Glaube Hoffnung Liebe: Herzlich willkommen! Predigt zu 1.Kor.13,1-13

 Liebe Gemeinde,

„Herzlich willkommen!“ Das stand gespickt mit einigen persönlichen Zeichnungen auf einem großen Bogen Papier an unserer Wohnungstür. Unsere Nachbarn haben uns damit überrascht. Am 31. Oktober letzten Jahres haben wir die Wohnung übernommen, in die wir dieses Jahr ziehen werden. Wir kennen in der Stadt eigentlich keinen Menschen. Unsere Nachbarn hatten wir mal gesehen, mal einen Espresso zusammen getrunken; mehr aber nicht. Wir sind evangelisch, sie glaube ich: katholisch. Sie sind Raucher, wir absolute Nichtraucher. Wir wollen die Wohnung mit möglichst wenig vollstellen. Die Wohnung unserer Nachbarn steht proppevoll mit allem möglichen. Wir sind glaube ich ziemlich verschieden. Trotzdem stand da an unserer Tür überraschend „Herzlich willkommen!“, dazu ein paar liebevolle Zeichnungen.

 

Wenn man liebevoll empfangen wird, macht das was mit einem. Wir hatten gleich das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Und so schön Teneriffa auch ist: Wir freuen uns auch auf unsere neue fremde Heimat, auf gute Nachbarschaft und Gemeinschaft.

 

Ich erzähle das deshalb, weil dieses „Herzlich willkommen!“ eigentlich über jeder Kirchentür stehen müsste. Wir kennen einander ja auch nur zum Teil. Wir sind unterschiedliche Menschen hier im Gottesdienst und bei allen Veranstaltungen unserer Kirchengemeinde. Die einen reich, die anderen weniger. Die einen sehr fromm, die anderen eher auf der Suche. Die einen voll Urlaubsgenuss, die anderen voller Sorgen oder Zweifel. Deutsche, Österreicher, und dann sind auch immer wieder Menschen im Gottesdienst, die gar kein Deutsch können. Trotz aller Unterschiede und Fremdheiten gilt allen dieses „Herzlich Willkommen“! Allen gilt ein liebevoller Empfang. Nicht weil wir so tolle Menschen sind, sondern weil wir an Gott glauben, der in Jesus Christus trotz aller Unterschiede und Fehler uns zuruft: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, weil ich euch liebe!“ (Joh. 15,12)

Dass wir uns einander immer voller Harmonie liebhaben müssen, ist vielleicht etwas viel verlangt. Aber dass wir einander respektieren, Unterschiede soweit wie möglich tolerieren, dass wir einander wahrnehmen und nicht nur an eigene Vorteile denken, dass sollte eine gute Kirchengemeinde ausmachen. Nun, alle, die mit Kirchens etwas mehr zu tun haben, wissen, dass es oft nicht so ist:

Da gibt es einmal die große Verwerfungslinie zwischen katholisch und Evangelisch. (Als neulichs eine Dame mich hier fragte, ob jetzt die spanische Messe stattfinden würde, sagte ich, dass der Gottesdienst deutsch sei und evangelisch. Darauf schlug sie entsetzt die Hände vors Gesicht und rannte aus der Kirche, als ob sie dem Leibhaftigen persönlich begegnet wäre!)

 

Da gibt es aber auch die Evangelikalen und die eher Liberalen; da gibt es die, denen alles zu modern ist und diejenigen, die lieber eine Band als die Orgel hätten. In der Kirche scheiden sich die Geister, ob man Schwule segnen darf oder ob man damit alle christlichen Werte verraten würde. Es gibt die Verwerfungen, zwischen der bürokratischen Politik eines Kirchenamtes und den Notwendigkeiten einer lebendigen Kirchengemeinde. Das alles ist nicht neu. Kirche und Glauben war noch nie harmonisch im Einklang aller Beteiligten.

 

Davon berichtet eindrücklich schon der Korintherbrief des Apostel Paulus. Die Hafenstadt Korinth war ein Schmelztiegel der Kulturen und sozialen Schichten. Auch in der dortigen Kirchengemeinde gab es Unternehmer und es gab die Hafenarbeiter. Es gab die Heidenchristen und die Judenchristen. Es gab ein Kommen und Gehen von Einheimischen und Gästen. Es gab die, die viel zum Gemeindeleben beisteuerten und es gab die, die nicht viel hatten. Es gab die, die jede Gelegenheit nutzten, um den besten Platz zu ergattern und die, deren Bescheidenheit immer wieder ausgenutzt wurde. Diejenigen, die ekstatisch Halleluja schrien und diejenigen, die versuchten, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Viele menschliche und theologische Spannungen waren da vorprogrammiert. Paulus erinnert die Christen in Korinth daran, dass es viele Glieder gibt, aber eben nur einen Leib Christi. (12,12) Er sagt, dass es in der Kirche viele Gaben und Aufgaben gibt, aber doch nur einen Geist; viele Ämter aber nur einen Herrn. (12,4) Christen genießen große Freiheit, doch Paulus schreibt: Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Niemand suche das seine, sondern was dem anderen dient. (10,23+24) Das was die christliche Gemeinschaft ausmacht, wird besonders im 13. Kapitel des Korintherbriefes deutlich, dem Hohenlied der Liebe. Das ist heute Predigttext:

 

1.Kor.13,1-13

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen[1], und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Diese Liebe, die Paulus da beschreibt, die nie das Böse sucht, die nie verbittert wird, die alles erträgt, alles glaubt, alles duldet und noch viel mehr, diese Liebe ist doch für Menschen unerreichbar. Darin waren sich die Teilnehmenden beim letzten Predigtvorgespräch einig. Und trotzdem suchen sich viele Brautpaare gerade dieses Hohelied als Trauspruch aus, weil sie daran glauben, dass die Liebe das größte ist.

Aber ist sie das, wenn sie alles duldet? alles glaubt? Alles hofft? Alles erträgt? Für mich wird so eine Liebe zu einem leicht ausrechenbaren Brei. Eine Liebe, die völlig wertfrei ist, keine Position bezieht, wird wertlos. Es gibt rote Linien, die die Grenzen der Toleranz aufzeigen. Kluge Ehepaare wissen das: Dort, wo die Wertschätzung und das Vertrauen verloren geht, da ist auch die Liebe oft am Ende. Kluge Eltern wissen das: Eine Affenliebe gegenüber den Kindern, die alles duldet und keine Grenzen benennt, schafft faule Früchtchen.

So auch eine Kirchengemeinde: Bei einer Kirchengemeinde, die von rechtgläubiger Dogmatik oder eben auch von grenzenloser Toleranz geprägt ist, wird der Herzschlag der Liebe Gottes nicht mehr erkennbar. Darauf weist Paulus hin: wenn ich allen Glauben hätte, aber keine Liebe, dann wäre ich nichts. Wenn ich all mein Habe den Armen gäbe und hätte dabei keine Liebe, so wäre es nichts nütze.

 

Liebe sucht das gegenüber, aber es kann ja auch mal Streit geben. Ein gutes Miteinander braucht auch eine gute Streitkultur. Ein Miteinander braucht ein Ich genauso wie ein Du. Was trägt Dich, was bewegt mich? Wenn Gott uns alles durchgehen ließe, was wäre dann eigentlich für ihn wirklich an uns liebenswert? Das Gott nicht alles durchgehen lässt, haben wir in der Lesung mehr als deutlich gehört.

 

Herzlich willkommen! Steht also an der Tür der Kirche und an der Tür zum Himmel. Es ist die freundliche, liebevolle Einladung das Miteinander trotz aller Unterschiede und Fremdheiten zu versuchen; voller Glaube, voller Hoffnung, voller Liebe. Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Jesus weiß, dass seine Liebe zu den Menschen in kurzer Zeit schon aufs Kreuz gelegt wird. Aber sollten wir deshalb aufhören zu glauben, zu hoffen und die Liebe zu wagen?

Wir würden ja den Bösewichtern, den Menschenverächtern, letztlich dem Teufel das Feld überlassen. Die Liebe ist langmütig, aber sie duldet nicht alles. Darum ist ein aufrichtiges herzliches Willkommen schon der Anfang des Widerstandes gegen eine lieblose Welt.

Gott schenke uns also viel Glauben, viel Hoffnung und ein gesundes Maß an Liebe. Amen!

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