Das Hirtenprinzip Predigt zu Joh.10

Ihr Lieben,
ich habe mal ein Buch über Management und Personalfüh-rung gelesen. Es heißt: „Das Hirtenprinzip“. Es geht um einen jungen Betriebswirtschaftsstudenten, der kurz vor dem Examen steht und beste Zeugnisse vorweisen kann. Ein Job ist ihm schon sicher. Er soll die Personalführung eines Unternehmens übernehmen.
Da wird er unsicher. Wie man mit Menschen umgeht, das hat er an der Uni nicht gelernt. Er bittet seinen Professor um Hilfe. Der willigt ein und nennt ihm den kommenden Samstag morgen als Termin. In bester Kleidung wartet der Student auf seinen Professor. Der kommt ein wenig zu spät mit einem dreckigen Geländewagen. Er selbst steckt in Gummistiefeln. Der Student wundert sich, sagt aber vorsichtshalber nichts. Die beiden fahren zu einer Weide mit Schafen. „Wir müssen den Zaun überprüfen und evtl. reparieren!“, sagt der Professor. Der Student schüttelt den Kopf, gibt aber sein Bestes inmitten von Schafskot mit seinen schwarzen Glattlederschuhen und im Jacket. Nach 2 Stunden getaner Arbeit steigen die beiden wieder ein und der Professor fährt seinen Studenten nach Hause. „Aber Sie wollten mir doch Unterricht in Personalführung geben!“ protestiert der junge Mann. Der Professor antwortet: „Sie haben soeben ihre erste Doppelstunde bekommen! Wer Menschen führen will, muss ihre Grenzen kennen und sie innerhalb dieser Grenzen schützen! Wie die Schafe…“
Einige Tage später kommt die zweite Lektion, wieder an der Weide. „Wir müssen die Hufe der Schafe kontrollieren und evtl. schneiden!“ Vorsichtshalber hat der Student nun auch Gummistiefel an und den Anzug zuhause gelassen. „Wer Menschen führen will, muss rechtzeitig erkennen, wenn sie krank werden oder es ihnen nicht gut geht…“ Dann kommt wieder eine Unterrichtsstunde inmitten der Tiere: Der Student soll nun die Schafe mit seiner Stimme zusammentreiben. Das geht allerdings kollossal schief. Kein Schaf reagiert. Da brüllt der Student ein Schaf an. Das läuft vor Schreck weg, anstatt die Anweisungen zu befolgen. „Das ist normal!“ sagt der Professor. „Sie müssen das Vertrauen erst erwerben. Warum sollten Ihnen die Schafe vertrauen? Noch sind Sie ein Fremder. Sie brauchen Zeit und Geduld, bis die Schafe merken, dass es gut für sie ist, wenn Sie ihnen klare Anweisungen geben!“ So geht es in insgesamt 10 ( wie ich finde klugen) Lektionen weiter mit dem „Hirtenprinzip“.
Auch wenn wir Menschen ungern als Schafe bezeichnet werden wollen, die zwar niedlich aber irgendwie doch eher dumm daher blöken, eignet sich das Bild vom Schaf gut, für die Notwendigkeit von Führung und Begleitung. Wahrscheinlich wären wir viel lieber der Hirte, nach dessen Stimme sich alles zu richten hat. Aber Menschen zu führen, ein Ziel mit ihnen zu entwickeln und sie auf den Weg zu bringen ist etwas anderes als Befehle zu erteilen oder was noch schlimmer ist: So zu tun, als wären keine Ziele notwendig, man können immer auf dem Weideplatz bleiben; nach dem Motto: Änderungen haben wir noch nie gemacht, wir wollen, dass alles so bleibt wie es war. Solche Hirten handeln verantwortungslos und führen ihre Herde auf abgegrastes Terrain! 
(Gerade prophezeit eine Untersuchung, dass die Kirchen in Deutschland massiv Mitglieder, Gelder und auch Pfarrer und Pfarrerinnen verlieren wird. Bis zu 50% weniger! Da muss man sich Gedanken machen, wo neues Weideland ist, wo Menschen satt werden können auch an Geist und Seele.)
Die Bibel führt uns immer wieder vor Augen, dass es neben den mehr oder weniger „normalen“ auch dumme und dumpf blökende Schafe gibt, die nur einem vermeintlichen Herdentrieb folgen. Sie beschreibt Menschen manchmal wie bockige Schafe. (Wie oft seufzt Jesus über das Unverständnis seiner Jünger!)Sie erinnert aber ebenso oft an vermeintliche Hirten, die letztlich nicht dem Wohl der anvertrauten Herde, sondern nur eigenen Interessen folgen. Die wie – wir heute sagen würden – beratungsresistent sind. (Die Weisen aus dem Morgenland sind das Gegenteil vom politischen Hirten Herodes!)
Das Auffällige ist, dass Gott sich doch immer wieder um uns manchmal klugen und manchmal blöden Menschen kümmert, wie ein guter Hirte sich um seine so unterschiedlichen Schafe kümmert. Jesus selber sagt, er liebe diese Schafsmenschen wie ein guter Hirte. Ich lese uns den Predigttext für den heutigen Sonntag:

Joh. 10, 11- 16:
 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie –, denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. 
Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden

Die erste gute Nachricht ist: Es gibt diesen guten Hirten. Nicht nur im Buch „das Hirtenprinzip“ für einen kleinen Leserkreis, sondern gleich für ganz viele und es sollen noch viel mehr werden. Die Sache mit Gott ist noch lange nicht am Ende, sondern hat Wachstumspotential: „Ich habe noch Schafe in einem anderen Stall“. Das finde ich wichtig, wenn gerade in Deutschland viele darüber klagen, dass Kirchen nicht mehr zeitgemäß seien und ja keiner mehr in die Kirche gehen würde. Da passt es einfach nicht, wenn Ideen zu lebendigeren Gottesdiensten gar nicht umgesetzt werden dürfen, weil man das ja noch nie so gemacht hat! Wenn Gruppen so weiter machen wie bisher und dabei immer älter und weniger werden, wenn angebliche Pfründe verteidigt werden, anstatt gemeinsam klug neues Weideland zu erkunden, selbst wenn man vielleicht erst einmal auf Disteln stößt. Nein Jesus, hat an vielen Stellen deutlich gemacht, dass bei aller Tradition es immer wieder Geschichten und Erlebnisse braucht, in denen die Liebe Gottes immer wieder neu entdeckt werden darf.
Die zweite gute Nachricht ist, dass die Bibel den guten Hirten auch charakterisiert. Der gute Hirte ist bereit sein Leben zu lassen. Natürlich deutet Jesus damit seinen eigenen Weg bis ans Kreuz an. Das Johannesevangelium setzt damit auch eine Grenze zu vielen anderen Hirten: den damaligen Führern in der Religion genauso wie den politischen Führern in Rom und Jerusalem. Sie benutzen das Amt zum eigenen Vorteil. Für sie sind Veränderungen immer gleich Verrat und Revolte. 
Das ist leider nicht nur Vergangenheit und auch nicht nur der Charakterzug von autoritären Regimen. Wie sieht neues frisches Weideland aus? Für die Zukunft der Kirche und der Menschen, die in ihr ein Zuhause suchen? Tausende sind begeistert von den Gottesdiensten und Vorträgen der Kirchentage; aber wie wenig lässt sich oft davon in die Kirchengemeinden übertragen? Warum? Liegt es an den Pfarrern und Pfarrerinnen, an den Kirchenvorständen? An den Kirchenleitungen? An den Gruppenleitungen, die stur am Althergebrachten festhalten ? Altes muss nicht schlecht sein. Aber man muss immer wieder prüfen, ob es der Herde dienlich ist und ob es eine Offenheit gegenüber neuen Schafen aus anderen Ställen gibt.
Wie sieht die Zukunft dieser Erde in Bezug auf das Klima aus? Fragen, die uns direkt betreffen. Hinweise, bei denen wir manchmal bockig sind wie blökende Schafe und einfach nicht weiter gehen wollen: Keine anderen Energien, keine Stromtrassen bei uns, Windräder nur bei den anderen...
Der gute Hirte ist somit nicht der romantische Schäfer in der Lüneburger Heide. Der gute Hirte weiß wo es lang geht. Und manchmal muss die Herde eben auch angetrieben werden und der Schäferhund darf auch mal bellen! Gott kennt einen Weg für uns, auch wenn wir uns manchmal schwer tun, ihm zu folgen. Er ist derjenige, der wachsam, aber auch kritisch ist; der den Wolf im Auge hat; derjenige, der den Zaun beobachtet und die Löcher repariert; der den Zaun aber auch aufmacht, damit andere Schafe aus einem anderen Stall hineinkommen können; der aber genauso aufpasst, dass Krankheiten und Fehler rechtzeitig erkannt und geheilt werden können.  Alle sollen zu einer Herde gehören. (V.16) Der um Vertrauen wirbt, auch wenn es Zeit braucht und der gleichzeitig auch den Mut zu einem klaren Nein findet. Und er ist sogar bereit ans Äusserste zum gehen: Er ist bereit für die Herde zu sterben, damit sie gerettet werden.
So ein Satz klingt sonderbar, denn dann wäre die Herde ja ohne Hirten, wäre anfällig für gefahren und falsche Hirten. Wir hören diesen Bibeltext jedoch am zweiten Sonntag nach Ostern. Der Hirte ist nicht tot. Er ist auferstanden, weil Gott seine Herde nicht alleine lässt. Ihm sollen wir uns anvertrauen und auf seine Stimme hören. Als Schafe und als seine Herde. Johannes hätte diese Worte nicht aufgeschrieben, wenn die christliche Gemeinde keine Erinnerung an „das Hirtenprinzip“ nötig gehabt hätte. Seien wir also aufmerksam! Amen.

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