Heilig heilig heilig: "Gottes Größe" - Predigt zu Jes.6,-13 an Trinitatis 2023

 

61 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel.  

2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie.  

3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!  

4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. 

5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.  

6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,  

7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.

8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!  

9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht!  

10 Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. 

11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.  

12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, sodass das Land sehr verlassen sein wird.  

13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.


Liebe Gemeinde,

Was ist Euch heilig?

-        Die Familie?

-        Die Partnerschaft?

-        Die Liebe zu den Kindern?

-        Oder auch: das Heiligsblechle - Auto? Des Deutschen liebstes Kind angeblich?

-        Die eigenen 4 Wände?

(Der Diebstahl von Gegenständen aus der eigenen Wohnung ist ja schon schlimm, aber am Schlimmsten ist doch, dass jemand in dem war, was uns eigentlich Schutz bieten sollte!)

 

Was ist „heilig“? Die Kirche, die Bibel?

Ich glaube an die heilige christliche Kirche bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Obwohl die Kirchengeschichte doch so viel Unheilsgeschichte beinhaltet.

Die Bibel ist die heilige Schrift lesen wir. Obwohl sie voller Widersprüche und auch grausamen Geschichten ist.

 

Was ist heilig? Das muss man fragen, wenn wir heute versuchen „Trinitatis“, das Fest der heiligen Dreieinigkeit Gottes zu verstehen und irgendwie zu feiern.

 

Heilig ist das, was nicht antastbar ist. Das, was ausser unserer menschlichen Verfügbarkeit steht. Was ganz ist. Vollständig. Bewundernswert. Vor allem alte Kirchen haben eine Architektur, die auch den meisten Nicht - Gläubigen eine andere Haltung gibt. Ich nenne es Ehrfurcht. In einer ehrwürdigen Kirche sind Menschen stiller, der Blick geht ganz oft nach oben. Freilich wird auch die Kleiderordnung oft nicht geachtet und vor allem wird die Ehrfurch oft vor lauter Handygeknipse gestört. Respekt vor dem Heiligen? gar Ehrfurcht? Wird weniger. Stattdessen: Ich im Vordergrund. Selfie, seht, wo ich überall war! Seht mich an! Immer wird öfter wird das eigentlich Unantatstbare entheiligt: Besonders im Krieg werden oft die Heiligtümer des Gegners zerstört. (Ich habe das im Kosovo selbst ansehen müssen!) Und leider geht der Respekt vor dem Unantastbaren, dem Heiligen in der Welt verloren. Die Menschenwürde ist unanstatbar heißt es in der UN Charta und wird doch weltweit mit Füßen getreten. Wir bewundern oft mit offenem Mund die grandiose Natur und schädigen sie doch allein durch unser Alltagsverhalten, als ob wir blind und taub wären, mit einem trägen und verfetteten Herzen, obwohl wir die Gefahren kennen, die Bilder gesehen haben und die Nachrichten hören.

 

Astronauten berichten immer wieder, wie wunderbar unser Planet von außen anzuschauen ist und wie völlig unverständlich es ist, dass Menschen auf diesem Planeten Krieg gegen sich und die Natur führen. Deshalb ist heilig vor allem das, was über uns hinausweist, was uns unsere Kleinheit und Begrenzheit zeigt im Vergleich zu dem viel Größeren was uns umgibt. Vielleicht ist deshalb sovielen Menschen heute fast nichts mehr heilig, weil sie nur mit sich selbst beschäftigt sind und eher Angst haben etwas zu verlieren, wenn sie sich demütig in den Dienst des viel Größeren stellen würden.

 

Davon jedenfalls berichtet die Berufungsgeschichte des Propheten Jesaja, die wir eben gehört haben.

 

In dem Jahr, als der judäische König Uria starb, sah Jesaja eine Erscheinung, die jegliche Vorstellung von bisher gekannter Macht übertraf. Jesaja stand offenbar im Tempel in Jerusalem. Und er musste ansehen, wie auch der Tempel, der heilige Ort des Judentums, nicht ausreichte, um die Heilgkeit Gottes aufzunehmen: Jesaja sieht den Herrn auf einem Thron sitzen wie einen König, aber nur der untere Saum eines Mantels füllte den Tempel. Mit anderen Worten: Gott übersteigt jede Vorstellung auch eines religiösen Menschen. Worte können das nicht beschreiben, und gebaute Heiligtümer auch nicht. Riesige geflügelte Wesen, die Seraphinen, begleiten die Erscheinung und erklären: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.

 

In der klassischen Abendmahlsliturgie singen wir diese Worte nach. Aber mit menschlichen Stimmen. Ein müder Abklatsch offenbar von der Stimmgewaltigkeit, die Jesaja vernimmt: Die Türschwellen des Tempels unter seinen Füßen beben und der ganze Tempel ist voller Rauch. Es ist wie in einem Sciencefiction Film. Erschreckend und überwältigend. Kein Wunder, dass Jesaja ruft: Weh mir, ich vergehe!

 

Jesaja erkennt, was für ein armseliger Wurm er und die ganze Menschheit ist im Angesicht des einzig Heiligen: „Ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen“ bekennt er.

 

Ich frage mich, ob wir erst solche apokalyptischen Ereignisse brauchen, um zu erkennen, dass wir armselige höchst unvollkommene Wesen auf diesem Planeten sind? Die Menscheit kann mittlerweile soviel. Auch so viel Gutes. Aber erkennen wir wirklich auch das Ganze? Wie verblendet und verstockt ist der Mensch, dass weder 2 Atombomben im 2. Weltkrieg noch Klimakatastrophen ausreichen, um dauerhaft Einsicht und Respekt vor der Schöpfung, den Geschöpfen  und ihrem Schöpfer zu bekommen? Wir leben über unsere Verhältnisse. Einige sagen, es sei sogar für eine Umkehr zu spät.

 

Freilich: in der Berufungsgeschichte des Jesaja geht es auch um Vergebung. Die Schuld wird von Jesaja genommen. Aber eben nicht einfach so mit billiger Gnade. Die Erkenntnis der eigenen Schuld war schon bitter, die Reinigung durch die Serapinen mit glühenden Kohlen muss sehr schmerzhaft gewesen sein. Aus dieser Erzählung hat die katholische Kirche die Drohung mit dem Fegefeuer abgeleitet. Da klingt in meinen Ohren aber mehr Angstmacherei und zumindest früher unheilige Geldmacherei mit als die Chance zur Befreiung von Schuld.

 

Schließlich erfahren wir noch, dass die Befreiung von Schuld Konsequenzen hat: Jesaja stellt sich in den Dienst des Heiligen Gottes. Doch sein Auftrag ist furchtbar: er soll Gottes Wort predigen und gleichzeitig wissen, dass seine Worte die Ohren des Volkes verschließen und das Herz verfetten lassen werden. Die Menschen werden krank werden, aber sich nicht bekehren und genesen. Wie lange? fragt Jesaja. Die Antwort Gottes:

Bis Städte wüst werden, Häuser menschenleer bleiben und Felder wüst daliegen…Ich habe Bilder im Kopf: Bilder von Ruinen nach dem Krieg in meiner Heimatstadt Bremen, im kosovarischen Prizren, wo ich stationiert war, in Kiew; Häuser in denen Menschen einst lebten; Bilder von verdorrten Feldern und dann wieder von Überschwemmungen, weil die Erde die Wassermassen nicht fassen konnten. Offenbar reichen diese Bilder noch nicht, bis Jesajas Worte wirklich gehört werden.

 

Ich frage mich wieder: Wieviel Katastrophen braucht der Mensch, um das Heilige zu respektieren? Warum kennen wir alle die Bilder und tun doch so, als ob wir selber nichts tun oder lassen müssten, um dem Unheil zu wehren und dem heiligen Ehre zu erweisen? Unheilpredigten sind nicht beliebt. Ein drohender Gott passt nicht in unser Bild vom lieben Gott. Und Zwang und Moral erzeugen Abwehrreaktionen. Trotzdem bekommt Jesaja den Auftrag so und nicht angepasster zu predigen.

 

Könnte es sein, dass gerade wir Christen uns Gott gerne lieb und kuschelig vorstellen? Und entheiligen wir dann nicht selber Gott, in dem wir uns ihn schön griffig machen? "Gott nimmt dich so an wie du bist." Wo steht das eigentlich geschrieben? In der Bibel steht es jedenfalls meines Wissens nicht! Buße sollen wir tun. Umkehren von falschen Wegen. Das schon. In Jesus Christus haben wir Gott sei Dank allerdings auch eine andere Seite des Heiligen in unser Herz geschlossen. Ich glaube aber es ist zutieftst heilsam, die heilige Trinität nicht aufzusplittern: Gott ist nicht nur lieb weil es das neue Testament gibt und er ist nicht nur bedrohlich weil es so im Alten Testament steht. Es gibt soviele Seiten und soviele Glaubenserfahrungen, die allesamt nicht ausreichen Gott zu beschreiben. Wenn überhaupt, erkennen wir den Saum Gottes: Randerscheinungen. Trinitatis bekennen wir den in der Vielfalt einen Gott. Demütig erkennen wir unsere eigene Rolle gegenüber dem Großen, Unfassbaren, gegenüber dem Heiligen.  Hoffentlich erkennen wir auch die Gefahren, die von einem verstockten und verfetteten menschlichen Herz ausgehen. Dann hoffen wir voller Respekt auf die Gnade und Barmherzigkeit von Vater, Sohn und heiligem Geist. Gott fragt: wen soll ich senden? Und vielleicht sagt der eine oder die andere dann doch: Hier bin ich! Und redet. Und heilt. Und verbreitet Glauben, Liebe und Hoffnung im Namen des einen, der in Jesus Christus uns Mensch geworden ist. Amen!

 

 

 

 

 

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