Einführungspredigt zum untreuen Verwalter - Lk.16,1-9 - am 19.11.2017

Lukas 16,1-9

Liebe Gemeinde,
Schön, dass Sie mich und meine Frau hier in Teneriffa und La Gomera so freundlich aufgenommen haben. Schön, dass die Kollegin aus Gran Canaria uns auch willkommen heißt. Schön, dass die EKD Führung und der Kirchenvorstand mir und meiner Frau zutrauen, gute Verwalter zu sein. Gute Verwalter der Gemeinde und ihres Vermögens, aber auch Verwalter von Gottes Wort.
Was aber wäre heute los, wenn wir in den ersten drei Monaten die Spendengelder veruntreut hätten? Was wäre, wenn wir so grausam Gottesdienste gestaltet hätten, dass keiner mehr kommen mag? Ich vermute Herr Schneider hätte mich heute nicht in das Amt eingeführt, sondern er hätte mich aus dem Pfarramt rausgeworfen. Und das zu Recht!
Wenn ich dann auch noch den Leuten, die der Gemeinde etwas schulden, sage würde: Komm fälsche Deinen Gemeindebeitrag, mache aus 100 nur 50, oder Du: mache aus der Gebühr für die Trauung aus 100 nur 80.
Na lieber Herr Schneider? Na lieber Kirchenvorstand? Ihr würdet kochen vor Wut, oder? Erst hat er nicht verantwortungsvoll gewirtschaftet und dann stiftet er auch noch andere zum Betrug an, um sich bei denen beliebt zu machen.
Ja, ich wäre an Eurer Stelle zornig und enttäuscht. Nicht nur wegen des Versagens! Auch, weil keine Reue zu erkennen ist. Nicht einmal Besserung gelobt der, will nichts wieder gut machen wie zumindest einst der Zöllner Zachäus oder der heimkehrende verlorene Sohn

Warum in aller Welt sagt Jesus dann, dass der Herr den untreuen Verwalter lobt? Wegen seiner Klugheit? Das ist doch  wohl eher Dreistigkeit! Nein, diese Geschichte eignet sich nicht als moralische Lebenshilfe. Sie eignet sich auch nicht als Anleitung für besonders gnädiges Handeln. Erst Recht eignet sie sich nicht für ein harmonisches Miteinander. Und ich bezweifle, dass jemand wirklich echte Freunde bekommt, wenn er sie zum Betrug auffordert.

Nein,liebe Gemeinde, keine Angst! Ich habe keine Gelder veruntreut. Wir haben alles in die Bücher eingetragen und die Kasse stimmt. Der Gottesdienstbesuch ist gut. Die Spendenbereitschaft ist da. Wir müssen und wollen uns hier nicht mit faulen Tricks Freunde machen. Wir bekommen hier Worte der Anerkennung und das tut sehr gut! Darüber freuen wir uns wirklich sehr. Die Amtseinführung wird gültig bleiben. Die Pfarrwohnung ist schön renoviert. In der Wohnung gibt es keine goldenen Badewannen, und sind dem ehemaligen Limburger Bischof von Eltz nie begegnet.

Allerdings wäre es vermessen zu sagen, dass wir moralisch einwandfrei wären. Das betrifft nicht nur meine Person. Das betrifft uns alle. Bei der Weltklimakonferenz kämpfen und feilschen Politiker derzeit um Quoten, um die Welterwärmung zu verlangsamen. Es geht um den Treibhauseffekt und wir fliegen fleißig auf die Kanaren, als ob es keine Klimaprobleme gäbe. Was wäre, wenn man uns beschuldigen würde, die Schöpfung, Gottes Besitz zu verschleudern? Was wäre, wenn der Herr uns rufen würde und sagte:  Was höre ich da von Dir? Gib Rechenschaft über Deine Verwaltung? Und ehe wir merken, was das heißt, ertappt zu sein, sagt der Herr: Du kannst nicht länger Verwalter dieser Erde sein.

Die letzten Tage des Kirchenjahres werden keine Schönwetterparolen ausgegeben. Die letzten Tage des Kirchenjahres werden wir mit Bibelworten konfrontiert, die aufrütteln, die uns ermahnen, die uns empören, auch wenn uns das nicht passt. Wir sollen gut vorbereitet sein für den, der da kommt zu Advent und dann als Kind in der Krippe, dem Christus, der doch der Herr der Welt ist. Ja, wir sind Verwalter von GottesSchöpfung. Das steht so im ersten kapitel der Bibel!. Verwalter: Ökonomia steht da im Bibeltext. Leute, die dafür Sorge tragen sollen, dass der Haushalt stimmt, der finanzielle, wie auch das Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Natur, zwischen Touristen und Einheimischen. Und wir müssen uns sagen lassen, dass da eine ganze Menge nicht stimmt. Und wie der Verwalter in der biblischen Geschichte merken wir, dass es mit dem Betteln um Gnade nicht getan ist.

Der Verwalter in der Bibel und wir Verwalter dieser Zeit sind und bleiben eine zwiespältige Natur. Das einzige, was ich an dem Verwalter in der Bibel sympathisch finde ist, dass er ehrlich gegenüber sich selbst ist, sein Ungeschick eingesteht und gleichzeitig zu stolz zum Betteln ist. Das ist nicht viel aber immerhin… Nun versucht er auf dubiose Weise andere zur Gutwilligkeit zu bewegen, wenn er dann nach seiner Entlassung auf fremde Hilfe angewiesen ist. Keine gute Entscheidung wie ich finde, aber immerhin eine Entscheidung. 

Sanitäter berichten mir übrigens, dass am Unfallort viele Leute wegschauen, anstatt zu helfen, weil sie sich überfordert fühlen zu helfen. Dabei wäre es besser irgendetwas zu tun, als gar nichts
Als Militärpfarrer habe ich von meinen Soldaten gelernt, dass es besser ist, eine schlechte Entscheidung zu fällen, als gar keine. Man kann nicht vom Frieden reden und zuschauen wie Menschen abgeschlachtet werden. Von den Kindern der Welt können die Kinder des Lichts manches Mal durchaus etwas lernen. 
Das der Verwalter überhaupt eine Entscheidung fällt anstatt nur stumm und untätig da zu sitzen, wäre eine Erklärung dafür, dass der Herr den Verwalter zwar rauswerfen muss, ihn aber dennoch lobt: wegen seines Mutes - trotz des Dilemmas - eine Entscheidung zu fällen. Dann wäre die Botschaft heute, dass ich als Pfarrer und Ihr als Gemeinde, Ihr in der EKD Führung und Ihr, die Touristen - trotz aller Verstrickung in die Sünden dieser Welt, dass wir Verantwortung in unseren jeweiligen Lebensbereichen übernehmen. Von der Insel kann man nicht auf das Festland schwimmen, das weiß ich. Trotzdem kann man sich auch hier Gedanken machen, was man für die Verwaltung dieser Welt tun kann.  Die Insel ist weder deutsch noch englisch, sondern kanarisch. Das ist nicht eine Worthülse, sondern bedeutet eine Lebenseinstellung! Bedeutet Respekt gegenüber dem, was uns als Lebenswelt dient. Wir sollen Verantwortung inmitten dieser Zeit auch mit dem ungerechten Mammon übernehmen. Moralisch fragwürdig bleibt das alles. Aber im kleinen Entscheidungen zu fällen ist besser als wegschauen und dem Herren offenbar lieber als leere Frömmigkeit.

Übrigens ist heute auch Volkstrauertag in Deutschland. Das vergisst man angesichts von Amtseinführung und Festwoche, 72 Jahre nach Kriegsende, fast. Volkstrauertag ist für mich der Stachel in der Seele derjenigen, die sich nicht der Verantwortung stellen wollen, die sagen: was hätten wir denn tun sollen? oder: Wir haben doch von alledem nichts gewusst. Lass uns mit den alten Geschichten zufrieden. oder: Man muss auch mal vergessen können.

In der biblischen Geschichte hat der Herr aber nicht vergessen, sondern fordert Rechenschaft. Der Herr verdammt und lobt. Diesen Widerspruch haben Theologen immer wieder versucht auszugleichen, indem sie nach angeblich richtigen Übersetzungen gesucht haben. Ich möchte die Widersprüch-lichkeit der Bibel nicht ausgleichen, sondern sie annehmen, weil auch das Leben so widersprüchlich ist. Solche Worte mögen denen nicht passen, die die Scheidung zwischen gut und böse meinen zu kennen, die die guten Verwalter belohnen wollen und die Bösen strafen möchten; die sich meistens selber als Kinder des Lichts sehen und andere für das Elend dieser Welt verantwortlich machen. So moralisch integer ist dieser Predigttext nicht. Aber er ist gut evangelisch. Denn so oder so sind wir auf die Gnade Gottes angewiesen. Und daran wollen wir uns doch bitte halten.

Amen!

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