Mt.10,34-39 Harmonie um jeden Preis? Predigt am 4./5.November

Mt.10,34-39

Harmonie um jeden Preis?

Salim kommt aus dem Iran. Er war mit einem Mal in unserer Kirche; besser angezogen als die meisten anderen Gemeindeglieder. Die Kirche und der Gottesdienst waren für ihn etwas Besonderes. Das merkte man. Jeden Sonntag war er fortan da, pünktlich und hilfsbereit und immer lächelnd höflich. Salim war Christ. Andere Iraner kamen nach. Irgendwann hatte ich eine richtige kleine iranische Gemeinde in unserer Kirche.
Eines Tages sagte mir die Betreuerin von Salim, dass Salim abgeschoben werden sollte. Der Richter glaubte Salim nicht, dass er Christ sei. Er konnte ja nicht einmal das Vater Unser auf Deutsch aufsagen. Das mit dem Christentum sei vorgeschoben, um Asyl zu bekommen. Salim hatte zwar eine Taufurkunde. Die kam aber von einer ziemlich dubiosen iranischen Freikirche aus Heidelberg.

Nun kenne ich zumindest einen Richter aus dem zuständigen Gericht persönlich. Deshalb führte ich mit Salim noch einmal ein Gespräch. Er erzählte mir von seiner ersten Begegnung mit einem christlichen Prediger im Iran. Zugegeben: Das klang sehr eigenartig. Er erzählte mir, dass er damals vom Islam zum Christentum wechseln wollte. Seine Eltern schlugen ihn deshalb. Er zeigte mir die Narben auf seiner Hand. Mit seiner Mutter hat er deswegen auch keinen Kontakt mehr. Wer im Islam zum Christentum konvertiert muss mit dem Tod rechnen, im Iran allemal. Und er zeigte mir Handyaufnahmen von einem, der sich im Iran zum Christentum bekannt hatte. Es waren grauenvolle Aufnahmen.
Salim heißt übrigens eigentlich anders. Ich habe ihn so genannt, weil sein richtiger Name eine Gefahr für ihn darstellt, auch in Deutschland. Auch Kritiker der Asylpolitik lesen das Internet, genauso wie islamische Fundamentalisten oder solche, die das Christentum am liebsten zum Teufel jagen würden. „Des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein“ sagt Jesus.

Wir haben für Salim eine vorläufige Duldung durchsetzen können. Er arbeitet in einem Handwerksbetrieb, zahlt Sozialversicherungen und Rentenbeiträge, selbst wenn er wieder abgeschoben werden sollte. Er hat jetzt sogar eine kleine Wohnung und spricht schon richtig gut deutsch. Die Kirche ist für ihn wie eine zweite Heimat geworden. Sie und der christliche Glaube zählen für ihn mehr als die Heimat und seine Familie im Iran.

„Ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter!“ sagt Jesus.

Was Jesus uns da heute morgen zumutet ist harter Tobak: Jesus bringt keine Harmonie sondern programmierten Streit. Keinen Frieden, sondern er bringt das Schwert. Das wollen wir in unserem gott-sei-dank friedlichem bürgerlichen Umfeld nicht hören. Und doch gibt es mitten unter uns Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens angefeindet werden. Nicht nur solche, die die Religion wechseln. In Bremen haben bisher Unbekannte eine historische Kirche verwüstet und unter anderem eine wertvolle Konzertorgel mit Bauschaum unbrauchbar gemacht. Das ist kein Streich, das ist mit großer Wahrscheinlichkeit blanker Hass gegen die Kirche, von wem der auch immer ausgehen mag! Wir wähnten uns lange in der Gewissheit, dass das Christentum die Grundkultur bei uns prägen würde, dass die christlichen Werte der Kitt unserer Gesellschaft wären, wie Sigmar Gabriel mir einmal sagte. Doch offenbar ist das Christentum einigen ein Dorn im Auge, zumindest dann, wenn unser Glaube kein Wischiwaschi ist, sondern Profil zeigt. Dann wird deutlich, was christlicher Glaube bedeutet. Er unterscheidet sich von anderen Ansichten. Egoismus ist etwas anderes als Nächstenliebe. Nationales Denken ist etwas anderes als die weltweite Gemeinschaft der Kinder Gottes. Versöhnung ist etwas anderes als Rachegedanken. Der Glaube an die Auferstehung ist etwas anderes als der Druck, alles erleben zu müssen weil mit dem Tod ja sonst alles aus wäre. Und der Glaube an den Gott der Bibel ist etwas anderes als der Glaube an ein Horoskop.

Unsere Kirche wäre nicht unsere Kirche, wenn Menschen nicht für den Glauben an den Gott der Bibel, an die besonderen Aussagen Jesu Christi eingestanden wären, über alle Widerstände hinweg. In diesen Tagen erinnern wir uns, wie Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen veröffentlicht hat. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir Amen.“ hat er auf dem Reichstag in Worms  gesagt, und damit den Tod wegen Ketzerei riskiert. Die Reformation war ein Einschnitt in die Geschichte der Christenheit. Die Besinnung auf das Wort Gottes war wie ein Schwert, das die Kirche geteilt hat. In Württemberg nennen die Katholiken noch heute uns Protestanten „die Wüschtgläubgen“. In einer Schule, so sagte man mir, hatten evangelische und katholische Kinder getrennte Eingänge. 
(Das die Trennlinien manchmal durch die Familie gehen kann, hat auch Martin Luther mit der Entscheidung Mönch zu werden gespürt und mächtig Ärger mit seiner Familie bekommen.)

Die Entscheidung für etwas ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas. Und Entscheiden hat auch immer etwas mit Scheiden, Abtrennen zu tun. Wer sich für eine Ehe entschei-det, entscheidet sich gegen das Alleinsein und muss dafür Kompromisse eingehen. Wer sich für den christlichen Glauben entscheidet, trennt sich von anderen religiösen Vorstellungen. Und genau da liegt der wunde Punkt unserer Zeit. Wenn jeder glauben darf, was er oder sie will, dann wird alles beliebig. Dann stehen unterschiedliche Glaubensvorstellungen neben unterschiedlichen Wertvorstellungen. Dann gibt es unglaubl-iche religiöse Sammelsurien, die zwar erlaubt sind, aber nicht mehr durchschaubar und deshalb auch nicht mehr gesprächs-fähig sind. Deshalb hat Martin Luther soviel Wert darauf gelegt, dass alle Glaubensaussagen mit der Bibel übereinstim-men müssen. Bei aller Unterschiedlichkeit in persönlichen Glaubensvorstellungen ist das die Basis, die uns einen sollte.
Freilich kann man aber auch über die Auslegung der Bibel trefflich streiten. Liberale sehen das anders als Evangelikale und manchmal steht zwischen dem Schriftverständnis tatsächlich auch so etwas wie ein scharfes Schwert. Sogar in den frühesten Schriften der Bibel ist es mit christlicher Eindeutigkeit nicht immer weit her.

Worum geht es also Jesus, wenn er so deutlich Entscheidung und Scheidung fordert?

Zuerst dieses: Wer das Schwert nimmt um seine Glaubensan-sichten durchzusetzen nimmt nicht das Kreuz Jesu auf sich, sondern nimmt sich wichtiger als die gesamte Botschaft Jesu. Wir sind auf die Liebe und Barmherzigkeit Gottes angewiesen und nicht auf die Mittel der Gewalt, weder in Wort noch Tat. 
Solus Deus. Sola Fide, sola gratia! Wir brauchen keine Fundamantalisten. Auch nicht im Christentum.

Zweitens: Jesus hat nichts gegen Familien. Aber er hat große Sorge, das uns Anderes fremd bestimmen könnte. Wenn wir meinen, wir müssten so sein, wie unsere Eltern, dann kann das ja sein. Es ist aber nicht im Sinne Jesu, wenn wir Ansichten gegen unser Gewissen vertreten. Und umgekehrt sagen manchmal Menschen dem Christentum ab, weil sie im Elternhaus Christentum als eng und zwanghaft erlebt haben. Aber damit vergeben sie sich die Chance, die Botschaft Jesu als befreiende Liebe zu verstehen. Es kann ja sein, dass uns die Familie ein Hort des Vertrauens ist. Es kann aber auch sein, dass wir uns dann als Familie von unserer Umwelt abkapseln. Ich kenne Menschen, die würden sich gerne taufen lassen und zur Kirche gehen, trauen sich aber nicht, weil sie den Ärger des Partners fürchten. Da wird die Familie zum Gefängnis.

Wer sein Leben findet, der wird es verlieren. Wer sein Leben verliert um meinet willen, der wird es finden.

Jesus will Freiheit. Eine freiwillige ehrliche Entscheidung zu Gott, keine aus Zwang oder weil „man-es-so-macht“. Natürlich kann man sich auch gegen den Glauben entscheiden. Aber dann soll man auch die Konsequenzen tragen und ich bezweifle dass das gut wäre für jeden einzelnen und die Bewahrung unserer Schöpfung. Wer auf die Gnade eines liebenden Gottes verzichtet, muss sich selbst rechtfertigen und wird entweder arrogant oder depressiv. Jesus will Freiheit: Für jeden einzelnen aber auch für meinen Nächsten oder meine Nächste. Das ist nicht  immer einfach durchzuhalten. Manchmal müssen wir uns entscheiden, auch gegen die Meinung anderer und manchmal sogar gegen die Ansichten einer Mehrheit. Manchmal müssen wir uns gegen Menschen entscheiden auch wenn das wehtut. Gerade in der Kirche müssen wir manchmal aufpassen, dass nicht jeder alles machen darf und jede Aufgabe übernimmt. Wir haben unterschiedliche Gaben, aber einen Geist. Wir wollen ein friedliches Miteinander, aber nicht um jeden Preis. Deshalb muss Deutlichkeit kein Widerspruch zu einem respektvollen Umgang sein. 

Es geht immer, und das sagt Jesus deutlich, um Entscheidungen in denen die Liebe zu Jesus und seiner Botschaft im Vordergrund steht. Das wehrt einem Egoismus und beugt Macht und Eitelkeitsbestrebungen vor.

Jesus ist nicht gekommen um Frieden zu bringen. Nicht zwangsläufig. Aber Jesus sagt uns seinen Frieden zu. Nicht wie die Welt ihn gibt. Unser Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Amen!

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