiabuch eine gute Herausforderung. Passt auf Euch auf! Gott halte seine Hand über Euch. Amen.

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