Vorher: Predigttext: 1. Tim.4,4+5

Lied: Wir pflügen und wir streuen“ EG 508

Paul Erdmann hat seit 50 Jahren einen Bauernhof. Geerbt hat er ihn. Aus einer Wüstenei hat er einen ertragreichen Betrieb gemacht. Zum Jubiläum lädt er Freunde und Nachbarn ein und natürlich auch den adligen Edelmann, Herrn von Hochheim, dem das Land gehört. Die größte Arbeit ist getan, die Ernte ist eingebracht. Der Freiherr von Hochheim erlaubt sich zum Fest etliche adlige Freunde mitzubringen. Diese unterhalten sich inmitten der Bauernschaft auf Französisch, wie es sich für die Gebildeten am Ende des 19 Jhdts. gehörte. Zu Beginn des großen Festessens soll ein Dankgebet gesprochen werden. Das Vorrecht für das Gebet liegt bei den Edelleuten: Aber die adligen Gäste lachen: „In Frankreich betet niemand mehr!“

Doch Paul Erdmanns Gutsbesitzer unterscheidet sich von den anderen Adligen: Er bittet seine Bauern, dass sie das Bauernlied anstimmen: Hans Westen, einer von ihnen macht den Vorsänger.

Im Anfang war´s auf Erden
nur finster, wüst und leer;
Und sollt was sein und werden
musst es woanders her.

Nun singen die anderen Bauern:

Alle gute Gabe,
kommt oben her von Gott
vom schönen blauen Himmel hera
b

Hans Westen singt die dritte Strophe:

Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land
Doch Wachstum und Gedeihen
steht nicht in unsrer Hand....

Dieses Bauernlied haben wir eben vor der Predigt gesungen. Matthias Claudius hat es in der Novelle „Paul Erdmanns Fest“ 1775 für den Wandsbecker Bothen geschrieben und sich selber als zufälliger Gast bei dem Fest in die Geschichte eingefügt. Und er empfiehlt:

„Ich rate jedem, das Lied von solchen Bauern singen zu lassen!“

Im weiteren Verlauf der Geschichte bezieht Paul Erdmann auch sein Vieh in das Fest ein und seine Knechte sollen ebenfalls Arbeitsruhe haben, denn Mensch und Vieh: haben alle Anteil daran, dass geerntet wird und Essen auf dem Tisch steht.

Die Geschichte ist schön. Schön harmonisch; trotz versteckter Kritik an den Edelleuten. Alle sitzen an einem Tisch: Bauern und Landbesitzer. Es wird miteinander gesprochen und gesungen. Alle werden mit einbezogen. Selbst Knecht und Vieh. Der Eine kann nicht ohne den anderen. Auch wenn die Adligen lieber französisch parlieren als sich auf die Sprache der Bauern zu begeben: Trotz aller Unterschiede beschreibt Matthias Claudius letztlich  ein Fest der Harmonie.

Die Geschichte ist so schön einheimelnd, und das Lied hat Eingang in unser Gesangbuch gefunden. Wir pflügen und wir streuen ist ein „Muss“ zum Erntedankfest, auch wenn Text und Melodie geändert wurden. Wir singen dieses Lied, auch wenn die wenigsten von uns solche Bauern sind, wie sie Matthias Claudius sich erdacht hat.

Wir erfreuen uns an den Erntegaben die hier vor uns liegen, obwohl die wenigsten von uns den Acker pflügen und die Saat ausstreuen. Wir feiern Erntedank in Erinnerung, dass wir in und mit der Natur, in und mit Gottes Schöpfung leben, auch wenn wir nicht Bauern sind.

„Alles was Gott geschaffen hat ist gut und nichts ist verwerflich; heißt es im Predigttext aus dem Timotheusbrief zum Erntedanktag. Und das klingt ebenfalls sehr gefällig in unseren Ohren. Obwohl...

Offenbar sehen nicht alle das so:  offenbar hat es unter den ersten Christengemeinden Prediger gegeben, die sich von der Allgemeinheit abheben wollten, die nicht mit den anderen an einem Tisch sitzen wollten, die davor warnten, alles zu essen und sich wie gewöhnliche Leute zu verhalten. Sie forderten dazu auf, sich abzugrenzen vom Normalen; Gerade beim Essen stellen sie besondere Maßstäbe auf. Sie teilten die Welt auf in „wir“ und „die anderen“, wir die Guten und der Rest ist Böse. Wir, die wir moralisch korrekt und von Gott gesegnet sind und die anderen, die zu den Verdammten dieser Erde gehören. 
(Gnosis nennt man diese religiöse Richtung, die die Welt in Gut und Böse aufteilte, die Gotteserkenntnis als Ausweg aus dem Verderben sah und die Gemeinschaft mit dem Weltlichen mied)
Zum Christentum gehört aber die Tischgemeinschaft, die keine sozialen oder nationalen Unterschiede kennt:  Jesus isst mit den Zöllnern und mit dem, der ihn später verraten wird. Er isst mit 5000 Leuten, von denen er nicht weiß, wo der einzelne beheimatet ist. Er predigt: „Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Jakob im Himmelreich am Tisch sitzen.“ (Mt.8,11)  Wenn man gemeinsam zu Tisch sitzt, braucht es aber einen respektvollen Umgang im Miteinander. Wer sich abgrenzt und andere ausgrenzt, verliert die Tischgemeinschaft. Deshalb sagt der Apostel den Christen: Alles, was Gott geschaffen hat ist gut und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird, denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.
Dieser Nachsatz ist freilich wichtig: Man futtert nicht blindlings drauf los, sondern sagt Dank. Man hält inne und zeigt damit Respekt vor den Gaben der Ernte; vor dem, der es gesät hat und dem, der es gedeihen lässt: Gott und den Menschen. Und man zeigt Respekt vor denen, die mit am Tisch sitzen.

In der Novelle von Matthias Claudius entgegnet  Paul Erdmann den Adligen im Streit um den Sinn eines Tischgebetes: „Essen und Trinken ist ja eine Gabe. Wie kann man die denn annehmen ohne an den Geber zu denken.“
 Und der Bauernsprecher namens Unke pflichtet ihm bei:
„Jawohl Paul! Und der Mensch ist ja keine Kuh und kein Pferd das nur käut und hinunterschluckt!“

Danken wir also Gott für das, was wir an Gaben haben; „zumindest an einem Tag im Jahr!“ wie es jemand im Bibelgespräch am vergangenen Mittwoch sagte. Das Gebet ist ja die Möglichkeit, innezuhalten und nachzudenken, - dass wir nicht alles in uns reinschaufeln, bedenkenlos wie die Tiere.

Allerdings – und da unterscheiden wir uns von der Gesellschaft eines Matthias Claudius – wird beim Nachdenken über das was wir Essen, heute die Frage aufkommen, ob wirklich für jede Ernte, für jede Gabe bedenkenlos gedankt werden kann. Ob wir nicht manchmal doch in uns reinschaufeln wie die Tiere, ohne Dank gegenüber Gott und ohne Respekt vor dem Lebensmittel und denen, die es gesät und geerntet haben. Die Bibel lehrt uns, darauf zu achten, dass alle Menschen auf Gottes Schöpfung an den guten Gaben teilhaben dürfen. Der Predigttext für den heutigen Sonntag will ja gerade allen Menschen den Zugang zum Reich Gottes gewähren, keinen ausschließen und macht das am Essensverhalten fest.

Wir kommen heute nicht umhin, darüber nachzudenken, dass wir Menschen Gottes guten Gaben oftmals einen bitteren Beigeschmack zufügen. 

Ich kann mir vorstellen, dass Jesus hier beginnen und ansetzen würde mit einer durchaus kritischen und mahnenden Predigt. Er wäre mutiger als ich an einem solchen Tag, an dem wir uns vor allem an dem erfreuen wollen und für das Dank sagen, was wir vor Augen haben.

(Amen!)


Kommentare

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