Die Offenbarung des Johannes Predigt zu Offb. 1,9-18 am 2. Februar 2020

Liebe Gemeinde,
Denken Sie einmal einen Moment darüber nach wie Sie zum Glauben und zur Kirche gekommen sind….
Bei mir war es fast langweilig….
Ich bin in einem christlichen Elternhaus groß geworden. Als Kind wurde ich getauft. Meine Eltern haben mit uns abends am Bett ein Gebet gesprochen. Dann war ich im Kindergottes-dienst, hatte Konfirmation und dann tolle Erfahrungen mit der Jugendgruppe in der Heimatkirche und mit unserem Pfarrer. Ich habe kein Bekehrungserlebnis gehabt. Ich bin als Christ aufgewachsen. Als ich angefangen habe 1980 in Göttingen Theologie zu studieren, waren wir manchmal über 500 Theologiestudenten in einem Hörsaal. Es war nicht anstößig zur Kirche zu stehen.

In meiner letzten Gemeinde habe ich Ahmed kennengelernt. Er ist Iraner und kam als Flüchtling nach Deutschland. Er sei Christ, sagte er mir. Er kam auch regelmäßig in unseren Gottesdienst. Wie er denn zum Christentum gekommen sei, habe ich ihn gefragt. Ahmed erzählte, dass eines Tages ein Fremder an die Tür seines islamisch geprägten Elternhauses geklopft habe und von Jesus erzählt hatte. Da sei er Christ geworden. Von seiner Mutter sei er deswegen mit einem Stock auf die Finger geschlagen worden. Ahmed hat mir die Narben gezeigt. Und dann hielt er mir ein Video vor von einer öffentlichen Auspeitschung seiner Freunde, die auch Christen geworden seien. Sein Bekehrungserlebnis kann ich nicht nachvollziehen und die Folterbilder nicht überprüfen. Aber ich weiß, dass in vielen Ländern Christen verfolgt werden. Und ich habe gespürt, dass Ahmet das Christsein wichtig war und gleichzeitig hatte er Angst abgeschoben und wegen seines christlichen Glaubens verfolgt zu werden.

Eine ähnliche Erfahrung hatte auch Johannes gemacht. Wegen seines christlichen Glaubens wurde er vom Kaiser Domitian in die Verbannung auf die Insel Patmos gebracht. In seinem Buch der Offenbarung schreibt er an sieben Gemeinden in der heutigen Türkei:
Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posau-ne, die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.  Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuer-flamme und seine Füße gleich Golderz, wie im Ofen durch Feuer gehärtet, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen  und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Eine Vision für verängstigte Christen, denen Verfolgung droht. Johannes sollte den Mund halten doch Gott lässt sich nicht mundtot machen. Der mächtige Kaiserkult wird nicht das Letzte sein. Christus ist der Erste und der Letzte. Gebt dem Kaiser nicht, was ihm nicht gehört: Euren Glauben. 
Ahmet wird solche Texte nachvollziehen können. Für ihn ist es auch nicht verwunderlich, dass es solche Träume gibt. Mir sind sie eher fremd. Ich habe keine so gewaltigen Bilder von Gott im Kopf. - Aber ich merke: Die Bilder, die Johannes geträumt hat, sind eindringlich. Da geht es nicht um eine selbstgemachte religiöse Vorstellung, nicht um seelisches Ruhen in sich selbst, da geht es um den Gott, der anders ist als wir ihn uns vorstellen: Der goldene siebenarmige Leuchter aus der Synagoge beherbergt eine Gestalt, einem Menschen gleich. Für Johannes ist es klar. Hier spricht Jesus direkt zu ihm. Er hat Augen wie eine Flamme und seine Worte sind wie ein scharfes Schwert aus seinem Munde. Ein Bilderreichtum,  der für alles andere als ein seichtes Christentum steht.
            Johannes bekommt den Auftrag, die ihm anvertrauten Gemeinden im Glauben zu stärken, das Profil zu schärfen, allen Anfeindungen zum Trotz.

Wenn ich auf mein Leben schaue, dann merke ich, dass Christsein heute lange nicht mehr so selbstverständlich ist wie ich es noch als Kind erlebt habe. Wer sich zur Kirche bekennt, muss ich oft rechtfertigen: „Was? Du bist noch in der Kirche?“
Oder als Pfarrer merke ich das oft bei Trauungen, dass Ehe-leute die Kirche als schmückendes Beiwerk für eine glamou-röse Show brauchen. Aber wofür die Kirche eigentlich steht, das wissen sie nicht. Als Christen leben wir in einem bunten Mit- und Durcheinander von Religionen und selbst gestrickten Weltanschauungen. Aus meiner jugendlichen Volkskirchlich-keit hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die weniger als die Hälfte zu einer der beiden großen Kirchen zählt. Das Christen-tum wird bei uns zu einer Randerscheinung, nicht weil wir verfolgt und bedroht werden, sondern weil es für die meisten egal ist, was einer glaubt oder nicht; ob einer glaubt oder nicht.
Auf der einen Seite ist das erschreckend, denn mit weniger Christen und weniger Mitteln wird etliches wegfallen, was in unserer Gesellschaft auch für Nichtchristen eigentlich selbst-verständlich erscheint: Den kirchlichen Kindergarten gibt es vielleicht nicht mehr, oder einen Pfarrer auf Teneriffa. Das Telefon für eine Beerdigung ist nicht mehr besetzt und warum sollte man kirchliche Feiertage, wie Himmelfahrt oder Pfing-sten eigentlich gesetzlich verankern? Die Kirche muss nicht im Dorf bleiben, wenn die Menschen sich nicht bewusst dafür einsetzen…

Auf der anderen Seite gibt es auch eine Chance. Die Kirche muss nicht immer Stellvertreteraufgaben für die Gesellschaft leisten. Wir können mehr von dem reden, weshalb es uns Christen eigentlich gibt: Da gibt es einen Gott der spricht uns in aller Menschlichkeit an. Der legt wie bei Johannes seine rechte Hand auf Dich und mich und sagt: Fürchte Dich nicht! Ich bin der erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Wenn es Gott nicht egal ist, ob es Dich oder mich auf dieser Erde gibt, dann ist es auch nicht egal was wir glauben und wie wir leben. Wir bekennen unseren Glauben an den Gott der Bibel, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Wir vertrauen darauf, dass es richtiger ist, ihm nachzufolgen und durch unseren Lebensstil seiner Menschenfreundlichkeit nachzufolgen, als uns denen anzupassen, die den eigenen Vorteil suchen, andere ausgrenzen und denen letztlich nichts mehr heilig ist. - Am letzten Sonntag nach Epiphanias werden wir auch in der Kirche darauf hingewiesen, wer der Maßstab für die Ausrichtung unseres Glaubens und Handelns ist: Jesus Christus! Die Offenbarung des Johannes macht mir klar, wie schnell man diesen Maßstab aus den Augen verlieren kann. Auch Christen sind nicht frei von Versagen und Glaubens-schwächen. Aber wir vertrauen darauf, dass Gott lebendig ist und die Schlüssel hat, um aus Tod und Hölle wieder ins Leben zu gelangen. Amen!

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