Jesus und die Ehebrecherin Predigt am 10.7. über Joh.8,1-11

Jesus und die Ehebrecherin

Frühmorgens aber kam Jesus wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4 und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5 Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? 6 Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. 10 Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11 Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.] 


Die Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin gehörte auch zum Religionsunterricht für meine vierte Klasse. Wir spielten die Geschichte nach im Klassenzimmer. Am einfachsten war es die Rolle der Schriftgelehrten und der Pharisäer zu besetzen. Die vier Jungs aus der letzten Reihe rissen sich förmlich darum. Ich brauche nicht zu sagen, weshalb sie in der letzten Reihe saßen. Die Rolle war für sie toll, weil sie dabei ohne bestraft zu werden, ein Mädchen durch den Raum zerren durften.

Wir kamen gar nicht dazu, zu erklären, was Pharisäer waren oder Schriftgelehrte. Schriftgelehrte hätte ich gesagt, waren die, die sich in der Bibel besonders gut auskannten. Für diese Qualifikation hatten meine vier Jungs aber deutliche Defizite. Pharisäer hätte ich gesagt, waren eine Gruppe von Männern, die besonders auf die Gebote im Alten Testament achteten. Meine vier Jungs hatten schon Probleme mit der Schulordnung. Aber einmal so richtig vom Leder ziehen, das konnten sie. Jemanden beschuldigen, - auch wenn es unberechtigt war -hart anpacken… Irgendwo hatten sie das anscheinend abgeguckt: Es ist ja auch nicht schwer. In unserer Gesellschaft ist das Denunzieren, das Verbreiten von Hass ja unsäglich verbreitet. Wer Internet hat, ein Handy hat, der kennt das, gerade in den Schulen. Da wird denunziert, bloßgestellt, da wird Hass verbreitet. Dabei waren meine Jungs alles andere als bösartig. Eigentlich fand ich sie richtig gut. Denn sie hatten bei aller Rauflustigkeit doch auch ein hohes Gespür für Ungerechtigkeit. Zwei von ihnen kamen übrigens aus sehr frommen Familien. Sie kannten dann doch die eine oder andere biblische Geschichte, freilich ohne sie richtig zu verstehen. Von ihren Eltern hatten sie gelernt: Was da in der Bibel wörtlich stand, das musste auch so passiert sein oder richtig sein. Ehebruch zieht die Steinigung nach sich. Das steht so mehrfach in den 5 Büchern Mose. Fertig. Da passte die Rolle also doch, denn die Pharisäer hielten sich ja auch für besonders gottesfürchtig und sie wollten, dass die Gebote Gottes eingehalten werden. Deshalb brachten sie die Frau, die gerade beim Ehebruch ertappt worden war zu Jesus.

 

Die zweite Rolle war die von Jesus. Einen Jesus zu finden, war gar nicht so einfach. Der ist zwar eine Hauptperson, aber er macht ja nicht viel.  Am Anfang schon. Er geht in den Tempel unterrichtet die Leute, die da zahlreich kamen. Aber was Jesus da erklärte, das steht nicht in der Geschichte. Und als die Pharisäer mit der Frau kamen, da sagte er nichts. Hockte nur da und schrieb irgend etwas in die imaginäre Erde. Wer weiß was! Alles, was er zu sagen hatte war: Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Die Rolle von Jesus ist entscheidend, aber auch ein bisschen langweilig. Einfach nur ruhig dasitzen, teilhaben, aber nicht auffallen… Das ist nichts für meine 10jährigen gewesen. Aber irgendwann hatten wir einen gefunden, der den Jesus spielte.

 

Ich dachte es wäre schwer die dritte Rolle, die der Ehebrecherin zu besetzen. Wer will schon als Sünderin beschimpft werden? Wer will, dass an ihr rumgezerrt wird. Ehebruch? Das klingt heute immer noch heftiger, als einen Seitensprung machen. 38,5 % aller Ehen in Deutschland wurden 2020 geschieden. Mehr als jede dritte. Für Trennungen gibt es viele Gründe. Ehebruch ist einer davon. Ehebruch, das ist etwas, was eine Beziehung kaputt macht, wenn es hinter dem Rücken des Ehepartners geschieht, der eigentlich auf Treue und Vertrauen setzt. Oft genug ist das verlorene Vertrauen dann eine Katastrophe für die Ehepartner, aber auch für die Familie. Viele meiner Schüler und Schülerinnen hatten zerbrochene Familienverhältnisse erlebt. Bei einigen wusste ich, dass die heile Familie nur ein Schein war oder ganz offen kurz vor dem Zerbrechen war. Aber die Rolle der Ehebrecherin war allen Fakten zum Trotz schnell gefunden. Ausgerechnet das pfiffigste Mädchen hatte sich dafür gemeldet. Ich habe ihren Namen vergessen. Aber das ist egal, denn in der biblischen Geschichte hat sie ja auch keinen Namen. Niemand fragt wie sie heißt. Eigentlich fragt nur Jesus einmal: Wo sind die Leute geblieben? Hat Dich niemand verdammt? Dann sagt die Frau nur dieses: Niemand Herr.

Doch für meine Schülerin reichte das nicht. Sie wollte eine Rolle spielen, wie sie sich das vorstellte. 

Die Jungs also packten das Mädchen und zerrten sie in den Klassenraum. Als es gar zu heftig wurde, da rammte das Mädchen ihren Ellenbogen in den Bauch des einen Jungen: Spinnt ihr, schrie sie die Pharisäer an. Gegen vier Jungs hatte sie nur eine kleine Chance. Dass sie sich lautstark wehrte und nicht alles mit sich machen ließ, das kann ich mir eher zu der biblischen Geschichte vorstellen, als eine schweigsame Frau, die alles erduldet, wie Johannes es erzählt.

 

Als die Jungs ihren Text sagten: Jesus, wir haben diese hier frisch beim Ehebruch ertappt, da wehrte sich das Mädchen, dass die Ehebrecherin spielte und schrie die selbstgerechten Pharisäer an: Wieso schleppt ihr mich hier ran? Was ist mit dem Kerl, der mir das alles eingebrockt hat?

Und sie hatte Recht, denn in der Bibel steht, dass beide, Mann und Frau beim vollzogenen Ehebruch zu bestrafen sind, nicht nur die Frau. Aber in unserer Kultur hat sich eingebrannt, dass Sünde weiblich ist. Eva verführt den Mann, nicht umgekehrt; - so ist es in der Kunst immer wieder dargestellt. Und das führte dazu, dass man vor allem Frauen der Sündhaftigkeit bezichtigte. Heute freilich sind auch sehr viele Männer bei einer Ehescheidung die Leidtragenden; dürfen ihre Kinder nicht sehen, weil die Mütter ihren Ex bestrafen wollen. Und zahlen darf der Mann meistens auch bis ans Lebensende. Gerechtigkeit gibt es bei Ehescheidungen selten.

Meine Schülerin brachte das auf den Punkt: Sie brüllte die Pharisäer an: Ihr habt überhaupt keine Ahnung von Liebe. Und ihr fragt überhaupt nicht danach, was wirklich passiert ist. Und auch da gibt die Bibel ihr Recht. Nach den Geboten der Bibel, muss es eine Anhörung der Beschuldigten geben bevor ein Strafmaß verhängt wird.

 

Zunächst waren meine Jungs sprachlos. Aber dann fiel ihnen wieder ihr Text ein. Auf Argumente sind sie besser nicht eingegangen. Was in der Bibel steht gilt: Im Gesetz steht, dass die Frau zu steinigen ist. Jesus was meinst du?

 

Wenn Jesus gesagt hätte: Lasst die Frau einfach gehen. Dann hätte er gesagt, dass ihn die Gebote der Bibel nicht interessieren. Die Pharisäer und Schriftgelehrten hätten etwas in der Hand, um Jesus zu verklagen. Dass man über Ehebruch nicht viele Worte verliert, war damals undenkbar. Erst 1871 wurde die Bestrafung von Ehebruch aus dem Gesetzbuch in Deutschland gestrichen. Heutzutage ist man ja nahezu unglaubwürdig, wenn man dem Partner oder der Partnerin treu geblieben ist, egal ob verheiratet oder nicht.

Wenn Jesus gesagt hätte: Ja Strafe muss ein, denn wären alle seine anderen Worte nur Schein gewesen: Die Worte von Barmherzigkeit und Vergebung, von der Feindesliebe. Leider ist das Zerbrechen einer Ehe heute aber doch sehr folgenreich. Es ist ja eher selten, dass die Partner friedlich auseinandergehen. Gerade um Vermögen und das Sorgerecht für Kinder gibt es oft erbitterten Streit. Eine Ehescheidung hat heute eher mit Unbarmherzigkeit und Rechthaberei, mit Macht und bösen Unterstellungen zu tun, als mit den Möglichkeiten eines menschlichen Miteinanders. Da wird Schuld zugewiesen und Bestrafung ausgeübt, sei es finanziell oder emotional! Eine Steinigung mit Worten und mit Forderungen, am liebsten so, bis der andere am Boden liegt, wie tot. 

Was also soll Jesus tun? Er nimmt weder Partei für die, die die Steinigung für rechtmäßig halten, noch für die, denen Ehebruch gar nichts bedeutet: Wer von Euch ohne Sünde ist, nehme den ersten Stein.

Im Gegensatz zu heutigen Ehedramen geht die biblische Geschichte erstaunlich gut aus. Keiner bleibt, um zu verurteilen. Alle Schreihälse und Rumzerrer haben sich zurückgezogen. Meine Schüler und Schülerinnen sahen das auch so. Sie hätten sich zwar lieber zum Schluss ein actionreiches Finale gewünscht, aber eigentlich waren sie sich einig, dass es außer Jesus keinen Gerechten gibt. Ohne Fehler, ohne Sünde ist niemand. Die Pharisäer und Schriftgelehrten nicht und die Frau, die offenbar tatsächlich ein Verhältnis hatte, auch nicht. Andere beschuldigen, bloß stellen, mobben… Das geht gar nicht! meinten sie. Irgendwie hat man ja auch selber so ein bisschen Anteil, wenn man sich streitet. Treu sein und ehrlich zueinander, das waren Werte, die aller Liberalität zum Trotz, auch für die Kinder ganz wichtig waren. 

Wenn zwei Menschen glücklich miteinander alt werden, finde ich das toll. Das ist ein Abglanz von der Liebe Gottes. Wenn aber zwei Menschen unglücklich miteinander alt werden, ist das nicht der Abglanz der Liebe Gottes. Da ist es vielleicht besser, wenn man alles versucht hat, die Ehe zu beenden. Zur Sünde wird Ehebruch doch erst dann, wenn man den anderen verletzt und ihm Schaden zufügt. Es geht in der biblischen Geschichte nicht um die Einhaltung von Gesetzen;  es geht um die Anwendung von Gottes Gebot der Liebe, des Respekts vor meinem oder meiner Nächsten. Im letzten Satz der Geschichte finde ich den Kern der Lehre Jesu: So verdamme ich Dich auch nicht. Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr. 

So sollen wohl auch wir versuchen, andere nicht zu verdammen, nicht zu verlettzten. Nicht mit Worten und erst Recht nicht mit Handlungen, sondern zu heilen und zu vergeben. Amen!

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