1.Petrus 5,1-7 Weidet die Herde Gottes

Liebe Gemeinde,
liebe Presbyter! (So heißt es wörtlich im griechischen Urtext)
So eine frohe Botschaft kann ich im Predigttext zunächst nicht erkennen. Was ich erkenne ist ein Hinweis zum Management einer Gemeinde: 
weidet die Herde Gottes, freiwillig, nicht um des Gewinns willen! Seid Vorbilder! 
„Geschenkt!“ denke ich. Das wissen wir alles: Die Hirten leiten die Gemeinde. Keiner zwingt sie dazu. Reich werden kann man dabei ohnehin nicht und soll man wohl auch nicht. Egal ob Pastor oder ehrenamtlicher Kirchenvorstand. Und wenn Rede und Leben nicht übereinstimmen, macht jemand etwas falsch. Das alles ist hinlänglich bekannt. 
Im Petrusbrief geht es um ein geordnetes Gemeindeleben und die letzten Mahnungen des Briefes dazu gehen an die Ältesten: die Presbyter, die Kirchenvorsteher. Sie werden Hirten genannt. Den Pastor, was ja auch Hirte heißt, kennt der Petrusbrief offenbar noch nicht.

„Was meint ihr?“ Habe ich – eher hilflos - im Bibelgesprächskreis letzten Mittwoch gefragt. Entgegen meinen Erwartungen kam sofort eine sehr lebendige Diskussion um das Hirtenamt zustande. Von wegen „geschenkt!“: Es sprudelte nur so von Erfahrungen:

U berichtet:  Unser Kirchenvorstand wurde gar nicht richtig gewählt. Weil die beiden Gemeindepfarrer nicht miteinander konnten, holte sich der eine die ihm gewogenen Kandidaten in das Gremium. Die nickten alles gegen den anderen ab. Da bin ich dann aus der Gemeinde ausgetreten.

A sagt: Früher, also in den 60er Jahren , hatten wir einen tollen Pfarrer. Der hat alle besucht. Der war beliebt. Der war unser Hirte. Heute ist das anders. Der Pfarrer muss mehrere Gemeinden versorgen und hat mit mehreren Kirchenvorständen zu tun. Der hat gar keine Zeit mehr für die Herde. Der muss so viel Verwaltung machen. Und die Vorstände wollen alle nur möglichst viel für ihren eigenen Ort herausholen.

H erzählt: Bei uns läuft das ganz toll. Der Kirchenvorstand übernimmt die ganze Verwaltungsarbeit, damit der Pfarrer wirklich Zeit hat für die Gemeinde. Der soll sich nicht um Finanzen oder die Kindergartenverwaltung kümmern; und wenn es um die Vertretung gegenüber Behörden geht, haben wir einen sehr guten Vorsitzenden. Pastor und Vorstand arbeiten sehr gut zusammen. Da fühle ich mich wohl.

So geht das an diesem Nachmittag weiter. Die Bibelstunde ist eigentlich abgelaufen, doch die Diskussion wird immer heftiger.

J sagt: Egal ob Pastor oder Kirchenvorstand: Das sind doch nur Menschen. Die machen auch Fehler. Das ist doch normal.

Er erntet heftigen Widerspruch: „Selbst wenn Menschen Schwächen haben, soll es im Kirchenvorstand anders zugehen als in anderen Vereinen oder Betrieben!“

Der 1. Petrusbrief zeugt davon, dass es solche Diskussionen wohl schon in der ersten Kirche gegeben hat. Jemand hat nachgezählt und festgestellt, dass im kurzen 1.Petrusbrief über 50 Mal Forderungen stehen, hinter die wir grammatikalisch ein Ausrufungszeichen setzen würden. Weidet die Herde Gottes! Nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder!“

Die Gemeinde soll geführt werden. Ohne ein richtungsweisendes Gremium geht es nicht. Ich lese in dieser Bibelstelle, wie sich die Gemeinde der ersten Christen schon von der ersten Jüngerschaft an entwickelt hat. Organisation wird wichtig. Ein Hirtenamt wird notwendig. Und in den 2000 Jahren seitdem ist das Hirtenamt der Gemeinde um ein vielfaches  aufwändiger geworden: Egal ob Pastor oder Kirchenvorstand: Es geht heute um Finanzen, Mitgliederver-waltung, Personalverwaltung und Arbeitsrecht in Kindergärten oder Diakoniestationen, Fundraising, Bauangelegenheiten und Denkmalschutz, es geht um Gemeindefusionen, Religionsunterricht, Internetpräsenz usw. Im Bibelkreis fragt jemand: Und wo bleibt die Seelsorge? Wo wird bei aller Organisationsflut das eigentliche, der Grund auf dem die Kirche gebaut ist,  erkennbar?

Der heutige Sonntag trägt den Namen Misericordias Domini, die Barmherzigkeit des Herrn. Von der Barmherzigkeit Gottes sollen wir vor allem erzählen und entsprechend gegenüber anderen handeln. Dafür zu sorgen ist Aufgabe der Hirten, der Pastoren und Pastorinnen und der Kirchenvorstände. Ich bin fest davon überzeugt, dass der 1. Petrusbrief eine Gemeindevision vor Augen hat, in der das Miteinander anders geregelt wird, als es sonst so oft vorzufinden ist: Sozusagen ein Gegenentwurf zu dem Modell, in dem nur der Lauteste oder vermeintlich Stärkere das sagen hat. Ein barmherziges Miteinander soll es in der Kirche geben, anstatt eines hartherzigen Freund-Feinddenkens. Kein Hintergehen oder Verleumden. Es menschelt in der Kirche ja, aber das ist kein Grund, Zustände wie oft in der Politik oder Wirtschaft , auch in der Kirche zu akzeptieren. - Vielleicht muss man auch etwas barmherziger mit sich selbst sein. Ein Pastor oder ein Kirchenvorstand soll sich nicht selbst überfordern. Das schließt den Mut ein, sich auch von Aufgaben zu trennen, die nicht mehr leistbar sind. Ich habe selber erlebt, wie im Zuge der Sparmaßnahmen mehrere Gemeinden nur noch von einem Pfarrer versorgt wurden. Die Gemeinde und die Kirchenvorsteher wollten, dass es In jeder Kirche weiterhin am Sonntag Gottesdienste geben sollte. Der Pfarrer verließ dann im wehenden Talar noch während des Orgelnachspiels die Kirche um noch rechtzeitig in der nächsten mit dem Gottesdienst beginnen zu können. Mit Seelsorge und Barmherzigkeit hatte das wenig zu tun. Andere Lösungen müssen her. Das mahnt der 1. Petrusbrief an und setzt ein Ausrufungszeichen: Weidet die Herde Gottes, achtet auf sie! Gebt nicht einzelnen Interessen nach, sondern übernehmt Verantwortung aus Herzensgrund, und das heißt doch wohl aus Glauben heraus.

Bei Veränderungen in der Kirche wird von der Herde, den Gemeindegliedern, auch immer gemeckert werden. Man will, dass alles so bleibt wie es früher auch war.! Deshalb setzt der Petrusbrief nach:
Ihr Jüngeren, ordnet Euch den Presbytern unter. Oder um es im Bild der Herde zu sagen: Es gibt schwarze Schafe und fromme Lämmer, es gibt sture Böcke und brave Schafe. Die einen blöken heftig und andere fügen sich. Es gibt Leithammel und solche, die es gerne wären. Ohne einen verantwortungsbewussten Hirten gibt es aber ein Durcheinander und erhebliche Schäden. Eine Leitung auch einer Kirchengemeinde ist notwendig, aber sie soll im Geiste Gottes geschehen. "Alle miteinander haltet fest an der Demut". "Alle Eure Sorge werft auf ihn, (Gott), denn er sorgt für Euch! "Amen!


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