Osterpredigt Johannesevangelium 20,11-18


Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein
 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.
 
 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.
 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen.
 
Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.

Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe. (Joh.20,11-18)
*******************************************************************************************************

Liebe Gemeinde,
Maria von Magdala: eine von denen, die Jesus nachgefolgt waren. Maria weint draußen vor dem offenen Grab.

Was war passiert?
Maria war am Sonntag, dem ersten Tag der jüdischen Woche, frühmorgens an der Grabhöhle Jesu. Dort hatten Josef von Arimathäa und Nikodemus den Leichnam Jesu bestattet. Maria hatte das Grab offen gefunden. Ihr blieb nur eine Erklärung dafür. Sie sagte den Jüngern: „Sie haben den Herrn weggenommen!“ 
Dann sind Petrus und ein anderer zum Grab gelaufen. Sie sahen das offene Grab, aber auch, dass die Leinentücher, in die Jesus gewickelt worden war, und das Schweißtuch getrennt voneinander da lagen. Etwas war passiert. Nur was? Dann gingen sie wieder heim.
Maria aber blieb vor dem Grab und weinte.

Maria merkt: Ich bin wie gelähmt. Ich kann nicht einfach wieder nach Hause gehen, weiterleben wie bisher!

Man hat ihr alles genommen:
Den Menschen, in den sie soviel Hoffnung und Liebe gesetzt hatte wurde weggenommen und getötet. Eine ganze Lebensperspektive, eine Beziehung, Lebenszeit…; alles ist weg. In Marias Weinen sehe ich die Tränen derjenigen, die einen lieben Menschen verloren haben; oder die Heimat; das Gefühl geliebt zu werden oder jemanden lieben zu können; Ich sehe in den Tränen Marias die tiefe Sorge derjenigen, die ihr Vertrauen verloren haben in Menschen, in das Gute dieser Welt. Da kann man nicht einfach sagen: Beschäftige Dich ein bisschen, das renkt sich alles wieder ein.

Maria bleibt und an diesem besonderen Morgen dämmert Neues:

Durch die Tränen hindurch sieht Maria verschwommen zwei Engel. Es müssen ja Engel sein, denn Engel nehmen wahr, dass jemand traurig ist; Engeln ist es nicht egal, wie es Menschen geht. Diese Engel jedenfalls fragen Maria: „Was weinst Du?“

Und da wandte sich Maria um.
Ich merke, wie der Evangelist Johannes sich sehr viel Mühe gibt, uns langsam in das Ostergeschehen hineinzunehmen. Stück für Stück, ganz geduldig nimmt er uns mit. Als ob er wüsste, dass es sehr viel verlangt wäre, gegen jeden Verstand die Auferstehung Jesu einfach so festzustellen und ohne Fragen „Halleluja“ zu rufen.

Maria wendet sich also um. Warum auch immer: Weg von der Grabhöhle, weg von den Engeln. Den Blick wenden: weg vom Grab, weg aus dem Dunkel und der Aussichtslosigkeit. Da kommt Jesus in den Blick: der Auferstandene, der das Dunkel und die Aussichtslosigkeit überwunden hat, sogar den Tod. Er ist da, auch wenn Maria ihn nicht gleich erkennt. Sie meint, es ist der Gärtner.

Noch ist es nicht Ostern!
Wir kennen das: wenn wir aus unserer Sorge und Traurigkeit aufbrechen wollen, wenn uns zwar bewusst ist, dass nur ein veränderte Blick Veränderung bringen kann, dann quälen uns trotzdem die alten Fragen. Maria wiederholt, was sie umtreibt:
„Sag mir, wo du den Herrn hingebracht hast! Ich will ihn holen und ihn bestatten.“

Nun nennt Jesus, der Auferstandene Maria beim Namen. Er ruft sie aus den alten Fragen. Und Maria antwortet auf hebräisch: „Rabbuni“, („Mein Lehrmeister“)!

Es ist Ostern geworden!

Vielleicht hat Maria die Hoffnung vieler Menschen, dass nach einer durchlebten Katastrophe, wieder alles so wird wie früher. Als sie Jesus erkennt, möchte sie ihn anscheinend umarmen, wie früher; ihn sprechen hören, mit ihm böse Geister vertreiben oder Wunder bestaunen. All das, was ihr die Tränen in die Augen, den Schmerz in die Seele getrieben hatte, müsste vergessen werden können, wegheilen, wie eine Schürfwunde auf der Haut. Karfreitag: Nicht mehr als ein Unfall der Geschichte.

Aber so ist Ostern nicht!

Jesus sagt: Rühr mich nicht an. Ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater…

Ostern macht den Glauben erwachsen!
Es wird nach dem Tod nicht so werden wie früher! Ich weiß, das ist für unsere Sehnsucht nach Heilwerden und ewigem Leben, für die noch wachen Träume über Verlorenes hinweg, auch ernüchternd und für manche auch gar nicht tröstlich. Wenige Zeilen später erzählt der Evangelist Johannes genau davon: von Thomas, der nur glauben will, wenn er Jesus wieder leiblich wie früher berühren kann. Aber auch da wird die Geschichte nicht zurückgedreht. Thomas berührt die noch nicht verheilten Wunden Jesu. Der Tod bleibt Realität. Jesus sagt ihm: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Das meine ich mit erwachsenem Glauben: Den Blick wenden. An ein Leben glauben, dass aus den Kreuzgängen der Erfahrungen herausführt. An eine Zukunft, die es so noch nicht gegeben hat. An eine Auferstehung, die nicht mit den Augen sichtbar ist. Mit Jesu Auferstehung hat sich der Blick auf das Leben und den Tod verwandelt.
Das sind keine leeren Worte. Dieser Glaube ist - wie ich finde – wohl sogar das Schwerste was das Christentum fordert. Denn immer wieder werde ich zurückgeworfen mit meinem Blick, sehe immer wieder Einsamkeit, Lüge, Hass, Trauer und Verletzungen an Leib und Seele, Tod! Die Welt steht unter einem Kreuz trotz Jesu Auferstehung vor 2000 Jahren. Dagegen soll ich an-glauben? Der Osterglaube soll stärker als die immer wieder kehrende Erfahrungen von Leid und Schmerz sein?
Ja, ich soll den Blick wenden. „Warum weinst Du?“ Das wird ernstgenommen von Gott. Aber dann ruft er Maria und Dich und mich mit Namen. Du drehst Dich noch einmal und vielleicht noch einmal. (Achten Sie einmal darauf, wie oft Maria sich wendet in der Geschichte!)

Und dann wird Ostern.
Der den Tod überwunden hat, der das Leben frei macht von Zweifel, Schuld und Angst, ruft Dich und mich beim Namen! Die Fragen quälen uns nicht mehr. Der Tod ist nicht mehr das unbarmherzige Ende. Die Schärgen sind noch da, aber haben uns nicht mehr im Griff.
Maria ruft Rabbuni! Mein Lehrer! Jesus hat dem Tod die Macht genommen.
Das Leben nimmt wieder Fahrt auf; Steine werden weggerollt; Es wird Licht; Trauer weicht neuem Lebensmut. Neue Wege werden sichtbar; Das Ziel ist noch nicht klar. Aber jeder Schritt zählt und führt der Ewigkeit entgegen! Und Gott geht uns voran!
Der Herr ist auferstanden, Halleluja! Amen!

(Predigt von Immo Wache am Ostersonntag 2019 auf la Gomera)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Adios!

Regenbogen-Noah und wir. kurze Predigt zu 1.Mose 8,18-9,17

Lukas 21,25-33 Gegen den Weltuntergang