Predigt am 29.Oktober 2017 Gen.8 Nach uns keine Sintflut!

Liebe Gemeinde,
was man hier auf der Insel alles an Plastikmüll produziert ist gewaltig. Jeden Tag sammelt sich bei uns im Pfarramt eine große Tüte voll mit Plastikflaschen, Folien, Bechern, dazu Dosen und Glasflaschen.Als gute Deutsche bringen wir das natürlich getrennt in die gelben, blauen und schwarzen Sammelbehälter. Aber ein mulmiges Gefühl beschleicht mich dabei doch. So richtig gut kann der viele Müll doch nicht sein, oder? Vor allem, weil Umweltschutz besser funktionieren könnte. Pfandflaschen, echtes Recycling, oder schlicht die Vermeidung von Verpackungsmüll ist so verkehrt sicherlich nicht. Dazu muss man weder Deutscher mit Ordnungsallüren noch ein Grüner sen. Und während ich so nachdenke, kommt mein spanischer oder englischer Nachbar und kippt seinen Müll, - Flaschen, Papier und Plastik - freundlich lächelnd - ohne schlechtes Gewissen - ungetrennt in die schwarze Tonne. Hauptsache weg! Frei nach dem Motto: Nach uns die Sintflut!

Am Anfang, als die Welt geschaffen wurde, so erzählt die Bibel, schaute Gott sich jeden Abend die Schöpfung an und war offensichtlich sehr zufrieden. Alles passte zusammen: Erde und Himmel, Licht und Dunkel, Pflanzen und Tiere. Und dann setzte er schließlich den Menschen in das Paradies. Die Aussage der Geschichte ist: Der Mensch passte perfekt in die Schöpfung. Gott gab dem Menschen den Auftrag, die Erde zu verwalten und gab ihm dazu auch noch sämtliche Freiheiten. Wenn er auch nach Gottes Ebenbild geschaffen war, sollte er sich bitte schön dennoch nicht wie Gott aufspielen.

Kurze Zeit darauf verloren die Menschen allerdings ihren Kredit. Das Paradies war nur noch eine Erinnerung. Und anstatt aus den Fehlern zu lernen, reihte sich Unrecht und Ungeschick, Größenwahn und Dummheit aneinander. Gott hatte die Nase voll, sowie Kinder manchmal etwas enthusiastisch anfangen zu bauen und dann ist es doch nicht so toll und alles wird zerstört um wieder neu anzufangen. Gott vernichtet die Erde und alles was lebt in der Sintflut. Davon erzählt übrigens nicht nur die Bibel. In fast allen Kulturen gibt es die Geschichte von einer großen Flut, die alles zunichte macht. Und immer geht es darum, dass Menschen unverantwortlich und respektlos reden und handeln.

Wir kennen alle die Geschichte. Wir haben einmal gehört, wie Noah den Holzkasten Arche baut und die Leute lachen ihn aus. Die Leute um Noah rechnen weder mit Gott noch mit den Folgen ihres Handelns. Sie reden Blödsinn und wählen die Dummheit in die Parlamente. Und manchmal schaffen sie es sogar in das Amt eines Präsidenten. Nach uns die Sintflut, das ist mehr als ein geflügeltes Wort. Gott macht Ernst. Er bewahrt die Menschheit nicht vor den Folgen  ihrer Gedankenlosigkeit. Die Sintflut kommt. 40 Tage und Nächte ist kein Land in Sicht.  

Nur Noah und seine Familie sowie jeweils ein Paar jeder Tiergattung sollten überleben. Wir haben uns bestimmt auch schon einmal gefragt, wie das gehen kann, dass der Mensch ohne ein Tier zu schlachten 40 Tage und Nächte in einer Holzkiste über die Runden kommen kann. Ganz zu schweigen von den Löwen, die ausnahmsweise mal keine Gazelle verspeisen wollen oder den Vögeln, die den armen Wurm zufrieden lassen. - Nein es kann nicht schön sein, als einzige einer Art zu überleben. Obwohl der Gedanke, dass alle versuchen müssen, miteinander auszukommen, damit es eine Zukunft gibt, durchaus etwas Faszinierendes hat: Wenn wir also nicht so leben würden, als käme erst nach uns die Sintflut. Wenn wir merken würden, dass der Wasserspiegel bereits jetzt schon weltweit steigt, dass das Klima sich jetzt schon verändert und dass das keine Angelegenheit von Wissenschaftlern in einem Wolkenkuckucksheim ist, sondern eine Aufgabe, der sich kein Mensch entziehen kann, dann würden wir allmählich anfangen, Holz für ein großes Schiff zu sammeln. Doch dass tun wir nicht. Weil wir vielleicht zu leichtsinnig sind oder weil wir darauf vertrauen, dass Gottes Segen doch größer ist als jedes menschliche Versagen.

Wir haben heute zwei Kinder getauft. Voller Freude! Doch was für eine Welt überlassen wir Carlos und Lousha? Bereits jetzt haben Menschen in einigen Gegenden keine gute Überlebensperspektive, weil Trockenheit oder andere Klimaphänomene Landstriche unbewohnbar werden lassen. Die Leute fliehen und wollen mit auf die vermeintlich sichere Arche. Nein, wir können nicht nach dem Motto leben: Wir zuerst! Oder: nach uns die Sintflut. Wir müssten so leben, als wäre die Sintflut eine lebendige Erinnerung an das Versagen der Menschheit. Die Flutgeschichten in allen Kulturen wollen doch wachrütteln und an das Miteinander, an die Verantwortung für einander und die Schöpfung erinnern. Es geht darum, so zu leben, dass es keine Sintflut nach uns geben möge. Es ist Dir gesagt Mensch was gut ist und was böse. So lautet der Wochenspruch aus dem Prophetenbuch Micha. Die Biblische Geschichte ist keine Märchenstunde!

Das ganze Leben soll eine Buße sein, hat Martin Luther zu Beginn der 95 Thesen geschrieben. Übermorgen, am 31. Oktober jährt sich das zum 500. Mal. (wir zeigen den Lutherfilm übrigens am Dienstag ab 16 Uhr im HdB) Das Leben soll eine Umkehrbewegung sein: weg von der menschlichen Unachtsamkeit hin zu einer Aufmerksamkeit für Gott und seine Schöpfung. Aber auch die Evangelischen haben fleißig auf Juden und Katholiken eingedroschen, und haben selber ganz viel einstecken müssen. Die reformatorische Entdeckung Martin Luthers hat die Welt verändert. Die Welt aber ist ungeachtet dessen meilenweit von einer besseren Menschheit entfernt. Nicht einmal in der Kirche und beim entsprechenden Personal geht es ohne gräßliches Versagen zu. Mag sein, dass das eine oder andere was wir tun dem lieben Gott ein lieblicher Geruch (wie Noahs Brandopfer) ist, aber der Gestank überwiegt doch bei weitem.

Eigenartig, dass Menschen sich trauen, sich von Gott abzuwenden, wo doch eigentlich eher der liebe Gott erneut sagen könnte: So jetzt reichts! Sollen die Leute doch ihr Klima verdrecken, in der eigenen Bösartigkeit ersticken und an der selbstgewählten Blödheit kaputtgehen. Es gibt genug religiöse Gemeinschaften oder Katastrophenfilme, die das zum Thema haben: „Apokalypse now" oder zumindest „Untergang demnächst“: mañana…

Da ist es schon etwas Besonderes, wenn wir im Predigttext hören, dass Gott nun anders über seine Schöpfung denkt. Wie bei jemandem, der gereift ist in der Beziehung zum anderen. Wie jemand, dessen überschwängliche Liebe einer Enttäuschung weicht, der aber nicht vom anderen ablässt. Gott merkt: Es gehört zur Natur des Menschen böse zu sein oder zumindest böse sein zu können. Kein Gendefekt, eher die Folge der großen geschenkten Freiheit. Einer Freiheit, die für Gutes genutzt werden darf und die für Böses missbraucht werden kann. Kein Mensch ist gezwungen böse oder dumm zu handeln. Gott beschließt, trotzdem diese sonderbare Menschheit zu lieben und zwar garantiert: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören, Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 

In diese Zusage haben wir heute Carlos und Lousha getauft. Gott will weder Mensch noch Erde verfluchen. Damit liegt trotz allem Versagen ein „Mehr an Vergebung“ in der Luft, trotz allem Streit gibt es einen Überschuss an Liebe, trotz allem gruseligen Heidenspass ungeahnte Gottesnähe und die Kirchen bleiben in diesen Tagen lebendiger als ausgehöhlte Kürbisköpfe. 


Also weitermachen wie bisher? Nein, dann bräuchten wir die Erinnerung an Noah und seine Arche  und an die große Flut nicht, dann bräuchten wir nicht 500 Jahre Reformation zu feiern, dann wäre Jesus umsonst gestorben und auferstanden. Jeder und Jede ist aufgefordert nachzudenken, wie wir leben und wie wir mit der Menschheit und dieser Schöpfung auskommen wollen. Es gibt Generationen nach uns und die sollen ohne Sintflut die Liebe Gottes spüren können. Ob uns das gelingt? Ich weiß nicht! Aber Gott traut es uns offenbar zu. Verschließen wir uns seiner Liebe nicht. Amen!

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