Das Licht der Welt Jes.49,1-6

Liebe Gemeinde,

An der Kasse im Supermarkt werde ich regelmäßig gefragt: „Bolsa?“ (=Tasche?). Nein ich brauche keine Bolsa, erst Recht keine Plastik-bolsa. Wir haben immer wiederverwendbare Taschen dabei. Trotzdem sammelt sich zu Hause immer schnell ein ganzer Haufen Plastik und anderer Verpackungsmüll an. Hier auf den Canaren wird ja alles in Plastik verpackt, manchmal sogar doppelt und dreifach. – „Am Strand von El Poris“, so sagt ein Freund, „kannst Du nur bei bestimmtem Wind baden, weil sonst der ganze Plastikmüll im Meer schwimmt.“Jeder weiß, dass Plastik im Meer ein Weltproblem ist. Wir versuchen, zu Hause jedenfalls den Müll zu trennen. Und während ich alles fein säuberlich sortiere, schmeißt mein Nachbar seinen Unrat fröhlich pfeifend unsortiert in die schwarze Tonne. Mich regt das jedes Mal auf. Wenn ich dann etwas sage, lacht mein Nachbar mich aus: „Ihr Deutschen! Ausgerechnet ihr wisst, wie man die Welt rettet.“ Was mir bleibt, ist Ohnmacht oder das Gefühl zumindest in meiner kleinen Welt etwas richtig zu machen auch wenn andere diese Erde leichtfertig preisgeben.

Szenenwechsel:
Nächstes Jahr wird die Aktion „Brot für die Welt“ 60 Jahre alt. Bei der großen Hungersnot in Indien 1959 wurde die Aktion gegründet und sammelt seit je her erfolgreich Spenden, um dem Hunger in der Welt etwas entgegen zu setzen. In diesem Jahr - so lese ich – essen Menschen im Jemen Blätter von den Bäumen, obwohl ausreichend Nahrungsmittel in den Silos von Sanaa lagern. Die Bürgerkriegsparteien hindern die Hilfsorganisationen, das Notwendige auch auszuliefern. Was sind das für Mächte, die Brot für die Welt verhindern, die das Licht der Hoffnung gefangennehmen?

Noch ein Szenenwechsel:
Maria versucht Gutes zu tun. Sie hilft in der Schule ehrenamtlich. Kinder, die besondere Förderung brauchen betreut sie, macht mit ihnen Hausaufgaben und übt lesen. Sie kann nur einzelne unterstützen. Sie kann nicht ausgleichen, was die Eltern zu Hause versäumt haben. Sie löst das Bildungsproblem nicht. Aber sie fühlt sich berufen, in ihrem Ort etwas zu tun.

3 Szenen, drei Highlights: Lichtpunkte, die davon berichten, was getan werden kann oder getan werden müsste, damit diese Welt etwas heller wird. 3 Szenen, drei Highlights, die gleichzeitig oft vergebliche Mühe beinhalten. Da ist Großes vor Augen, aber nur Stückwerk gelingt; - wenn überhaupt!

Und dann dieser Predigttext heute: Er berichtet davon, wie nach langem vergeblichen Bemühen, das Licht der Welt um sich greifen soll. Er berichtet davon wie das Heil Gottes bis an die Enden der Welt reichen wird. Er gibt sich nicht zufrieden, die einzelnen Zerstreuten wieder zusammen zu bringen, sondern hat die Rettung der Welt vor Augen. Einer fühlt sich für diese Botschaft berufen, obwohl er bis jetzt nur vergeblich gepredigt hat. Und es geht nicht um kleine Erfolge in einer Gemeinde oder für ein Land. Jesaja heißt dieser Mensch. Deuterojesaja sagen wir Theologen, weil der erste Jesaja den Untergang des Volkes Israel vor Augen gehabt hat. Im Jahre 589 sollte der erste Jesaja Recht behalten. Die Babylonier vernichteten den Staat. „Selbstgemachter Untergang!“ sagt Jesaja. Im Namen Gottes: „wenn Ihr auf Gottes Gebote geachtet hättet, würdet ihr jetzt im Frieden leben.“ (Jes. 46,18)
Nun 40 Jahre später traut sich der zweite Jesaja, der Deuterojesaja, aus der Deckung, redet nicht nur zu den Juden im Exil, sondern spricht die ganze Welt an. Hört selbst:

Berufung des Gottesknechts (Einheitsübersetzung)
1 Hört auf mich, ihr Inseln, merkt auf, ihr Völker in der Ferne! Der HERR hat mich schon im Mutterleib berufen; als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt.
2 Er machte meinen Mund wie ein scharfes Schwert, er verbarg mich im Schatten seiner Hand. Er machte mich zu einem spitzen Pfeil und steckte mich in seinen Köcher. 
3 Er sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will. 
4 Ich aber sagte: Vergeblich habe ich mich bemüht, habe meine Kraft für Nichtiges und Windhauch vertan. Aber mein Recht liegt beim HERRN und mein Lohn bei meinem Gott. 
5 Jetzt aber hat der HERR gesprochen, der mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht geformt hat, damit ich Jakob zu ihm heimführe und Israel bei ihm versammelt werde. So wurde ich in den Augen des HERRN geehrt und mein Gott war meine Stärke. 
6 Und er sagte: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht der Nationen; damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.

Für wen mag dieser Text geschrieben sein?
-       Für die Uneinsichtigen dieser Welt, die nur die eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, andere in den Schatten stellen wollen und damit kein Licht für die Welt sind? Die Demokratie durch Eitelkeit ersetzen, die Kritiker verhaften, die Religionsfreiheit nicht dulden? Die meinen, die Welt sei eine Insel, auf der sie alleine tun und machen könnten, was sie gerade für richtig halten?
-       Für die, die andere denunzieren, die die Gesellschaft spalten, die sich einen Dreck um die Bewahrung der Schöpfung bemühen? Die Unheil stiften, aber nichts zum Heil bis an die Enden der Welt beitragen?
Die Worte sollen außerhalb Israels, außerhalb der babylonischen Gefangenschaft zu hören sein, bis zu den Inseln und den entlegenen Völkern. Um weniger soll es nicht gehen! Trotz aller Schuld und allem Versagen hält Gott an seinem Plan fest, dass sein Volk die Aufgabe hat, am Heil der Welt mitzuarbeiten. Ausgerechnet Israel denke ich. Schutzbedürftig und manchmal größenwahnsinnig. Ausgerechnet der Nahe Osten. Hätte der liebe Gott sich nicht eine einfachere Startrampe für das Heil der Welt aussuchen können?
Und dann denke ich an das Kreuz. Das Kreuz Jesu. Jesus das Licht der Welt. Und: mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Klage und Hoffnung im scheinbar unauflöslichem Wechsel. Ich denke daran, wie Jesus zu der kleinen Schar von Jüngern und vor der großen Schar von sehnsüchtigen Neugierigen gesagt hat: Ihr seid das Licht der Welt!
Ich hätte nichts dagegen, wenn Gott unserer Bitte: „Dein Reich komme wie im Himmel so auf Erden!“ endlich Gestalt verleiht. Bis dahin aber wünsche ich mir, dass all die, die mit ihren kleinen Möglichkeiten für diese Welt etwas Gutes tun wollen, nicht aufgeben. Es liegt letztlich nicht nur an unseren Begabungen und Kräften, ob Großes gelingt. Es liegt vor allem an Gottes Geist, der uns antreibt, der uns aus Ängsten und Sorgen, aus Bedenken und Verstrickungen befreit, so wie er einst auch das Volk Israel aus der babylonischen Gefangenschaft befreit hat. Vielleicht muss man, wie Deuterojesaja, von mehr träumen, als das, was im Augenblick möglich erscheint. Seid Licht der Welt, Ihr Christinnen und Christen. Ich glaube für Euch und für mich ist dieser Text aufbewahrt worden. Merkt auf:  Ihr auf den Inseln und Ihr aus den Völkern der Welt. Amen!


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