Predigt zum Sonntag, 4.9.22 Apostelgeschichte 9,1-19

 Liebe Gemeinde, 

mein Telefon klingelt. Auf dem Display sehe ich die Vorwahl des Anrufers: 0039. Das ist nicht Spanien! Ich nehme ab. Unerwartet meldet sich eine Frau auf Spanisch. Es ginge um meinen Computer. Ich sage: „Ich brauche nichts! Ich habe auch um nichts gefragt!“ „Doch, doch!“ sagt sie. Ich lege auf und schaue unter 0039 im Internet nach. Betrug mit falscher Vorwahl lese ich da als erstes. 0039! Italien! Oder eben auch nicht? Was ist wahr? Was ist richtig? Auf wen kann man sich noch verlassen? Wo bleibt der Anstand, die Moral, wenn Fake News überall verbreitet werden und Betrug allgegenwärtig ist? In was für einer Welt leben wir?

 

In welcher Welt leben wir eigentlich? Das denkt auch Saulus. Für ihn ist klar, was wahr ist: Es gibt nur einen Gott: Den Gott Israels. An seine Gebote muss man sich halten. Nur so gibt es Moral und Anstand. Sonst zerbricht das Gemeinwesen. Wer diese Wahrheit und die Ordnung stört, der muss die Strenge des Gesetzes spüren. Saulus ist Pharisäer. Ein anständiger gläubiger Mensch. Aber nun breiten sich sogenannte Christen aus, eine gefährliche Sekte, die die Menschen mit Unwahrheiten ködert. Sie vertrauen auf einen Zimmermannssohn namens Jesus.

 

Jesus von Nazareth hatte die Ordnung gestört. Er Er sei Gottes Sohn. Der einzige Gott hat keinen Sohn! Er verkündigte den Anbruch des Reich Gottes, als sei die Realität umzustürzen. Jesus ein Revoluzzer und alle Welt lief ihm nach, sogar Zöllner, Huren und sogar Soldaten. Er suchte ständig Streit mit den Pharisäern und galt als Partygänger, der aus Wasser Wein machte. Gut, dass die Römer ihn endgültig aus dem Weg geräumt hatten. – Aber nun hält sich das Gerücht, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Fake news! Das geht doch wirklich gegen jeden Verstand. Aber die Fans von Jesus werden immer mehr. Sie behaupten, dass dieser Handwerkersohn der Messias sei, auf den die Juden schon so lange warteten. Sie nennen sich Christen. Sie bezeichnen sich selber als Anhänger des rechten Weges…

 

Saulus beschließt, dem Spuk ein Ende zu machen.

 

APG 9,1-2

1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, dass er Anhänger dieses Weges, Männer und Frauen, wenn er sie fände, gefesselt nach Jerusalem führe.

 

Manchmal ist das, wovon man überzeugt ist, doch nicht der Wahrheit letzter Schluss. Was ist wahr? Was ist Fake?

 

In Russland glauben unbeschreiblich viele Menschen, was Putin ihnen einredet: In der Ukraine müssten die Menschen von einem faschistischen Regime befreit werden. Tausende bezahlen diese Lüge mit ihrem Leben. Sie fallen an der Front oder sie fallen von einem Schrecken in den Nächsten. Wer sich dagegen wehrt und die Wahrheit ausspricht muss mit dem Schnauben und Rasen der Diktatur rechnen. Wir Deutschen wissen, wie grausam das Vertrauen auf angebliche Wahrheit sein kann. Am 1. September 1939 wurde nicht zurückgeschossen…

 

Ein anderes Beispiel fällt mir ein:

 

Scheidungskinder müssen oft schmerzvoll erkennen, dass der angeblich böse Vater, der sich nie um die Kinder gekümmert hat, jahrelang Briefe geschrieben hat, die die Mutter aber immer abgefangen hatte. Sie fallen dann in ein Loch! Wie ist der Vater wirklich? Was wahr war, ist nun nicht mehr gültig! Das Vertrauen ist am Boden.

 

Auch Saulus fällt:

 

Apg 9,3-9

3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. 6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7 Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. 8 Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9 und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. 

 

Ausgerechnet Saulus, der sich so für Wahrheit und Klarheit eingesetzt hatte, fällt im Angesicht eines Lichtes vom Himmel. Ausgerechnet Saulus, der felsenfest von der Unmöglichkeit eines auferstandene Jesus überzeugt war, hört die Stimme Jesu. Ausgerechnet Saulus, der ein wachsames Auge auf Regeln und Anstand hatte, verliert den Überblick, wird blind.

 

Wenn alles um einen herum zusammenbricht, dann sieht man erst einmal nichts mehr. Wenn das, was gestern noch gültig war, heute nicht mehr gültig sein soll, dann ist es erst einmal ganz dunkel: Schwarz vor Augen und Finsternis auf der Seele. Blind für die Zukunft!

 

Ein Krieg in Europa! Das kann doch nicht wahr sein!

Eltern, die ihren Rosenkrieg auf Kosten der Kinder ausfechten! Furchtbar.

Eine plötzliche Krebsdiagnose: Alles was war, ist heute nichts mehr wert.

Wir kennen alle solche verstörenden Ereignisse. Entweder kennen wir sie aus eigenem Erleben oder aus dem Leben uns nahestehender Menschen. Wie soll es weitergehen? Geht es überhaupt weiter? Was soll man tun?

 

Jesus macht Mut, sogar Saulus, der nicht glauben will, was er gerade erleben muss: Er hört die Stimme Jesu: Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst! – Aber wie soll Saulus gehen, wenn er nichts sieht? Er braucht Menschen, die ihm aufhelfen und die ihn stützen und führen. Sie müssen nur da sein. Sie müssen nicht verstehen, was wirklich passiert ist. Vor allem sollen sie ja nicht anfangen Ratschläge zu geben oder Erklärungen zu versuchen. 

Die Gefährten standen sprachlos da, aber sie nahmen Saulus bei der Hand und führten ihn nach Damaskus.

 

Damaskus war das Ziel für Saulus, doch sein Weg verläuft komplett anders als geplant. Der Weg von Saulus endet nicht im Rechthaben, er endet nicht in Schnauben und Toben, nicht in Hass und Gewalt; Am Ende gilt nicht richtig oder falsch, nicht schwarz oder weiß. Am Ende des Weges sorgt Gottes Liebe für Versöhnung und heilende Begegnung.

 

Hört selbst: Apg. 9, 10-19

0 Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. 11 Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet 12 und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und ihm die Hände auflegte, dass er wieder sehend werde. 13 Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; 14 und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen. 15 Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. 16 Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen. 17 Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. 18 Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen 19 und nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus blieb aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus.

 

Gottes Liebe bewegt die Welt zu Versöhnung und Einheit. Das könnte die Summe der Geschichte sein, in der Saulus zum Paulus wird, - in der es einem wie Schuppen von den Augen fällt.

 

Gottes Liebe bewegt die Welt zu Versöhnung und Einheit! Ist auch das Motto der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, die sich gerade in Karlsruhe versammelt. Das erste Mal in Deutschland. Die Vertreter und Vertreterinnen von über einer Milliarde Christen aus über 300 verschiedenen Kirchen begegnen sich nach 8 Jahren wieder, um Lösungen zu finden für die vielen Krisen dieser Welt. Sie wissen: Rechthaberei führt zur Konfrontation aber nicht zur Versöhnung und Einheit. In verfahrenen Situationen vertrauen sie auf den Geist Gottes, auf die Liebe Jesu. 

Man darf von den Kirchen keine Wunder erwarten. Für Wunder ist Gott zuständig. Aber Christen können Zeichen setzen für Versöhnung und Einheit. Wenn Saulus und Hananias nicht der Stimme Jesu vertraut hätten, wenn die Gefährten von Saulus nicht den neuen Weg begleitet hätten, wäre es zu keiner Versöhnung gekommen. Es braucht also durchaus die kleinen Geschichten, die Mut machen für neue Wege. Es braucht Menschen, die sich von felsenfesten Überzeugungen auch mal lösen können, um die andere Seite zu verstehen. 

Warum sollten solche Geschichten in denen Menschen sich versöhnen und neu einander begegnen nicht öfter stattfinden können? Lasst uns die Augen offen halten!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne. Amen!

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